"Krone"-Interview

Herbert Grönemeyer: "Will nicht immer trauern"

Musik
11.11.2014 11:31
Im "Krone"-Interview spricht Top-Star Herbert Grönemeyer über sein neues Album "Dauernd Jetzt", über Trauer, Flüchtlinge, Facebook und sein Konzert am 16. Juni in der Wiener Stadthalle. Der Wahl-Londoner zeigt sich dabei sehr reflektiert und hat einiges zu erzählen.
(Bild: kmm)

So glücklich und entspannt wie auf "Dauernd Jetzt" hat Herbert Grönemeyer schon lange nicht mehr geklungen. Und genauso entspannt und ausgelassen, in lässigem Sakko und trendigen Sportschuhen, erscheint er zum Interview in einem Berliner 5-Sterne-Hotel. Über den Besuch aus Österreich freut er sich besonders. Denn die Konzerte bei uns gehören zu seinen Highlights, wie er unter anderem bekennt.

"Krone": Sie wollten ja schon im Mai zu uns kommen, wurden aber quasi von Conchita Wurst verdrängt. Durch ihren Sieg beim Song Contest ist die Wiener Stadthalle belegt.
Herbert Grönemeyer: Richtig, die Stadthalle meinte zu uns: "Das ist ein Jahrhundertereignis, ist Ihnen das eigentlich bewusst?" Das war uns nicht so klar, aber jetzt wissen wir es. (lacht)

"Krone": Interessiert Sie der Song Contest?
Grönemeyer: Dazu habe ich gar keine Beziehung. Für mich ist das  eine lustige Spaßveranstaltung. In London wird das sehr schrill zelebriert, aber ich bekomme das trotzdem kaum mit. Ich habe aber  einmal ein Interview mit der Conchita gesehen, da fand ich sie sehr klug, sehr interessant.

"Krone": Kennen Sie sich sonst mit der österreichischen Musikszene ein bisschen aus?
Grönemeyer: Ich habe natürlich Falco gekannt. Der war für mich sicher einer der größten deutschsprachigen Popstars überhaupt und ist es immer noch, er ist unerreicht. Georg Danzer kannte ich ein bisschen. Wolfgang Ambros find ich auch gut. Aktuell finde ich Bilderbuch und Ja, Panik wirklich sehr gut. Die Platte habe ich von meiner Tochter zum Geburtstag bekommen, klasse. Und natürlich kenne ich Udo Jürgens schon sehr lange. Er ist ja gerade erst 80 geworden. Seine Vitalität ist schon sehr bewundernswert. Eine Ikone der deutschsprachigen Musik.

"Krone": Sehen Sie sich mit 80 noch auf der Bühne?
Grönemeyer: Ich mach mein letztes Konzert mit 89, das haben wir schon festgelegt und gehen auch bald in den Vorverkauf damit. (lacht) Danach mache ich mir noch ein paar schöne Jahre.

"Krone": Es besteht eine spezielle Beziehung zwischen den Österreichern und Ihnen – oder empfinden nur wir das so bei den Konzerten?
Grönemeyer: Das stimmt wirklich. Es ist auch für mich besonders. Es ist jedes Mal aufregend, wenn ich zu euch komme. Als ob man einer großen Liebe immer wieder neu begegnet. Ich wundere mich auch immer wieder darüber – es ist ja nicht selbstverständlich, dass man als deutscher Künstler in Österreich so empfangen wird. Dass ich da so in die Herzen vorgedrungen bin, ist schon toll. Das macht mich stolz.

"Krone": Nun erscheint Ihre neue CD "Dauernd Jetzt" – ein sehr positives Album mit schönen Liebesliedern, das zeigt, dass Sie glücklich sind. Ist das so?
Grönemeyer: Ich wollte schon mit meinem letzten Album "Schiffsverkehr" zeigen, dass man nicht der ewig Trauernde sein kann, sondern auch wieder zuversichtlich aufbricht. Natürlich trauert man immer, aber das integriert sich irgendwann als Farbe.

"Krone": In einem berührenden Lied lassen Sie der Erinnerung an Ihre Frau aber freien Lauf?
Grönemeyer: In dem Lied geht es nicht explizit um meine Frau, da geht es allgemein um diese Momente, die plötzlich kommen – die kennen wir ja alle. Da geht man wieder mitten hinein in die Erinnerung, die einen in eine andere Welt schießen, aber gleichzeitig auch wieder stabilisieren. Die Erinnerung trägt man bei sich, wie ein Baum, der seine Narben abbekommen hat – aber auch so kann man gestärkt weiterwachsen.

