Mindestens 38 Tote

Tunesien: Terrorangriff auf Touristen an Strand

Ausland
27.06.2015 08:47
Bei einem Anschlag auf zwei Strandhotels im tunesischen Sousse sind am Freitag mindestens 38 Menschen getötet worden. Unter den Opfern seien Deutsche, Briten, Belgier und Tunesier, teilte das Gesundheitsministerium des Landes mit. 36 Verletzte seien zudem auf verschiedene Krankenhäuser im Großraum Sousse verteilt worden. Vier Österreicher, die in einem der betroffenen Hotels derzeit urlauben, blieben unverletzt. Der Angreifer wurde von Sicherheitskräften erschossen. Die Terrormiliz Islamischer Staat hat in der Nacht auf Samstag die Verantwortung für den Anschlag übernommen.

"Ein Angreifer eröffnete das Feuer auf Touristen und Tunesier mit einer Kalaschnikow am Strand des Hotels", sagte ein Angestellter des Hotels Imperial Marhaba, das neben dem Hotel Club Riu Bellevue von dem Anschlag betroffen war. "Es war nur ein Angreifer. Es war ein junger Typ, der kurze Hosen trug, als wäre er selber ein Tourist." Der Konditor des Hotels berichtete der Nachrichtenagentur AFP, der Attentäter habe auf die Gäste am Strand und an den Pools gezielt. Anschließend habe er auch eine Handgranate am Pool geworfen.

Bei dem getöteten Attentäter handelte es sich nach Angaben des tunesischen Staatssekretärs Rafik Chelly um einen der Polizei nicht bekannten jungen Studenten. Der Mann sei Tunesier und stamme aus der Region um (die für Muslime heilige Stadt) Kairouan, so der Staatssekretär laut Radio Mosaique. Ob er alleine für die Bluttat verantwortlich war, ist noch nicht restlos geklärt. Ermittler gehen allerdings derzeit davon aus, dass der Mann ein Einzeltäter war.

IS übernahm Verantwortung für Anschlag
Die Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS) hat unterdessen die Verantwortung für den Anschlag auf die Hotelanlage übernommen. Der IS-Kämpfer habe sein Ziel trotz Sicherheitsvorkehrungen in dem Touristenort Sousse erreicht, hieß es in einer auf Twitter veröffentlichten Mitteilung. 40 "Ungläubige" seien dabei getötet worden.

Bei dem Anschlag starben nach Angaben der Regierung Bürger mehrerer europäischer Länder. Die Mehrzahl der bestätigten 38 Todesopfer des Angreifers sei britischer Staatsbürgerschaft, sagte Regierungschef Habib Essid Samstag früh. "Danach kommen Deutsche und Belgier und dann weitere Nationalitäten." Auch Franzosen seien unter den Toten. Die Behörden in Dublin bestätigten den Tod einer Irin.

"Geräusche wie von Böllern"
Augenzeugen berichteten auf Twitter von mehreren Leichen am Strand vor den Hotels sowie Panik unter den Gästen in dem beliebten Badeort. Der Angreifer soll mit einem Boot an den Strand gekommen sein, bevor er das Feuer eröffnete. "Mein 22-jähriger Sohn ging gerade ins Wasser", sagte der aus Bristol stammende Gary Pine am Freitag in einem Telefonat mit dem britischen TV-Sender Sky News. "Plötzlich haben wir hundert Meter weiter links ein Geräusch wie von Böllern gehört", sagte Pine.

Schnell hätten die mehreren Hundert Menschen am Strand aber begriffen, dass es sich bei den vermeintlichen Knallfröschen um Schüsse handelte und seien vom Strand geflohen. "Es gab eine Panik", erzählte der britische Tourist. Er schätzte, "20 oder 30 Schüsse" gehört zu haben, die "aus dem Nichts" gekommen seien. Pine und seine Frau hätten dann ihrem Sohn zugerufen, schleunigst aus dem Wasser zu kommen. Der junge Mann erzählte seinen Eltern daraufhin, er habe gesehen, wie am Strand jemand niedergeschossen worden sei.

