Extremismus-Streit

Rot-blauer Schlagabtausch im Nationalrat

Österreich
20.05.2009 10:50
Eigentlich sollte am Dienstag im Parlament das Budgetbegleitgesetz debattiert werden, das 68 Gesetzesänderungen umfasst und unter anderem das Krankenkassenpaket und die Streichung von Lehrer-Zulagen bringt. Doch die aktuelle Extremismus-Diskussion um den FPÖ-EU-Wahlkampf und die neonazistischen Vorfälle in der Gedenkstätte Ebensee stahlen dem eigentlichen Thema die Show - und sorgten für eine wahre Parlamentsschlacht zwischen SPÖ und FPÖ. Am Abend hat dann schließlich das Budgetbegleitgesetz doch den Nationalrat passiert, allerdings scherten wegen eines Zwists um das Krankenkassenpaket gleich vier Abgeordnete der ÖVP aus den Koalitionsreihen aus.

Im heftigen rot-blauen Schlagabtausch um den EU-Wahlkampf erneuerte Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) seine Kritik an der FPÖ und warf ihr das Schüren antisemitischer und antiislamischer Ressentiments vor. Die Rechtfertigung von FP-Chef Heinz-Christian Strache, der sein Anti-Israel-Inserat im EU-Wahlkampf mit angeblichen israelischen Beitritts-Ambitionen begründet hatte, ließ Faymann nicht gelten: "Hoffentlich lernen Sie niemanden kennen, der will, dass China beitritt, sonst müssen Sie uns vor den Chinesen schützen."

Faymann: Strache stellt "den Hass in den Vordergrund"
Faymann warf Strache vor, im Wahlkampf bewusst Vorurteile einzusetzen, "wo Sie mit dem Kreuz in der Hand nicht die Versöhnung, sondern den Hass in den Vordergrund stellen". "Wir wissen sehr genau, dass Sie das nicht zufällig machen und dass es Ihnen da nicht um Aufklärung und Klarstellung geht. Sie wollen gezielt Vorurteile ansprechen, um damit Politik zu machen", kritisierte Faymann und freute sich darüber, "dass sich mittlerweile alle Parlamentsparteien zu Wort gemeldet haben. Mit unserer Courage müssen Sie in Zukunft rechnen, Herr Strache".

Strache: Antisemitismus-Vorwurf "ungeheuerliche Frechheit"
Die Freiheitlichen wiederum versuchten den Rückschlag. Es sei eine "ungeheuerliche Frechheit", der FPÖ Antisemitismus vorzuwerfen, fand Strache. Es sei durchaus richtig, wenn die Freiheitlichen in Inseraten vor einem EU-Beitritt Israels warnten, gebe es doch entsprechende Aussagen von israelischen Regierungspolitikern, und seine einzige Sorge sei, dass Österreich in den Nahost-Konflikt hineingezogen werden könnte.

"Herr Bundeskanzler und seine Genossen" sind Schande
Faymann, der Strache "Hassprediger" genannt hatte, wurde vom FP-Obmann als "Rumpelstilzchen" bezeichnet. Dieser wolle nur davon ablenken, dass die einzige Schande der "Herr Bundeskanzler und seine Genossen" seien, die die Österreicher im Stich ließen. Nicht unerwähnt ließ Strache, dass einer der Täter des Neonazi-Vorfalls von Ebensee "ein führender Funktionär der Roten Falken" gewesen sei.

"Wenn SPÖ in Krise steckt, wird das Nazi-Gespenst geweckt"
Eine wütende Replik auf die Faymann-Kritik lieferte auch FP-Generalsekretär Herbert Kickl, der dem SP-Chef angesichts der roten Verluste bei der AK-Wahl ebenfalls parteitaktische Motive unterstellte. "Wenn die SPÖ in der Krise steckt, dann wird das Nazi-Gespenst geweckt", reimte der blaue Wahlkampfleiter. "Das ist ein Teil Ihrer Mobilisierungsstrategie", kritisierte Kickl: "Ich habe mitunter fast den Verdacht, dass Sie es uns auch noch als antisemitischen Akt auslegen werden, wenn wir dem NS-Entschädigungsgesetz zustimmen."

Cap: Strache will offenbar "Rechtelosigkeit des Mittelalters"
SPÖ-Klubchef Josef Cap wiederum fühlte sich angewidert von Straches Vortrag und empörte sich ein weiteres Mal über die freiheitliche EU-Kampagne, vor allem über den Slogan "Abendland in Christenhand". Wer so etwas Rückwärtsgewandtes sage, wolle offenbar die "Rechtelosigkeit des Mittelalters" wieder. Dereinst hätte auch die FPÖ für die Trennung von Kirche und Staat gekämpft. So mancher Freiheitlicher werde sich bei deren heutiger Politik im Grabe umdrehen.

Vier VP-Gegenstimmen bei Budgetbegleitgesetz
Das eigentliche Thema der Sitzung, das 68 Gesetze betreffende Budgetbegleitgesetz, war in den öffentlichen Reden meist nur am Rande ein Thema. Das Gesetz passierte am Dienstagabend den Nationalrat, allerdings scherten gleich vier Abgeordnete der ÖVP aus den Koalitionsreihen aus. Anlass war das Krankenkassenpaket, gegen das die Länderorganisationen aus Vorarlberg und Oberösterreich Verfassungsklagen angekündigt haben. Deshalb votierte die Vorarlbergerin Anna Franz ebenso gegen das Gesetz, ebenso wie die drei oberösterreichischen Mandatare August Wöginger, Peter Sonnberger und Johann Singer. Der Vorarlberger Karlheinz Kopf musste als Klubchef mit seiner Fraktion und gegen das Interesse der Landespartei stimmen.

Krankenkassenpaket bringt 2009 184 Millionen Euro
Das Kassenpaket bringt für heuer 184,1 Millionen Euro. 45 Millionen davon betreffen die "Überbrückungshilfe" für dieses Jahr. Weitere 96,6 Millionen Euro bringt laut Budgetbegleitgesetz die (bereits im Vorjahr beschlossene) Senkung der Mehrwertsteuer auf Medikamente. Dritter Punkt ist die aus verfassungsrechtlicher Sicht umstrittene Auflösung des "Katastrophenfonds", die insgesamt 42,5 Millionen Euro bringen soll. Beschlossen wurde auch ein pro Jahr 100 Millionen schwerer "Strukturfonds" sowie der in Summe 450 Millionen Euro schwere "Entschuldungsbeitrag" des Bundes - beides ab 2010.

Strittig ist vor allem die Auflösung des Katastrophenfonds, da der überwiegende Teil der Gelder an die besonders hoch verschuldete Wiener Gebietskrankenkasse geht. Auch bei der Überbrückungshilfe fallen die "reichen" Kassen wie jene Vorarlbergs, Oberösterreichs und Salzburgs um Zuschüsse um, was den Protest dieser Länder verstärkt hat, umso mehr als in Oberösterreich und Vorarlberg heuer Landtagswahlen anstehen.

Insgesamt 68 Einzelgesetze in Sammelgesetz
Das Budgetbegleitgesetz ist an sich ein Sammelgesetz, das insgesamt 68 Einzelgesetze betrifft. Neben dem Kassenpaket sticht vor allem der Lehrer-Kompromiss hervor, der letztlich entgegen den Intentionen von Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) ohne Stundenkürzungen auskam. Die Pädagogen müssen unter anderem mehr Supplierstunden leisten und diverse Zulagenkürzungen hinnehmen.

Das Justizentlastungspaket bringt eine Verkleinerung der Schöffensenate, eine Erhöhung der Gerichtsgebühren und höhere Tagsätze für Geldstrafen. Fremde müssen künftig für die Beantragung eines Aufenthaltstitels in jedem Fall eine Gebühr entrichten, unabhängig davon, ob ihnen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird oder nicht.

Das Passgesetz wird insofern erneuert, als Pässe für Kinder mit einem elektronischen Chip ausgestattet werden. Fingerabdrücke werden allerdings nicht gespeichert. Die ermäßigte Gebühr für den Kinderpass soll 30 Euro betragen. Miteintragungen von Kindern in Reisepässe der Eltern können nicht mehr vorgenommen werden, bestehende bleiben noch maximal drei Jahre gültig, sofern der Einreisestaat diese akzeptiert.

Unternehmen kommt unter anderem die Erhöhung des Haftungsrahmens der Tourismusbank (ÖHT) und der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) sowie die Schaffung eines eigenen Serviceportals im Internet zugute. Freie Dienstnehmer bzw. deren Auftraggeber müssen künftig Kommunalsteuer sowie Dienstgeberbeiträge an den Familienlastenausgleichsfonds zahlen. Im Bereich der Luftfahrt wird großen Flughäfen künftig die volle Verantwortung für die Sicherheitskontrollen übertragen. Sie können dafür eine Sicherheitsabgabe einheben.

Mehr Geld wird es für die Bundesmuseen und die Bundestheater geben: Die Basisabgeltung wird um 8,5 Millionen Euro bei Museen bzw. um 3,5 Millionen bei Theatern angehoben. Ebenso ist eine Aufstockung der Mittel für die Förderung von Fernsehfilmen um jährlich 6 Millionen Euro - zu Lasten des Digitalisierungsfonds - beabsichtigt. Private Rundfunksender werden künftig mit 6 Millionen Euro gefördert, 5 Millionen davon stehen für kommerzielle und 1 Millionen für nichtkommerzielle Sender zur Verfügung.

Eine Novellierung des Entschädigungsfondsgesetzes stellt sicher, dass schon bald mit der Auszahlung der restlichen Mittel des Fonds an die Antragsteller begonnen werden kann. Demnach ist geplant, das verbliebene Fondsvermögen aliquot auf jene Opfer des Nationalsozialismus bzw. deren Erben aufzuteilen, über deren Anträge bis 1. Juli 2009 entschieden wurde. Für die etwa 160 noch offenen Verfahren verpflichtet sich der Bund, dem Fonds Mittel nachzuschießen, sobald die Höhe der jeweils zuerkannten Leistung feststeht. Gleiches gilt für Fälle, bei denen die Erstentscheidung des Fonds später abgeändert wird.

BZÖ-Generalsekretär Petzner "ausgeliefert"
Als einer der letzten Tagesordnungspunkte wurde die Immunität von BZÖ-Generalsekrener soll als Pressesprecher des verstorbenen Kärntner Landeshauptmannes Jörg Haider sensible Daten aus einem Staatsbürgerschafts-Akt veröffentlicht haben. Da sich der Vorfall 2006 und damit vor der Tätigkeit Petzners im Nationalrat ereignet hat, wurde der Antrag der Staatsanwaltschaft Klagenfurt, den BZÖ-Politiker "auszuliefern" von den Abgeordneten positiv beschieden - wenn auch mit Kritik, wieso der Fall erst drei Jahre später akut werde. Nur das BZÖ lehnte das Ansinnen der Justiz ab.

Grünen-Antrag zur Stiftungsbesteuerung abgelehnt
Abgeschmettert wurde Dienstagabend in namentlicher Abstimmung ferner ein Antrag der Grünen, der eine höhere Stiftungsbesteuerung zum Ziel hatte. Außer den Grünen fanden sich keine Unterstützer.

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