"Krone": Wenn man so wie Sie die tragischen Seiten des Lebens kennt, fällt es vielleicht sogar leichter, Glück zu erkennen?
Grönemeyer: Das mag sein. Aber ich war eigentlich immer schon so.  Meine Mutter hat mir bereits mit 14 gesagt: So wie du bist, wirst du es später mal schwer haben, es wird dich keiner verstehen. Denn ich fand das Leben immer schon klasse. In der Schule fanden sie mich nervig, weil ich immer gute Laune hatte. Aber sicher, wenn man Schattenseiten des Lebens kennt, wird man deutlich demütiger und dankbarer. Man begreift das Leben in seinem Wert stärker, wenn man auch die Zeiten erlebt hat, die eine Katastrophe sind. Dann weiß man erst, wie wertvoll jede Sekunde ist.

"Krone": Ihre Fans haben miterlebt, wie Sie Schicksalsschläge in Ihren Liedern überwinden. Umso mehr freut es viele nun, dass Sie über Ihre neue Liebe singen.
Grönemeyer: Ich weiß, dass viele Menschen sehr rührend und liebevoll an meinem Schicksal teilgenommen haben. Es ist wohltuend, dass sich nach der langen Zeit, die jetzt vergangen ist, das Leben in seiner Pracht wieder zeigt, aufmacht, dass man es wieder auskosten kann. Das glaubt man ja lange Zeit nicht.

"Krone": Sie üben auf dem neuen Album aber auch Kritik an der offenherzigen Facebook-Generation.
Grönemeyer: Im Internet ist jeder sein eigener Superstar, und das Netz schiebt allen das Drehbuch ganz langsam unter. Je öffentlicher man sich macht, desto durchschaubarer und lenkbarer wird man. Übertrieben gesagt: Wenn sich die zehn mächtigsten Internetriesen wie zum Beispiel Amazon, Facebook und Google verbinden und ihre ganze Sammlung zusammenschmeißen. Die haben sofort etwas gegen die ganze Welt in der Hand.

"Krone": Sie selbst ziehen sich privat ja völlig zurück - unter anderem wohnen Sie seit Jahren in London.
Grönemeyer: Ja, dort lebe ich komplett zurückgezogen und normal.

"Krone": Ganz stark haben Sie Ihre Prominenz jedoch genutzt, um sich für die Initiative "Deine Stimme gegen Armut" einzusetzen – das erklärte Ziel war, die Armut in Afrika bis 2015 zu halbieren. Was ist daraus geworden?
Grönemeyer: Das ist uns nicht gelungen, denn die Regierungen haben ihre Versprechen nicht gehalten. Aber auch einiges erreicht: Zum Beispiel, dass 25 Millionen mehr Kinder in Schulen gehen, die HIV-Prophylaxe und der Kampf gegen Malaria sind stärker geworden. Und wir haben einen Schuldenerlass von ca. 60 Milliarden Euro mit durchgesetzt, glaube ich. Insgesamt haben wir sicher etwas angeschoben.

"Krone": Ein Lied auf der CD widmen Sie der Flüchtlingsproblematik.
Grönemeyer: Das ist zurzeit eines der brisantesten Themen – wie setzt sich die westliche Welt mit dem Flüchtlingsstrom auseinander. Sind wir vorbereitet, können wir uns dem stellen oder fangen wir an, die Mauern noch höher zu ziehen? Dass die Menschen zu uns kommen ist die Folge der fehlgeschlagenen Armutsbekämpfung. Jetzt ist es an uns, an einem vereinten Europa, sich dem Problem gemeinsam zu stellen und nicht an die Grenzstaaten abzuschieben und dringend menschwürdige Bedingungen zu schaffen.

"Krone": Mit der Angst vor dem Flüchtlingsproblemen machen sich rechte Parteien stark – was heißt das für Sie?
Grönemeyer: Da bin ich Pragmatiker, die können sich anstellen, wie sie wollen, das Thema ist nicht zu stoppen. Das ist so wie damals in Ungarn vor der Öffnung der Mauer. Da kann man nicht mehr darüber streiten, sondern muss Lösungen finden, die einer westlichen, humanistischen Welt entsprechen.

"Krone": Ein ganz anderes Thema zum Schluss: Sie besingen Jogi Löw und die Nationalmannschaft. Wie geht es Ihnen, wenn Deutschland 2:0 gegen Polen verliert?
Grönemeyer: Das ist egal, die WM war so ein tolles Ereignis, das kann man nicht schmälern. Ich bin wie ein kleiner Junge gebannt vor dem Fernseher gesessen. Das war eines der Highlights in meinem Leben. Und wenn wir da jetzt mal 2:0 verlieren, überwiegt immer noch die Freude.

Am 16. Juni kommt Herbert Grönemeyer mit Material seines neuen Alrhalten Sie unter 01/960 96 999 oder im "Krone"-Ticketshop.

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