"Was sollen wir tun?"
"Als wir wieder im Hotel waren, haben wir in der Anlage nebenan eine Explosion gehört", sagte Pine. Während seines Telefonates mit dem Sender habe in der Lobby seines an den Ort des Anschlag angrenzenden Hotels "Totenstille" geherrscht, erklärte er. Er und die rund 200 weiteren internationalen Touristen hätten "die Vögel singen hören" können. Die Hotelleitung habe die Gäste zunächst angewiesen, sich in ihren Zimmern einzuschließen. Kurz darauf seien sie jedoch in die Lobby gerufen worden. Unter den Anwesenden herrschte demnach große Unsicherheit, was als nächstes geschehen solle. "Gehen wir weg? Bleiben wir hier? Wo sollen wir hin? Was sollen wir tun?", fragte der Augenzeuge am Telefon.

Österreichische Urlauber geschockt, aber wohlauf
Nach Angaben von Außenamtssprecher Martin Weiss halten sich derzeit rund 500 Österreicher in Tunesien auf. Es gebe aber keine Hinweise, dass sich Landsleute unter den Opfern des Terroranschlags bei Sousse befinden, sagte Weiss am Freitag. Allerdings seien noch nicht alle Opfer identifiziert, schränkte er ein. Zum Zeitpunkt des Anschlags hielten sich vier Österreicher in dem hauptbetroffenen Hotel Imperial Marhaba auf. Man habe sie kontaktiert und sie seien wohlauf, aber geschockt, so der Außenamtssprecher.

Einige von ihnen hätten für Samstag ihre Rückreise geplant. Um die Österreicher vor Ort kümmere sich der Honorarkonsul, Mitarbeiter der österreichischen Botschaft und die Vertreter der Reiseveranstalter. Zudem stehe man in Kontakt mit den tunesischen Behörden. Sousse ist einer der beliebtesten Badeorte in Tunesien und wird häufig von Urlaubern aus Europa und nordafrikanischen Nachbarländern besucht.

Urlauber können vorzeitig abreisen
Ein Sprecher des Reisekonzerns TUI erklärte, derzeit befänden sich rund 3.800 deutsche TUI-Gäste in Tunesien. Es lägen aktuell noch keine gesicherten Erkenntnisse vor, ob Gäste der TUI Österreich von dem Anschlag betroffen seien. TUI-Gäste, die in der aktuellen Sommersaison eine Tunesien-Reise gebucht haben, könnten bis einschließlich 15. September gebührenfrei umbuchen oder stornieren, teilte der Tourismuskonzern am Freitag mit. Für Urlauber vor Ort, die ihre Reise vorzeitig beenden wollten, organisiere der Reiseveranstalter vorzeitige Abreisen, wenn dies möglich sei, sagte TUI-Österreich-Sprecherin Kathrin Limpel.

Tunis will entschlossen gegen Extremisten vorgehen: Nach einer nächtlichen Sitzung des nationalen Sicherheitsrates kündigte Premier Essid am frühen Samstagmorgen eine Reihe von Maßnahmen an. "Die Heimat wird bedroht, der Staat wird bedroht", sagte er. "Wir mögen den einen Kampf gewinnen und den anderen Kampf verlieren, aber unser Ziel ist, den Krieg zu gewinnen." Zu den vom Rat beschlossenen Maßnahmen gehört die Schließung von bis zu 80 Moscheen. "Es gibt weiterhin Moscheen, die ihre Propaganda und ihr Gift zum Terrorismus verbreiten", wurde Essid von örtlichen Medien zitiert. Diese Moscheen sollten schon innerhalb der nächsten Tage geschlossen werden.

Über 20 Tote bei Anschlag im März
Im März waren bei einem Anschlag auf das Bardo-Museum in der Hauptstadt Tunis mehr als 20 ausländische Touristen getötet worden. Der IS bekannte sich damals zu der Tat, doch es finden sich auch Hinweise auf einen tunesischen Al-Kaida-Ableger. Es war der schwerste Anschlag in Tunesien seit mehr als einem Jahrzehnt.

Anders als in Ländern wie Libyen, Syrien oder Ägypten blieb es in Tunesien nach den Volksaufständen des sogenannten Arabischen Frühlings lange Zeit ruhig. Allerdings gibt es mehrere islamistische Extremistengruppen in dem Land, etwa die Ansar al-Scharia. Im Nachbarland Libyen versucht zudem die IS-Miliz an Boden zu gewinnen. Nach Schätzungen der Behörden haben sich rund 3.000 Tunesier dem IS in Syrien oder dem Irak angeschlossen. Die tunesische Regierung ist in Sorge, dass Rückkehrer im Land Anschläge verüben könnten.

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