Mutige Satire

“American Dreamz”: US- Politik als Lachnummer

Kino
14.06.2006 14:30
Alarm im Weißen Haus: Nicht etwa Terrorangriffe, Wirtschaftskrisen oder Naturkatastrophen versetzen den Stab von US-Präsident Staton in der Satire "American Dreamz" in Aufregung. Nein, der Präsident selbst ist es. Nach seiner Wiederwahl beginnt Staton (Dennis Quaid, "Deine, Meine und Unsere") auf einmal, sich für die Welt außerhalb seines Schlafzimmers zu interessieren und Zeitung zu lesen. Die gewohnte Arbeitsteilung, nach der der Vizepräsident die eigentliche Regierungsarbeit macht und der Präsident lediglich Hände schüttelt und Babys küsst, droht zu zerbrechen. Regisseur Paul Weitz ("American Pie") hat mit "American Dreamz" die bislang wohl mutigste Satire auf die Präsidentschaft von George W. Bush abgeliefert.

Neben Bush nimmt Weitz noch ein weiteres Zeitphänomen in den USA und vielen anderen Ländern aufs Korn: die Talentshows nach dem Muster von "Starmania", das in den USA "American Idols" heißt und im Film "American Dreamz". Hugh Grant ("Bridget Jones") spielt Showmaster Martin Tweed, der auf der Jagd nach Quoten über Leichen geht.

Bei der Sichtung von Bewerbungsvideos fällt ihm die von Mandy Moore gespielte Sally auf, die offensichtlich bereit ist, für ihren Erfolg alles zu tun. Ein weiterer Favorit ist der Araber und Nachwuchsterrorist Omer (Sam Golzari). Er führt die beiden Handlungsstränge zusammen: Als seine Anführer erfahren, dass Präsident Staton als Gastjuror bei "American Dreamz" auftreten soll, wird Omer beauftragt, sich gemeinsam mit ihm in die Luft zu sprengen.

Stoff für zwei Filme
Die einzelnen Teile für sich hätten gut und gerne Stoff für zwei getrennte Filme abgegeben. Weitz macht sich über vieles lustig, was Kritiker dem Präsidenten aus Texas gerne vorwerfen: Seine angebliche Dummheit, seine starke Religiosität, seine Unkenntnis über das Geschehen außerhalb Amerikas und die Ansicht vieler, Bush sei nur eine Marionette von Vizepräsident Dick Cheney.

Hier hat der Film auch seine stärksten Momente, etwa als Staton seinem von Willem Dafoe ("Spider-Man") gespielten Stabschef vorwirft, er haben ihm nie gesagt, dass es verschiedene Arten von "Irakistanis" gibt. Oder als er den Ohrstecker verliert, über den ihm souffliert wird, was er zu sagen hat und herausplatzt, es täte ihm leid, aber im Nahen Osten werde es "niemals, niemals, niemals Frieden geben".

Bissige Seitenhiebe
Der Blick hinter die Kulissen der Talentshows bringt bissige Seitenhiebe auf die Scheinheiligkeit solcher Sendungen und ihrer ach so sympathischen Möchtegern-Superstars. Sängerin Sally macht mit ihrem Freund William (Chris Klein, "American Pie") Schluss, weil sie denkt, er stehe ihrer Karriere im Weg. Als er sich daraufhin aus Verzweiflung als Freiwilliger in den Irak meldet und dort gleich am ersten Tag eine verirrte Kugel abbekommt, nimmt sie ihn auf Anraten ihres Managers großherzig wieder auf. Mit einem Kriegshelden an der Seite steigen nun mal die Siegchancen.

Mut zur derben Komik
Die Verbindung von Terrorismus und Showbusiness ist nun einmal nicht mehr feine Ironie sondern nur noch derbe Komik. Wenn die Terroristen in ihrem arabischen Ausbildungslager die Show verfolgen und im Takt mitwippen, kann man darüber zwar lachen, ein Hintersinn erchließt sich jedoch nicht. Dennoch muss man Weitz zugute halten, dass er den Mut hatte, zwei Themen anzupacken, die derzeit die US-Gesellschaft beschäftigen: Einen Präsidenten, dessen politische Sprachlosigkeit immer offener diskutiert wird, und eine Fernsehnation, die sich von einer verlogenen Mattscheiben-Version des amerikanischen Traums in den Bann ziehen lässt.

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