"Opfer" als Lügnerin

US-Richter stellt Verfahren gegen Strauss-Kahn ein

Ausland
23.08.2011 18:19
Der ehemalige Chef des Internationalen Währungsfonds, Dominique Strauss-Kahn, kommt um einen Strafprozess wegen versuchter Vergewaltigung herum. Der New Yorker Richter Michael Obus hat die Klage am Dienstag fallen gelassen. Zuvor hatte Oberstaatsanwalt Cyrus Vance den Richter gebeten, das Verfahren gegen den Franzosen zu schließen. In seiner Begründung beschreibt der Staatsanwalt das angebliche Opfer, das Zimmermädchen Nafissatou Diallo aus Guinea, als mehrfache Lügnerin.

"Wir geben diese Empfehlung nicht leichtfertig ab", es gebe aber keine andere Wahl, heißt es in einem 25-seitigen Schreiben der Staatsanwaltschaft, das auf der Website der New Yorker Justiz veröffentlicht wurde. Der Antrag der Behörde ging am Montagabend beim Strafgericht ein und wurde am Dienstag behandelt, woraufhin der New Yorker Richter das Verfahren einstellte.

Unmittelbar vor der Einstellung des Verfahrens haben am Dienstag vor dem zuständigen Gericht rund zwei Dutzend Feministinnen demonstriert. "DSK, Schande über dich" und "Nafissatou, wir glauben dir", stand auf Plakaten zu lesen. "Wir wollen, dass die Staatsanwaltschaft weiter gegen DSK ermittelt", sagte Alison Turkos von der Organisation "Slut Walk" ("Marsch der Schlampen"), die Gewalt gegen Frauen bekämpft. Das Gerichtsgebäude wurde von etwa 30 Polizisten bewacht.

"Was auch immer vorgefallen ist"
In ihrem Dokument erläutert die Anklage, dass sie sich nicht in der Lage sehe, das Verfahren fortzusetzen. "Aufgrund der Art und Zahl der Lügen der Klägerin können wir ihrer Version der Geschehnisse nicht mehr vollständig Glauben schenken, was auch immer in Wahrheit bei der Begegnung zwischen der Klägerin und dem Angeklagten vorgefallen ist." Die Klägerin habe sowohl in wichtigen als auch in weniger wichtigen Details mehrfach gelogen.

Im Text heißt es: "Die Klägerin hat beharrlich und manchmal unerklärlicherweise die Unwahrheit gesagt, als sie sowohl wichtige als auch weniger wichtige Angelegenheiten beschrieb." Und weiter: "Wenn wir ihr nicht zweifelsfrei glauben, dann können wir das nicht von einer Jury erwarten." Der Fall gegen den einst mächtigsten Banker der Welt stehe und falle mit der Aussage der einzigen Zeugin.

Widersprüche nicht nur in einer Hinsicht
Diallo habe mit ihrer ersten Schilderung des angeblichen Tathergangs zunächst keinen Verdacht erregt, verteidigt sich die Staatsanwaltschaft. Bei weiteren Nachfragen seien aber Widersprüche aufgetaucht, die sowohl ihre Vergangenheit als auch die Umstände der Tat betreffen würden.

So habe sie fälschlich eine Vergewaltigung in ihrem westafrikanischen Heimatland, geschildert. Auf die Frage, was unmittelbar nach dem Zusammentreffen mit Strauss-Kahn passiert sei, habe sie mehrere Versionen geliefert. Die Zeugin sei sogar unter Eid von der Wahrheit abgewichen, schreibt die Staatsanwaltschaft. Fest stehe lediglich, dass es zu einer kurzen sexuellen Begegnung gekommen sei.

Politische Zukunft vielleicht doch nicht vorüber
Das spektakuläre Justizdrama um den 62-Jährigen hatte am 14. Mai in New York begonnen. Der Franzose sollte noch am Dienstag seine Pässe zurückerhalten. Über seine anschließenden Pläne wird spekuliert: Er könnte nach Frankreich zurückfliegen oder auch an seine früheren Wirkungsstätte Washington zurückkehren, wo der Internationale Währungsfonds sitzt. Auf dem Chefsessel sitzt dort inzwischen die Französin Christine Lagarde.

Offen ist, ob Strauss-Kahn in seiner Heimat Frankreich nun vielleicht doch noch eine politische Zukunft hat. Dort löste das angekündigte Verfahrensende Freude und Erleichterung bei den Sozialisten aus, als deren aussichtsreichster Präsidentschaftskandidat Strauss-Kahn lange galt. "Ich bin sehr glücklich", sagte Parteichefin Martine Aubry. Sie denke mit großem Mitgefühl an Strauss-Kahn und dessen Frau.

Auch das Regierungslager zeigte sich erleichtert über die anstehende Freilassung. "Ich bin froh für ihn, denn er hat eine sehr schlimme Erfahrung mit der Justiz hinter sich", sagte der Chef der konservativen Regierungspartei UMP, Jean-Francois Cope. Der Zug für eine Präsidentschaftskandidatur ist allerdings bereits abgefahren, seine Anhänger haben sich auf die beiden verbliebenen Kandidaten verteilt. Ex-Kulturminister Jack Lang mutmaßte aber, dass Strauss-Kahns Stimme künftig dennoch Gewicht haben werde.

Zweite Anklage wartet in Frankreich
In Frankreich wartet nun eine zweite Anklage wegen angeblicher sexueller Gewalt auf Strauss-Kahn. Eine junge Autorin wirft ihm vor, 2003 in einer Pariser Wohnung über sie hergefallen zu sein. Nach Ansicht von Experten könnte das Verfahren wegen fehlender Beweise allerdings ebenfalls eingestellt werden.

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