Richter beschimpft

Mohamed M. bei Terror-Prozess ausgerastet

Österreich
07.03.2008 11:10
Am dritten Verhandlungstag im Wiener Terror-Prozess um den 22-jährigen Mohamed M., der mittels "Droh-Video" von Österreich und Deutschland den Truppenabzug aus Afghanistan verlangt haben soll und laut Staatsanwalt zudem Al-Kaida-Mitglied sein soll, ist es abermals zum Eklat gekommen. Nachdem die Geschworenen Videos zu sehen bekommen hatten, die auf den beschlagnahmten Computern von Mohamed M. und Mona S. sichergestellt worden waren, beschimpfte der Angeklagte das Gericht, einen "Schauprozess" zu führen und nicht an Gerechtigkeit interessiert zu sein. Als er sich von der Anklagebank erhob, wütende Tiraden von sich gab und dabei eine Drohpose einnahm, schritt die Justizwache ein.

Sechs Beamte versuchten den Mann zu beruhigen und führten ihn schließlich aus dem Saal, wobei Mohamed M. um sich zu schlagen begann. Die Leinwand, auf der zuvor die Videos gezeigt worden waren, stürzte dabei um. "Sie haben mein Leben zerstört! Das ist ein Schauprozess!", rief Mohamed M. wütend Richter Norbert Gerstberger zu, der daraufhin eine zehnminütige Verhandlungspause anordnete.

Nach einer viertelstündigen Pause hatte sich Mohamed M. wieder beruhigt. Er wurde in Handschellen zurück in der Verhandlungssaal gebracht, wo er sich nach außen hin lammfromm verhielt, allerdings auch nicht mehr zu Wort kam. Verteidiger Lennart Binder stellte eine Reihe von Beweisanträgen, über die das Gericht in der nächsten Woche entscheiden wird. Die Verhandlung wurde auf kommenden Mittwoch vertagt.

Geschworene mussten grausame Videos sehen
Zu den tumultartigen Szenen war es gekommen, nachdem den Geschworenen grausame Videofilme zugemutet worden waren. Mohamed M. und Mona S. hatten sich im Internet Mitschnitte von Tötungen von im Irak entführten westlichen Geiseln besorgt und auf ihren Festplatten abgespeichert. Richter Norbert Gerstberger ließ einige dieser Files abspielen, die einige Zuhörer zum Verlassen des Großen Schwurgerichtssaals bewogen.

Andere hielten sich die Ohren zu und blickten erschüttert zu Boden, als sie sahen, wie die abgefilmten Geiseln zu erzwungenen Erklärungen ansetzten und ihnen dann die Kehle durch- bzw. der Kopf abgeschnitten wurde, den die vermummten Entführer anschließend der Kamera präsentierten. "Ich denke, es reicht", befand der vorsitzende Richter nach einem besonders bestialischen Video. Mohamed M. bat daraufhin, eine Erklärung abgeben zu dürfen, was ihm gestattet wurde.

"Das Ganze dient dazu, die Geschworenen absichtlich emotional zu beeinflussen", protestierte er gegen die gezeigten Bilder. Er hätte sich die Files nur deswegen besorgt, um die Geiselnehmer verstehen und sich mit ihnen auseinandersetzen zu können. Dass er die Tötung von Unschuldigen ablehne, hatte Mohamed M. im Lauf des Verfahrens immer wieder erklärt.

Angeklagter will Geisel-Freilassung erwirkt haben

Zuvor hatte der Angeklagte behauptet, die Freilassung der im Irak entführten Deutschen Hannelore Krause erwirkt zu haben. Die 1967 in den Irak ausgewanderte Frau war im Vorjahr mit ihrem Sohn Sinan von einer Gruppe namens "Brigade der Pfeile der Rechtschaffenheit" verschleppt worden. Dass die 62-Jährige am 10. Juli 2007 freikam, führte Mohamed M. im Wiener Straflandesgericht auf seine Aktivitäten zurück.

Er habe zunächst im Internet einen offenen Brief veröffentlicht und daran erinnert, dass der Koran die Entführung einer Frau verbiete, stellte der Mann fest. Über die Globale Islamische Medienfront (GIMF) wäre es ihm gelungen, Kontakt mit den Entführern aufzunehmen und vorerst eine Verlängerung des Ultimatums zu erreichen, das die "Brigade der Pfeile der Rechtschaffenheit" für den Truppen-Abzug bei ansonstiger Tötung der Geiseln gestellt hatte.

