Caroline Weber

“Es geht nicht nur darum, Medaillen abzucashen!”

Sport
25.12.2016 17:04

Caroline Weber hat in ihrer sportlichen Karriere viel erreicht: 55 Staatsmeistertitel, zwei Olympiateilnahmen sowie Top-Ten-Plätze bei Europameisterschaften. In einer Sportart, die von osteuropäischen Ländern dominiert wird, zählte die Vorarlbergerin über mehrere Jahre zur absoluten Weltspitze. Bis heute ist sie die erfolgreichste rhythmische Gymnastin Österreichs. Dreieinhalb Jahre nach ihrem Karriereende tanzt die ehemalige Spitzensportlerin auf einer neuen Bühne. Statt Hallentraining mit Ball, Keulen, Band und Reifen stehen nun Theaterproben am Programm. Sportkrone.at sprach mit der 30-Jährigen über ihr neues Leben, Olympische Spiele, und das Ansehen des Sommersports in Österreich.

Im Museumsquartier herrscht an diesem kalten aber sonnigen Vormittag noch absolute Ruhe. Nur ein paar Touristen schleichen in den Höfen herum. Sechs bis sieben Stunden am Tag hat Caroline Weber früher in der Halle trainiert. Jetzt ist die sympathische Vorarlbergerin öfter im Museumsquartier anzutreffen. Bei unserem Besuch im Dschungel Wien wirkt die Ex-Gymnastin mehr als entspannt. In dem Theaterhaus ist die 30-Jährige gerade in dem Stück "Blutsschwestern" zu sehen.

Zusammen mit vier weiteren Jung-Schauspielerinnen verkörpert die Vorarlbergerin darin den Kampf junger Frauen um einen gleichberechtigten Platz im Leben bzw. in der Gesellschaft. Im Vergleich zu anderen Spitzensportlern hat Weber nach ihrem Karriereende schnell eine neue Berufung gefunden, auch wenn dieser Werdegang doch etwas ungewöhnlich erscheint.

Warum sich eine ehemalige Spitzensportlerin entscheidet, Schauspielerin zu werden? "Ich habe nach meiner Matura im Sportgymnasium das Studium der Theater-Film- und Medienwissenschaften begonnen und gemerkt, dass ich nicht hinter der Bühne, sondern davor arbeiten möchte. In Vorarlberg war ich fast nie im Theater, erst in Wien habe ich gesehen, wie toll das ist", erzählt Weber. Im Vorjahr hat sie ihre Ausbildung in der "1st Filmacademy" abgeschlossen und arbeitet derzeit an verschiedenen Projekten.

Doch auch für sie war der Einstieg ins Berufsleben kein leichter. "Der Sport gibt einem so viel Routine und dann ist auf einmal der Alltag weg. Es war schwieriger, als ich mir gedacht habe. Andere Leute in meinem Alter haben schon Ferialjobs gemacht und Berufserfahrung gesammelt und ich hab die ganze Zeit "nur" trainiert. Da gibt es schon gewisse Existenzängste. Gerade in der Schauspielerei weiß man nie, was kommt. Erst jetzt gewöhne ich mich daran."

"Der ehrlichste Beruf, den es gibt"
Schon während ihrer Schauspielausbildung hat die Olympiateilnehmerin viele Parallelen zum Gymnastiksport entdeckt. Beides hat viel mit Perfektion zu tun, auch auf der Bühne sind immer 100 Prozent gefragt. "Als Schauspielerin gibt man sehr viel Preis von sich selbst. Für mich ist es der ehrlichste Beruf, den es gibt", sagt Weber, die am liebsten Komödien spielt. Aber auch toughe Frauenrollen reizen die Vorarlbergerin. Gerade für Frauen ist es im Schauspielbusiness schwierig, Fuß zu fassen. Die Jobs sind rar.

Für Theaterstücke werden meist mehr Männer gesucht, deshalb hat die in Wien lebende Dornbirnerin mit vier anderen Kolleginnen ein eigenes Ensemble gegründet. Beim Alice Ensemble machen die Darstellerinnen alles selbst: Drehbuch, Regie und Schauspiel. "Mir macht das großen Spaß. Da kann man sich gut ausprobieren. Es ist auch schwer ein gutes Stück zu finden, wo viele Frauen vorkommen. Deshalb nehmen wir das selbst in die Hand."

