Ein kurzer Blick in die Geschichte zeigt, dass Frauen bereits vieles erreicht haben. Durch die freien Bildungszugänge und verbesserten Berufschancen sind die meisten Frauen heute selbstbestimmter und unabhängiger, gehen neue Wege und auch die Familien- und Lebensmodelle haben sich verändert. So sind heute Patchworkfamilien, unverheiratete und kinderlose Frauen, Alleinerziehende oder gleichgeschlechtliche Paare ebenso vertreten wie die klassische Familie. Und: Durch laufende Initiativen wie das Politik Mentoring-Programm, konnte ein wesentlicher Beitrag für eine höhere Teilhabe von Frauen in der Politik erzielt werden. Derzeit leben insgesamt 858.326 Frauen in Niederösterreich.
Laut Einkommensbericht des Rechnungshofes (2020) verdienen Niederösterreicherinnen um 36% weniger als ihre männlichen Landsleute. Auch wenn sie vollzeitbeschäftigt sind, liegt das Jahresbruttoentgelt der Frauen um 14% unter dem der Männer. Frauen, die vorwiegend die Kinderbetreuung übernehmen, arbeiten meist Teilzeit, das wiederum führt oft zu Benachteiligungen bei Beförderungen oder gar zu Karrierepausen. Die Einkommensunterschiede hängen aber nicht nur von der verringerten Stundenanzahl oder schlechter bezahlter Branchen ab, sondern liegen auch daran, dass Frauen in manchen Positionen mit exakt der gleichen Tätigkeit und Stun- denanzahl wie Männer, weniger verdienen. Die Corona-Krise hat die Situation für Familien – allen voran die von arbeitenden Müttern – durch die vermehrte Betreuung der Kinder, Home-Schooling oder die Pflege von Angehörigen verschärft.
Der Ausbau bedarfsgerechter Kinderbetreuungseinrichtungen und verbesserter Öffnungszeiten soll hierzulande forciert werden. Auf Vereinbarkeit von Familie und Beruf, den dringend notwendigen Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen von unter 2-Jährigen, die Anrechnung der Karenzzeiten und das automatische Pensionssplitting legen die „Wir Niederösterreicherinnen-ÖVP Frauen“ mit ihrer Strategie 2025 in den nächsten fünf Jahren ihren Fokus.
Neue Ausbildungsbereiche bieten neue Chancen
Technische oder handwerkliche Berufe werden immer noch vorwiegend von Männern ausgeübt und sind deutlich höher bezahlt als frauendominierte Berufsfelder wie Einzelhandel, Frisörin oder Bürokauffrau. Das Land Niederösterreich setzt seit geraumer Zeiverstärkt auf Initiativen wie „Girls Day“, „HTL4girls“ und „TechDatings“, um bereits junge Mädchen an technische Berufe heranzuführen und ihnen die vielfältigen Ausbildungswege aufzuzeigen.
Für die Zukunft braucht es aber auch ein besseres Lohnniveau in schlechter bezahlten Branchen sowie neue sozialstrukturelle Rahmenbedingungen – so der Tenor vieler Frauen: Pflegearbeit, die Betreuung der Kinder müssten daher künftig fairer aufgeteilt werden, um Frauen mehr zu entlasten und ihnen, beruflich mehr Raum zur Entfaltung und mehr Chancen bieten zu können. Doch auch andere Themen bewegen: Zu mehr Selbstbewusstsein und Mut spornt die erfolgreiche Unternehmerin und EPU-Sprecherin Birgit Streibel Frauen im Interview (Seite 4) an, sich im unternehmerischen Bereich mehr zuzutrauen. Warum es sich für Frauen lohnt im Industrie- und Technikbereich Fuß zu fassen, wird in dieser Beilage ebenso behandelt. Frauen, die unverzichtbare Stützen im Gesundheits- und Sozialbereich sind sowie das Rollenbild des weiblichen Geschlechts im Weinbau und der Forst- und Landwirtschaft, sind ebenso Thema. Frauengesundheit, Gendermedizin und der Sport bereich werden künftig einen höheren Stellenwert erlangen. Dass Selbstfürsorge bei Müttern nicht zu kurz kommen darf, dafür setzt sich Influencerin, Bloggerin und Buch-Autorin Daniela Gaigg alias „Die kleine Botin“ ein. Das Thema „Gewalt gegen Frauen“ geht uns alle an, dazu wird Michaela Egger vom Gewaltschutzzentrum NÖ im Interview erklären, wie sich diese äußert und wie Betroffenen besser geholfen werden kann.
Selbstbestimmt statt fremdbeherrscht
Egal, für welches Lebensmodell wir uns auch entschieden haben, in welchem Lebensabschnitt wir uns gerade befinden und wo uns unser Weg noch hinführen wird, eines muss uns klar sein: „Frauen, die nichts fordern, werden beim Wort genommen – sie bekommen nichts“, wie es einst die französische Schriftstellerin und Philosophin Simone de Beauvoir so treffend formuliert hat. Wir haben zwar noch viele Herausforderungen zu meistern, aber es auch in der Hand, unser Leben selbstbestimmt zu gestalten.
WENDEPUNKTE
Diese Übersicht zeigt einen Auszug über wichtige Weichenstellungen am Weg zur Gleichberechtigung und Gleichstellung für Frauen:
1979: Gleichbehandlungsgesetz: Frauen und Männer werden im Arbeitsleben gleichgestellt.
1982: Österreich ratifiziert die Konvention zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau.
1997: Das Gleichbehandlungsgesetz wird in NÖ beschlossen, eine Gleichbehandlungsbeauftragte wird eingesetzt und die Gleichbehandlungskommissionen werden eingerichtet.
1997: Das Gewaltschutzgesetz zum Schutz vor Gewalt in der Familie tritt in Kraft.