"Das war das erste Mal, dass man im Irak das Ultimatum für eine Geisel verlängert hat", meinte der Angeklagte. In weiterer Folge habe er einen 20-seitigen Text verfasst: "Ich habe die Forderung gestellt, dass die Frau Krause freigelassen wird." Er habe unter anderem darauf hingewiesen, dass ein von den Geiselnehmern veröffentlichtes Video, auf dem die Entführten um ihr Leben flehen, "keine Sympathie für die Gruppe herstellt. Und im Islam ist alles verboten, was mehr Schaden als Nutzen herstellt".

Entführer bedankten sich bei Angeklagtem
Zwei bis drei Wochen später hätten sich die Entführer bei ihm "bedankt", behauptete Mohamed M.: "Sie haben mich wissen lassen, dass sie für meinen Ratschlag danken und beratschlagen werden." Ein bis zwei Wochen danach wäre die Frau tatsächlich freigekommen.

Er habe sich dann auch um die Freilassung ihres Sohnes "bemüht", doch seine Festnahme am 12. September hätte diese Bestrebungen zunichtegemacht. Er habe das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) zwar gebeten, ihm trotz seiner Inhaftierung die Weiterverfolgung seiner Bemühungen um Sinan Krauses Leben zu ermöglichen, doch die Beamten hätten ihn erst kontaktiert, als ein weiteres, offenbar letztes Ultimatum verstrichen war.

Zu diesem Zeitpunkt hätte es keinen Sinn mehr gemacht, sich weiter einzusetzen. Außerdem lasse er sich vom BVT nicht "verarschen", bemerkte Mohamed M. 

An polizeilicher Vorgangsweise "ist nicht zu deuteln"

Im Anschluss an die Einvernahme des Angeklagten äußerte sich der Rechtsschutzbeauftragte der Justiz, Gottfried Strasser, zu den Behauptungen des Verteidigers Lennart Binder, wonach die Polizei sich bei der Überwachung des 22-jährigen Mohamed M. einer gesetzlich unzulässigen Online-Fahndung bedient hätte. Strasser wies das zurück, die Polizei hätte im Rahmen der Gesetze agiert.

Dass zu diesem Zweck eine spezielle Angriffs-Software am Laptop des 22-Jährigen installiert wurde, die es ermöglichte, online seine laufenden Aktivitäten mitzuverfolgen und zusätzlich im Minutentakt Screenshots vom Bildschirm zu "schießen", war laut Strasser korrekt: "Wenn das im Gesetz auch nicht ausdrücklich geregelt ist, so ist bei einer verfassungskonformen Interpretation an der Zulässigkeit dieser Vorgangsweise nicht zu deuteln."

"Im vorliegenden Fall war die Gefahr eines Missbrauchs ausgeschlossen", sagte Strasser. Die Polizeibehörden hätten sich vorab mit ihm abgesprochen, "dass sich der Zugriff nur auf die laufende Kommunikation erstrecken darf, nicht aber auf gespeicherte Daten auf der Festplatte". Letzteres hätte einer richterlich genehmigten Hausdurchsuchung bedurft.

Anschlag während der EURO geplant?
Tags zuvor hatten zwei Beamte ausgesagt, dass Mohamed M. einen Anschlag während der Fußball-EM geplant habe. Der Angeklagte beschimpfte die Ermittler daraufhin und sorgte so für eine Unterbrechung der Verhandlung.

"Ich kann beweisen, dass das auf Ihrem Computer geschrieben worden ist", meinte ein Beamter vom Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) direkt zum Angeklagten. Noch deutlicher wurde ein weiterer Ermittler von der "Sondereinheit Observation", der angab, Mohamed M. habe in einem islamistischen Forum einen Text gepostet, der konkrete Anschlagspläne auf die Fußball-Europameisterschaft zum Thema hatte. Das sei aus der Kombination von Screenshots und aufgezeichneten Tastaturanschlägen belegbar. "Er hat es zu 100 Prozent geschrieben", bemerkte der Polizist.

Prozess unterbrochen
Daraufhin wurde es turbulent. Mohamed M. beschuldigte das BVT, man wolle ihm "etwas unterschieben". Er habe die gegenständlichen Passagen nicht verfasst bzw. nicht öffentlich gemacht. In einem Fall habe es sich um eine "private Nachricht" gehandelt, die niemals publik geworden sei: "Das ist etwas anderes als E-Mail oder Chat!" Das BVT habe "nicht das Geringste überprüft", wetterte Mohamed M.: "Ich unterstelle dem BVT, dass sie Marionetten der Amerikaner sind, die mich ins Gefängnis bringen wollen!" Das BVT arbeite "auf Zuruf der CIA". Richter Norbert Gerstberger ordnete daraufhin eine Verhandlungspause an.

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele