"Krone"-Interview

Mögen Sie Ungarn noch, Herr Fuhrmann?

Österreich
08.02.2014 14:55
Premier Viktor Orban gegen 200 österreichische Landwirte im sogenannten Bodenstreit: Klaus Fuhrmann (51) ist einer von ihnen. Der Biobauer erzählt im "Krone"-Interview, wie er zum Spielball der hohen Politik geworden ist.

Früher Samstagmorgen in Weiden am Neusiedler See: Klaus Fuhrmann steht in einem seiner Felder, in der Ferne drehen sich in Nebel gehüllte, gigantische Windräder. Auf insgesamt 500 Hektar baut der Biobauer hier Mais, Hirse, Weizen und Erbsen an. 200 Hektar befinden sich auf ungarischem Grund. "Seit ich denken kann", sagt er, "hat es mit Ungarn eine enge Beziehung gegeben." Seine Großeltern waren - alle vier - Ungarn. Nach 1921 wurden sie österreichische Staatsbürger.

Als Fuhrmann zehn Jahre alt war, kamen die ersten ungarischen Erntehelfer auf den Hof nach Weiden. 1994 haben ungarische Verwandte seiner Familie sogenannte Entschädigungsscheine (kárpótlási jegyek) überlassen, mit denen man Grundstücke über eine GmbH erwerben konnte. Ab Mai will Ungarns Staatschef Viktor Orban diese Verträge für illegal erklären - 200 österreichische Bauern fürchten nun um ihre Ackerflächen, die sie seit 20 Jahren bebauen. Im "Krone"-Interview erzählt Fuhrmann, wie sich der Konflikt auf seine Arbeit und die Beziehung zu seinem Nachbarland auswirkt.

"Krone": Herr Fuhrmann, was sagen Sie zum Vorwurf, die österreichischen Landwirte hätten sich unter zweifelhaften Umständen billigen Grund angeeignet und sollten sich jetzt nicht wundern, wenn Ungarn diese Ackerflächen wieder zurückhaben möchte?
Klaus Fuhrmann: Ich bin jedenfalls nicht nach Ungarn gefahren, hab' Geld auf den Tisch geschmissen und mich dort eingekauft. In unserer Familie war es so, dass ungarische Verwandte, die 1947, wie viele deutschsprachige Ungarn, vertrieben worden sind, dann 1993 diese sogenannten Kárpótlási-Scheine als Wiedergutmachung bekommen haben. Damit habe ich 200 Hektar Grund erworben. 30 Hektar davon über ein Nutznießungsrecht auf 99 Jahre.

"Krone": Wie billig?
Fuhrmann: Die Grundpreise betrugen damals rund ein Sechstel bis ein Siebentel der österreichischen Preise. Heute würde man ein Drittel zahlen. Man muss aber dazusagen, dass diese Flächen zum Teil brach gelegen sind, die habe ich erst kultiviert. Ich dachte mir, ich kann mir da etwas aufbauen. Ich habe auch sieben Angestellte in Österreich und in Ungarn und zahle Steuern dort.

"Krone": Diese Nutznießungsverträge hat Ungarns Premier Orban jetzt für ungültig erklärt - was sagen Sie dazu?
Fuhrmann: Ich kann es nicht glauben. Für mich ist es sehr fragwürdig, ein Recht auszusetzen, das in der gesamten EU verankert ist. Die alte Regierung hat das ja alles beschlossen. Aber natürlich, wenn das Parlament ein neues Gesetz beschließt, ist es legal, bis es widerrufen wird.

"Krone": Werden Sie vor Gericht gehen?
Fuhrmann: Das würde ich finanziell nicht durchstehen. Und es würde wahrscheinlich irrsinnig lange dauern. Also ich traue mich da nicht drüber.

"Krone": Fühlen Sie sich von Österreichs Landwirtschaftsminister genügend unterstützt?
Fuhrmann: Ich habe nur in der Zeitung gelesen, dass er uns angeblich helfen wird. Kontakt hat es mit ihm noch keinen gegeben. Ich weiß auch nicht, welche Möglichkeiten er hat. Wenn wir nicht Unterstützung von der EU bekommen, ist es sinnlos. Dann werden wir unser Land verlieren.

"Krone": "Wir", das sind 200 Betroffene?
Fuhrmann: Man weiß es nicht genau. Ich schätze die Dunkelziffer höher.

"Krone": Orban hat erklärt, dass er die Einmischung der EU für einen unfreundlichen Akt hält. Und Gespräche mit Österreich bisher verweigert.
Fuhrmann: Orban ist deshalb so stark, weil die EU so schwach ist. Hier geht es um EU-Recht, das über dem nationalen Recht steht. Und um demokratische Werte, die für uns in Österreich das höchste Gut sind. Wenn sich daran keiner mehr hält, brauchen wir auch keine EU mehr. Deshalb sollten sie das in Brüssel genau prüfen. Hier wurde ein Gesetz, das 20 Jahre lang gegolten hat, einfach ausgesetzt, und das sogar noch rückwirkend. Dass die EU da nicht aufschreit, tut mir am meisten weh.

"Krone": Was könnte Orban Ihrer Meinung nach beeindrucken?
Fuhrmann: Nur Druck vonseiten der EU. Man darf nicht vergessen, bald sind in Ungarn Wahlen und auch in Österreich hatten wir schon einmal einen Populisten, dem viele gefolgt sind. So ist es auch in Ungarn: Orban wird sie hundertprozentig gewinnen.

"Krone": Stimmt es, dass man in ganz Ungarn keinen Anwalt findet, der die Bauern in dieser Sache - also gegen Orban - vertreten würde?
Fuhrmann:(denkt kurz nach) Ich glaube, da hülle ich mich besser in Schweigen.

"Krone": Wie geht es Ihnen persönlich damit, dass ein befreundetes Land plötzlich fast feindselig agiert?
Fuhrmann: Es macht mich ein bisschen traurig. Ich meine, bei uns im Burgenland könnten Ungarn ja auch Land kaufen. Und es arbeiten ja auch viele Ungarn bei uns. Die können ihr Gehalt nehmen und damit nach Hause fahren. Aber ich kann mein Land nicht nehmen und es hierher bringen.

"Krone": Mögen Sie Ungarn noch?
Fuhrmann: Auf jeden Fall. Und ich bin noch immer zuversichtlich, dass es letztlich gut ausgeht. Dass doch noch eine Lösung kommt. Oder dass Orban, wenn er die Wahlen gewonnen hat, das Ganze wieder in eine Schublade steckt.

"Krone": Sie sind vor 14 Jahren auf Biolandwirtschaft umgestiegen. Was lieben Sie an Ihrem Beruf am meisten?
Fuhrmann: Das Arbeiten in und mit der Natur. Und den Gedanken, dass einige, die das am Sonntag in der "Krone" lesen, vielleicht in einem Müsli oder einem Bioweckerl eines meiner Produkte essen.

Die Rechtslage
Im ungarischen Parlament wurde mit den Stimmen der Regierungspartei Fidesz und der rechtsextremen Jobbik-Partei ein Gesetz beschlossen, wonach österreichische Bauern, die mit ungarischen Bodeneigentümern sogenannte Nießbrauchsverträge abgeschlossen haben (legal, mit Eintrag ins Grundbuch), diese Rechte ab 1. Mai 2014 verlieren. Künftig kann es sogar zu strafrechtlicher Verfolgung kommen.

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