Entführt und getötet

Nahost: Gewalt eskaliert nach Mord an Jugendlichen

Ausland
03.07.2014 13:50
Die Ermordung dreier israelischer und eines palästinensischen Jugendlichen droht den fragilen Nahost-Friedensprozess vollends zu beerdigen: Demonstranten beider Lager randalierten am Mittwoch in Jerusalem und fachten gegenseitige Rachegelüste zusätzlich an. Israels Streitkräfte flogen Dutzende Luftangriffe auf den Gazastreifen. Am Donnerstag wurden zusätzlich Truppen an der Grenze entlang des Gazastreifens stationiert.

"Wir bewegen Truppen", bestätigte Armeesprecher Peter Lerner am Donnerstag entsprechende Medienberichte. Es sei auch eine begrenzte Zahl von Reservisten mobilisiert worden. Lerner betonte jedoch mehrfach, Israel sei nicht an einer Offensive im Gazastreifen interessiert.

Am Mittwochmorgen war der 16-jährige Mohammed Abu Khudair an einer Straßenbahnhaltestelle in Ostjerusalem in ein Auto gezwungen worden, laut Augenzeugen von drei Israelis. Einige Stunden später wurde seine übel zugerichtete Leiche im Westteil der Stadt an einem Waldrand entdeckt. Das Verbrechen ereignete sich einen Tag nach der Beerdigung von drei jüdischen Religionsschülern, die ihrerseits im Westjordanland verschleppt und ermordet worden waren.

Regierung droht mit "Ausrottung der Hamas"
Israels Regierung drohte nach den Leichenfunden mit einer "Operation zur Ausrottung der Hamas" - die radikalislamische Palästinenserorganisation wird für die Ermordung der drei Jugendlichen verantwortlich gemacht. Bereits wenig später wurden erste Bombardements aus der Luft im Gazastreifen durchgeführt. Von dort waren in den vergangenen Tagen immer wieder Raketen auf israelisches Territorium abgefeuert worden.

Israels Premier Benjamin Netanyahu berief am Mittwochabend erneut sein Sicherheitskabinett ein, um über mögliche Konsequenzen zu beraten. Allerdings hat der Mord an Khudair den Handlungsspielraum nach Meinung vieler Experten eingeschränkt. Netanyahu verurteilte die "verabscheuungswürdige" Tat und drängte sowohl Israelis als auch Palästinenser, "das Gesetz nicht in die eigene Hand zu nehmen". Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas forderte die israelische Regierung auf, die Angriffe jüdischer Siedler zu stoppen und das dadurch herbeigeführte Chaos zu beenden.

Ausschreitungen bei Protesten in Jerusalem
Doch vorerst konnten die Gemüter nicht beruhigt werden. In Jerusalem kam es zu Ausschreitungen rechter Israelis, die Autofahrer aus ihren Wagen zerrten und "Tod den Arabern" brüllten. Bis in die Nacht hinein lieferten sich Hunderte vermummte Palästinenser, die gegen die Ermordung des palästinensischen Teenagers protestierten, Straßenschlachten mit der Polizei: Sicherheitskräfte wurden mit Steinen und Brandsätzen beworfen - und schlugen ihrerseits mit Tränengas, Blendgranaten und Gummigeschossen zurück. Nach Angaben von Rettungskräften wurden mindestens 65 Menschen verletzt, drei davon durch scharfe Munition. Die Straßen waren übersät mit brennenden Trümmern und Behelfsbarrikaden, es gab Dutzende Festnahmen.

Zehntausende forderten auf Facebook Rache
In einer umstrittenen Facebook-Kampagne haben Tausende Menschen Vergeltung an den Palästinensern gefordert. Die Facebook-Seite "Das Volk Israel fordert Rache" hatten nach Medienberichten bis zum Mittwochnachmittag rund 35.000 Menschen "gefällt mir" angeklickt. Mittlerweile ist die Seite nicht mehr zu erreichen.

Auf der ihr waren zahlreiche rassistische Fotos und Kommentare veröffentlicht worden. Ein Bild zeigte beispielsweise zwei junge Frauen. Sie hielten ein Papier mit der Aufschrift: "Hass auf Araber ist kein Rassismus, sondern ein Wert." Einige der abgebildeten Personen trugen israelische Armeeuniformen und zeigten Waffen.

"Juden und Araber müssen zusammenleben"
Vereinzelt kam es aber auch zu Friedensappellen. "Juden und Araber werden in diesem Land zusammenleben müssen", sagte Isaak Herzog, Fraktionschef der oppositionellen Arbeitspartei, bei einer Kundgebung in Jerusalem, wie die israelische Zeitung "Haaretz" am Mittwochabend berichtete. Extremisten beider Seiten versuchten, das Land in eine Spirale der Gewalt zu ziehen. "Aber die Mehrheit der jüdischen und arabischen Gesellschaft will in Frieden leben."

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