Debatte geht weiter

Industrie hält nichts vom Proporz

Oberösterreich
04.03.2015 06:00
"Ein Notsystem, das von einem seltsamen Demokratieverständnis zeugt und ein politisches Verantwortungsdefizit bedeutet", urteilt Oberösterreichs Industriellenvereinigung harsch über das hiesige System der Proporzregierung, aber nicht die darin agierenen Personen. Sie wünscht sich eine intensive Debatte darüber.

"Wir sind ganz Ihrer Meinung", sagt IV-Geschäftsführer Joachim Haindl-Grutsch zur kritischen Berichterstattung der "OÖ-Krone" zum Regierungsproporz – den auch Rudi Anschober (Grüne) abschaffen will, siehe Interview unter. Und Haindl-Grutsch hat gewichtige Argumente:

  • Es gibt in OÖ keine Opposition. Fehlende Kontrolle führt zu Missbräuchen.
  • Die Konzentrationsregierung ist ein Notsystem, das  für die Zeit nach dem 2. Weltkrieg richtig war. Heute haben wir ganz andere Rahmenbedingungen.
  • Egal, was der Bürger wählt, alle Parteien ab einer gewissen Stärke sitzen in der Regierung. Eine Entscheidung für die eine oder andere politische Ausrichtung ist damit nicht gegeben.
  • Es ist absurd, als Teil der Regierung Oppositionspolitik betreiben zu können. Das führt verstärkt zu politischem Stillstand oder zu politischen Deals. Für den Wähler ist nicht klar, welche Partei die  Regierungsverantwortung hat und welche die opositionelle Kontrolle.
  • Die Parteien senken durch das Proporzsystem das Risiko von Wahlniederlagen, sichern sich den Zugang zu Steuergeld, Macht und Aufmerksamkeit.

"Grün braucht einen Regierungssitz!" So warb Rudi Anschober im Wahljahr 2003. Trotzdem ist er für Proporzabschaffung noch heuer.

"Krone": Die Grünen wollen nach mehreren früheren Anläufen den Proporz noch diese Periode abschaffen. Was ist denn dann mit dem "automatischen" grünem Regierungssessel ab einem gewissen Wähleranteil?
Rudi Anschober: Wir haben dann eine normale Situation in einem Koalitions- und  Oppositionsmodell, dass einzelne Parteien den Einzug in die Regierung anstreben für ihre Anliegen.
"Krone": Wo wäre denn da der Unterschied zum Proporz?
Anschober: Jetzt merken wir in der Realpolitik, dass Kräfte in einer Regierung zusammengespannt sind, die mitunter auch das Gegenteil von dem wollen, was die Koalitionsregierung innerhalb des Proporzes eigentlich als Ziel formuliert hat.
"Krone": Wo denn konkret?
Anschober: Ein Beispiel ist aus meiner Sicht die Energiewende, wo wir einen Wohnbaulandesrat haben, der das grundsätzlich völlig anders sieht und in eine ganz andere Richtung geht. Effizienter wäre Oberösterreich, wenn man nicht nur an einem Strang zieht, sondern  in dieselbe Richtung. Das würde die Reform- und Gestaltungsfähigkeit unseres Bundeslandes massiv verbessern.
"Krone": Trotzdem befürchten manche Erschwernisse, wenn sie nicht mehr in der Regierung sitzen.
Anschober: Die Proporzabschaffung muss durch eine zweite Säule ergänzt werden: Massives Aufwerten von Opposition, Minderheitenrechten, Kontrollmöglichkeiten und Transparenzregelungen.
"Krone": Ob das reicht, damit SP und FP doch zustimmen?
Anschober: Man muss eine sachliche Debatte führen, um von den Justament-Positionen wegzukommen. Auch sozialdemokratische Landeshauptleute waren und sind für eine Abschaffung des Proporzes und haben das in ihren eigenen Ländern (Steiermark, Burgenland) ja auch umgesetzt.

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