Die nächste Darbietung "Willkommen im Jenseits" feiert am 21. Jänner Premiere im Pygmalion Theater in Wien. "Ausgangspunkt ist die Beerdigung der Mutter, wo alle Schwestern zusammentreffen. Wir haben versucht, verschiedene Frauencharaktere hineinzupacken. Es handelt sich um eine Tragikomödie."

Das Leben als Spitzensportlerin vermisst Weber nicht, außer vielleicht den geregelten Ablauf. Dennoch ist sie der Rhythmischen Gymnastik als Betreuerin im österreichischen Junioren-Nationalteam treu geblieben. Auch die Sportszene in Österreich verfolgt die Schauspiel-Absolventin genau.

Immer noch verärgert über Darabos-Zitat
Bei ihren letzten Olympischen Spielen in London 2012 brach Weber bei einem TV-Interview in Tränen aus. Grund dafür war eine provokante Aussage des damaligen Sportministers Norbert Darabos, der Österreichs Sportler schon zur Halbzeit als "Olympia-Touristen" abstempelte. "Ich habe viele Jahre hart für das große Ziel Olympische Spiele gearbeitet", betonte sie damals emotional und machte auf die schlechten Trainingsbedingungen in Österreich aufmerksam: "Ich muss in einer Halle trainieren, in die würde keine andere Olympia-Gymnastin auch nur einen Schritt tun."

Vier Jahre später ist die Vorarlbergerin über dieses Zitat noch immer verärgert. "Es war auch jetzt in Rio wieder das Thema. Leider hat sich im Sommersport nicht viel getan. Viele wissen gar nicht, was man dafür aufopfern muss, um sich für Olympische Spiele zu qualifizieren. Der Sommersport hat in Österreich ein schlechtes Ansehen", ist die Ex-Gymnastin überzeugt. Die Trainingsbedingungen haben sich in den letzen vier Jahren leider nicht sonderlich verbessert. Und auch die Pläne für ein neues Fördersystem des Sportministeriums beäugt Weber kritisch. Besonders die Idee einer gezielten Förderung von "Prime-Sportarten" gefalle ihr nicht: "Ich weiß nicht, welche Sportarten darunter fallen, aber die Entwicklung finde ich nicht gut. Das Ziel sollte sein, dass wir mehr Leute zum Sport bringen. Man müsste mehr in den Breitensport investieren, davon würde auch der Spitzensport profitieren."

Die 30-jährige Schauspielerin würde es befürworten, wenn Sportvereine mehr mit Schulen zusammenarbeiten: "Es fängt eigentlich schon im Kindergarten an. Die Betreuerinnen bräuchten die richtige Ausbildung, auch auf Sport bezogen. Es muss nicht jeder Leistungssport machen, aber Bewegung ist von klein auf wichtig."

"Der Sommersport steht schlecht da"
Laut Weber werden die Erfolge der Sommersportler nicht genügend honoriert. "Der Sommersport steht schlecht da. In den Medien, aber auch bei der Bevölkerung. Die meisten Leute glauben alles ist top und wir bekommen so viel bezahlt, aber das stimmt ja überhaupt nicht", stellt die Vorarlbergerin klar und meint weiters: "Es geht nicht nur darum, Medaillen abzucashen. Wenn man sich für Olympische Spielen qualifiziert, ist es schon ein Hammer, weil die Trainingsbedingungen, die wir haben, nicht optimal sind. Wie kann ich da erwarten Olympiasiegerin zu werden?"

Sollte es zu keinem Umdenken bei Medien, Bevölkerung und Politik kommen sieht es für die Olympischen Spiele in Tokio 2020 auch nicht gerade rosig aus. Welche Ziele Weber in ihrer Schauspiel-Karriere bis dahin verfolgt? "An das Burgtheater oder Hollywood denke ich nicht. Wie in meiner sportlichen Karriere schaue ich von Schritt zu Schritt. Ich stehe noch ganz am Anfang."

Stefanie Riegler
Stefanie Riegler
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(Bild: KMM)



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