An Serbiens Grenze

“Krone” in Tabanovce: Das Lager der Vergessenen

Ausland
27.03.2016 09:18

Drei Jahre, älter ist er nicht. Sein kleiner Körper ist in eine bunt gestreifte Strickweste gehüllt, die braunen Augen leuchten. Ein schwarzer Welpe, nicht größer als eine Hand, bringt ihn dazu. Der Kleine jauchzt auf, wenn er dem Tier neugierig mit den Fingerspitzen über den Kopf streicht. Dann verstummt sein kindliches Lachen. "Go back", sagt ein Soldat mit forschem Blick. Zurück hinter den Zaun, hinter dem das Kind seit Wochen eingesperrt in Zelten lebt.

Sie wurden vergessen. 960 Menschen, die sich zu Fuß in eine neue Welt aufgemacht haben. Sie sind den leeren Versprechen der Schlepper vom "goldenen Westen" gefolgt, sitzen im mazedonischen Tabanovce fest - das Camp ist ihr Gefängnis. Während die Welt den Fokus auf das Flüchtlingslager Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze richtet, hat man das 180 Kilometer entfernte Tabanovce aus den Augen verloren.

"Wir sind ja keine Bananenrepublik"
Hier an der Grenze zu Serbien schreit niemand laut auf, wie im Süden des Landes. Hier hat die Armee das Kommando übernommen, medienwirksame NGO-Auftritte wie in Idomeni bleiben ungehört - oder werden im Keim erstickt. Der Krisenmanager im Lager gewährt an diesem Tag keine Einblicke in die Welt hinter einem drei Meter hohen, trügerisch im Sonnenlicht blitzenden Stacheldrahtzaun. "Wir sind ja keine Bananenrepublik", sagt er knapp.

Humanitäre Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen werfen nach und nach das Handtuch, weil Mitarbeiter in die Schusslinie von aggressiven Migranten geraten. Peter Kitzberger, Österreichs Polizei-Attaché in Mazedonien, zeichnet kein rosiges Bild: "Wir haben es hier mit einem Pulverfass zu tun, das kurz vor der Explosion steht."

Hungerstreiks und Selbstentzündungen
13.000 Flüchtlinge an der griechischen Grenze, mehr als 1200 an der serbischen. Zu dem beißenden Geruch von verbranntem Gummi zusammengekarrter Autoreifen mischt sich der von Kleidung. Die Grenze bleibt zu, die Westbalkanroute ist "dicht". Doch immer wieder wird falsche Hoffnung verbreitet. "Wer macht das?", wollen wir von Adam (20) wissen. "Leute, die uns helfen wollen", sagt er. "Es ist ein Wahnsinn, was diesen Menschen angetan wird", schüttelt Kitzberger den Kopf.

"NGOs und vor allem Aktivisten müssen endlich zur Vernunft kommen", so Kitzberger. Immer noch sollen Migranten losgeschickt werden: zu Sitzblockaden, tödlichen Märschen, Hungerstreiks - in einen Krieg, den sie nicht gewinnen können.

Von bewaffneten Soldaten zum Auto eskortiert
Zurück in Tabanovce: Der Welpe ist verschwunden und mit ihm der Dreijährige. Auch das "Krone"-Team wird nach einer Pass-Abnahme von zwei mit Sturmgewehren bewaffneten Soldaten "freundlich" zum Auto eskortiert. Es ist ein Sinnbild für das Polit-Versagen der EU beim Schutz der Grenzen...

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