Merkel machtlos

D: Atomkonzerne zahlen nicht mehr in Öko-Fonds ein

Ausland
10.04.2011 11:44
Neuer Atom-Ärger für die deutsche Bundesregierung: Nach dem Moratorium für veraltete Kernkraftwerke und der damit verbundenen Abschaltung einiger Meiler schlagen die betroffenen Stromkonzerne jetzt zurück. Die vier größten Energielieferanten Deutschlands, RWE, Eon, Vattenfall und EnBW, stellen ihre Zahlungen in den "Fonds zur Förderung regenerativer Energien" ein. Der 15 Milliarden schwere Fonds sei mit dem ursprünglichen Laufzeitverlängerungsgesetz verknüpft, so die Konzerne.

Die vier mächten Stromkonzerne RWE - dort kassiert Österreichs Altbundeskanzler Wolfgang Schüssel im Aufsichtsrat -, Eon, Vattenfall und EnBW hätten Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre Entscheidung am Freitag telefonisch mitgeteilt, hieß es aus Regierungskreisen. Eine Vattenfall-Sprecherin sagte in Hamburg, die Zahlungen seien "vorübergehend eingestellt". Der Ökofonds-Vertrag sei mit der Frage der AKW-Laufzeitverlängerung verknüpft. Wegen des bis Mitte Juni geltenden Laufzeiten-Moratoriums der Regierung habe Vattenfall die Zahlungen ausgesetzt.

Merkel-Regierung offenbar machtlos
Gegen den Zahlungsstopp ist die Merkel-Regierung offenbar machtlos. Die deutsche Bundesregierung nehme die Entscheidung der AKW-Betreiber "zur Kenntnis", ließ eine Sprecherin am Samstag der deutschen Nachrichtenagentur dpa ausrichten. Derzeit würden "die finanziellen Auswirkungen des Moratoriums" geprüft. "Aber Klarheit wird es letztendlich erst mit der Neuausrichtung der Energiepolitik geben", so die Sprecherin. Und diese Klarheit könne dann "gegebenenfalls zu einer Modifizierung der Abmachung mit den Energieversorgern führen."

In den Ökofonds zum Ausbau erneuerbarer Energien sollte ein Teil der zusätzlichen Gewinne fließen, die die AKW-Betreiber durch die Laufzeitverlängerung erwirtschaften (ein abgeschriebenes Alt-AKW bringt den Konzernen eine Million Euro pro Tag). Dieses Jahr hätten die Konzerne rund 300 Millionen Euro in den Topf zahlen sollen.

Grüne erbost über "Unverschämtheit"
Die Grünen in Deutschland haben den Zahlungsstopp als "Unverschämtheit" seitens der AKW-Betreiber kritisiert. Das Vorgehen sei "aber leider auch eine Quittung für schlampiges Arbeiten beim Durchprügeln der Laufzeitverlängerung durch den Bundestag", sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion im Bundestag, Volker Beck, dem "Handelsblatt".

Seine Fraktion habe die Regierung im vergangen Jahr, als mit den Energiekonzernen die Laufzeitverlängerung für die Meiler vereinbart wurde, gefragt, was es den Steuerzahler kosten werde, wenn der Bundestag diese Entscheidung rückgängig mache oder korrigiere. "Die Regierung hat die Auskunft verweigert und die Koalition hat die Ausschussberatung dazu verhindert", sagte Beck. Die Gesetze seien dann "mit aller Gewalt" durchgedrückt worden. Jetzt werde aber langsam klar: "Es zahlt sich nicht aus, die Geschäftsordnung des Bundestages und die Verfassung zu brechen".

Regierung steigt bei Atomausstieg auf die Bremse
Deutschlands schwarz-gelbe Regierung steigt beim Thema Atomausstieg derzeit aber ohnehin auf die Bremse. Führende Politiker von CDU und FDP warnten am Wochenende vor einem besonders von den Grünen geforderten Abschalten der Atomkraftwerke binnen weniger Jahre. Vor der mit dem dreimonatigen Moratorium ausgesetzten Laufzeitverlängerung war in Deutschland ein Atomausstieg im Jahre 2022 vorgesehen, beschlossen noch von Rot-Grün. Die im Umfragehoch befindlichen Grünen fordern jetzt sogar 2017. Merkels CDU hält das für "voreilig". Der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe, nach Japan müssten die Risiken der Kernkraft zwar neu in den Blick genommen werden. "Das bedeutet aber nicht, dass wir Hals über Kopf aus der Kernenergie aussteigen." Notwendig sei, mit wirtschaftlicher Vernunft den Umstieg auf erneuerbare Energien zu beschleunigen.

CDU-Fraktionschef Volker Kauder warnte zudem davor, die sieben derzeit heruntergefahrenen Altmeiler ohne rechtliche Grundlagen nach Ende des Moratoriums dauerhaft abzuschalten. "Eine rein politische Entscheidung wäre eine Enteignung", sagte Kauder der "Leipziger Volkszeitung". Alle sieben Meiler würden sowieso nicht wieder ans Netz zurückkehren, dabei nannte er als dauerhaft abgeschaltete Meiler Neckarwestheim 1 (Bild), Isar 1 sowie den wegen mehrerer Pannen ebenfalls abgeschalteten Reaktor Krümmel.

Auch FPD-Generalsekretär Christian Lindner rückte von seiner Forderung ab, alle sieben Altmeiler dauerhaft vom Netz zu lassen. "Meine Erwartung ist, dass die weit überwiegende Zahl der stillgelegten Atommeiler nicht mehr ans Netz geht", sagte Lindner dem "Hamburger Abendblatt". Einen schnellen Atomausstieg hält Lindner nicht für machbar. "Unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit, der Versorgungssicherheit und der Klimaverträglichkeit halte ich es für unrealistisch, 2022 das letzte Kernkraftwerk vom Netz zu nehmen. Würden wir die Laufzeiten überhaupt nicht verlängern, müssten wir neue Kohlekraftwerke bauen."

Sechs-Punkte-Plan in Vorbereitung
Nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" verständigten sich das Umwelt- und Wirtschaftsministerium kürzlich auf einen Sechs-Punkte-Plan zum Umbau der Stromversorgung auf erneuerbare Energien. Der Plan, über den Bundeskanzlerin Angela Merkel kommenden Freitag mit den Ministerpräsidenten (Landeshauptleute der deutschen Bundesländer, Anm.) beraten wolle, sehe etwa den schnelleren Ausbau der Stromnetze und eine Aufstockung des Gebäudesanierungsprogramms auf zwei Milliarden Euro vor.

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