Neubeginn in Pink

Popsänger Michel Martelly wird neuer Präsident von Haiti

Ausland
05.04.2011 11:50
Ein Neuanfang in Pink: Der vor allem bei der Jugend populäre Sänger Michel Martelly hat die Präsidentschaftswahl in Haiti gewonnen. Laut dem vorläufigen Ergebnis vom Montag kam der 50-Jährige in der Stichwahl uneinholbar auf 67,6 Prozent der Stimmen. Als neuer Präsident steht "Sweet Mickey" vor der schwierigen Aufgabe, das nach dem Erdbeben vor mehr als einem Jahr noch immer schwer verwüstete Land wieder aufzubauen und der weit verbreiteten Korruption den Kampf anzusagen.

Hunderte Anhänger Martellys zogen nach der Verkündung des vorläufigen Ergebnisses die ganze Nacht jubelnd durch die Hauptstadt Port-au-Prince. Straßenzüge waren in schrilles Pink getaucht, die Kampagnenenfarbe Martellys, Dutzende Fans hatten sich die Ziffer 8 auf Wangen und Transparente gemalt, die Kandidatennummer des designierten Präsidenten auf dem Wahlzettel.

Aus dem Slum-Bub wurde "Sweet Mickey"
Der 1961 geborene Martelly wuchs in Carrefour, einer Vorstadt der Armen von Haitis Hauptstadt Port-au-Prince, auf. Als Jugendlicher lernte er schon den Unterschied zwischen Reich und Arm schmerzlich kennen. Als er zum ersten Mal bei Freunden im feinen Stadtteil Petion Ville zu Gast war und am Abend wieder zurück musste, beschloss er, einen Traum zu verwirklichen - nämlich wohlhabend zu werden, um eines Tages bei den Reichen residieren zu können, hoch über der schmutzigen Hauptstadt.

Das hat Martelly, Vater von vier Kindern, geschafft. Unter dem Namen "Sweet Micky" wurde er zum bekanntesten Popstar und Unterhaltungskünstler des Landes, das sich mit der Dominikanischen Republik die Karibikinsel Hispaniola teilt. Heute sagt er, er wolle den Haitianern aus den Slums wieder beibringen, Träume von einem besseren Leben zu haben. Und in einem Interview bekräftigte er, die Reichen müssten sich bewegen und ihren Wohlstand auch einsetzen, um das Land wieder nach vorne zu bringen.

Erinnerung an ein besseres Haiti
Martelly ist seit vielen Jahren sozial engagiert und hat gemeinsam mit seiner Frau Sophia die Stiftung "Rose et Blanc" gegründet. Diese hilft vor allem nach Katastrophen den Betroffenen. "Ich habe meinen Kindern Bilder der Armut Haitis gezeigt und sie wollten nicht glauben, dass es so etwas in Haiti gibt", sagte Martelly, ein enger Freund des Rappers Wyclef Jean. "Wenn wir das nicht ändern, wird es eine Katastrophe geben." 80 Prozent der Bevölkerung fühle sich unterdrückt. "Deshalb bin ich in die Politik gegangen."

Der künftige Präsident Haitis legt Wert auf die Feststellung, dass er nicht der politischen Elite seines Landes angehört. Geprägt wurde seine Kindheit und Jugend von der Duvalier-Diktatur, dem Anfang des Desasters, wie er sagt. Und doch hat er ein anderes, ein besseres Haiti erlebt. "Als ich fünf Jahre alt war, gab es keine verwahrlosten Straßenkinder, und es kamen Touristen nach Haiti. Ärzte aus Haiti halfen in Afrika", erklärt er. "Heute ist Haiti verloren. Denn die bisherigen Machthaber haben kein Interesse an Haiti."

Martelly steht vor einer gigantischen Herausforderung: Nach Diktaturen, Ausbeutung, Erdbeben, Unwettern und Cholera liegt das Land am Boden. Die internationale Staatengemeinschaft hat vor einem Jahr 10 Milliarden Dollar (7,02 Milliarden Euro) für den Wiederaufbau versprochen. Mit diesem Geld und dem wiedererwachenden Glauben seiner Landesleute an die Zukunft will Martelly ein neues Haiti schaffen.

Ein Neubeginn in Pink
Bei der Präsidentschaftswahl profitierte Martelly offenbar vor allem davon, dass er bei der Jugend sehr beliebt ist. Diese mochte den Sänger, der bei seinen Satire-Auftritten gern die bisherige Regierung kritisierte, bereits bevor er seine Präsidentschaftskandidatur verkündete. Für den Wahlkampf tauschte der Politik-Neuling seine Bühnenkostüme gegen maßgeschneiderte Anzüge ein, tauchte seine Kampagne in die Unschuldsfarbe Pink und versprach, der Korruption und dem Versagen der Behörden den Kampf anzusagen.

Gegen den populären Sänger hatte in der Stichwahl am 20. März die ehemalige First Lady Mirlande Manigat kandidiert. Für sie votierten dem vorläufigen Ergebnis zufolge 31,7 Prozent der Wähler.

"Hoher Grad an Betrug und Unregelmäßigkeiten"
Ursprünglich hatte das vorläufige Wahlergebnis bereits am vergangenen Donnerstag verkündet werden sollen. Die Wahlkommission verschob dies aber, weil ihren Angaben zufolge bei der Auswertung der Stimmen ein "hoher Grad an Betrug und Unregelmäßigkeiten diverser Art" festgestellt worden sei. Fälschungen und Betrug hatte es auch schon im ersten Wahldurchgang gegeben. Dabei landete ursprünglich nach den vorläufigen Ergebnissen Manigat auf dem ersten Platz, Martelly nur auf dem dritten. Nach monatelangem Streit und Betrugsvorwürfen entschied die Wahlkommission schließlich im Februar, dass Manigat und Martelly die Stichwahl bestreiten sollen.

Das endgültige Ergebnis für die Stichwahl soll am 16. April veröffentlicht werden. Angesichts des großen Vorsprungs von Martelly im vorläufigen Ergebnis gilt aber als sicher, dass er der neue Präsident des Karibikstaates wird. Die offizielle Machtübernahme soll am 14. Mai stattfinden. Der bisherige Staatschef René Préval durfte nach zwei Amtszeiten nicht mehr zur Wahl antreten.

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