Abneigung als Politik

Europa als Feindbild: „USA nicht an unserer Seite“

Außenpolitik
08.12.2025 09:46

Die USA haben in den vergangenen Tagen den Druck auf Europa an mehreren Fronten enorm erhöht. Insbesondere ein neues Strategiepapier skizziert den Kontinent als Feindbild. Erste Politiker sehen die transatlantische Partnerschaft zu einem Ende kommen.

US-Präsident Donald Trump hat aus seiner Abneigung gegenüber Europas Polit-Elite nie einen Hehl gemacht. Im Gegenteil: Jetzt hat er sie sogar verschriftlichen lassen. Die neue nationale Sicherheitsstrategie der USA wurde vergangene Woche veröffentlicht und skizziert den Kontinent als Feindbild. Die US-Regierung wolle in Europa den „Widerstand“ gegen den aktuellen politischen Kurs unterstützen.

Die Trump-Regierung begründet das mit einer aus ihrer Sicht drohenden „zivilisatorischen Auslöschung“ Europas. Zudem prangern die USA eine angebliche „Zensur der freien Meinungsäußerung und die Unterdrückung der politischen Opposition“ in Europa an. Die offene Forderung: Es wäre Zeit für mehr Nationalismus.

Liberales Europa als Feindbild
Die EU wird in dem Papier als Hindernis dargestellt. Offen rechtsradikale Parteien wie die AfD sollen nun unterstützt werden. Washington bezweifelt überdies, ob einige europäische Länder wirtschaftlich und militärisch künftig stark genug seien, um „verlässliche Verbündete“ zu sein. Während Länder wie Saudi-Arabien und Russland lobend oder kaum erwähnt und als Ersatzpartner in Stellung gebracht werden.

Putin und Trump sind sich einig: Das liberale Europa ist für ihre Pläne hinderlich.
Putin und Trump sind sich einig: Das liberale Europa ist für ihre Pläne hinderlich.(Bild: EPA/MAXIM SHIPENKOV)

Zeitgleich geht es Washington um die Geschäftsinteressen mächtiger Technokraten und finanzkräftiger Teilzeit-Unterstützer von Trump. „Die EU solle abgeschafft werden“, schrieb Elon Musk am Samstag auf seiner Online-Plattform X. Wegen Transparenzmängeln hatte die EU-Kommission eine Strafzahlung von 120 Millionen Euro gegen das Unternehmen verhängt. Brüssel will in sozialen Medien bekanntlich Propaganda einschränken.

US-Vize JD Vance wirft Europa nun „Zensur“ vor: „Die EU sollte die Meinungsfreiheit unterstützen, anstatt amerikanische Unternehmen wegen Müll anzugreifen.“ Kein Wunder, lässt sich mit diesem „Müll“ doch wunderbar Politik machen. Die Trump-Regierung ist bekannt dafür, Verschwörungstheorien und Falschnachrichten nur allzu gern aufzugreifen.

Hintergrund

  • Die Nationale Sicherheitsstrategie ist ein Dokument, das in regelmäßigen Abständen von der US-Regierung veröffentlicht wird.
  • Es umreißt die außenpolitische Vision eines Präsidenten und dient als Leitfaden für Regierungsentscheidungen. 

In Europa schrillen nun die Alarmglocken. Die EU-Spitze äußerte sich zunächst zurückhaltend. Chefdiplomatin Kaja Kallas bekräftigte, dass die „USA noch immer unser größter Verbündeter“ seien. Betonte aber auch, dass Teile der Kritik „wahr“ wären. So habe Europa die eigene Macht gegenüber Russland beispielsweise unterschätzt. „Wir sollten selbstbewusster sein, das ist sicher.“ Heißt übersetzt: Wir müssen selbstständiger werden.

Europa könne die „Androhung einer Einmischung in das politische Leben Europas“ nicht akzeptieren, wurde EU-Ratspräsident António Costa am Montag schon etwas deutlicher. Die USA könnten nicht stellvertretend für die europäischen Bürger entscheiden, „welches die guten Parteien und die schlechten Parteien sind“, fügte er bei einer Veranstaltung in Brüssel hinzu.

Zitat Icon

Die USA stehen nicht mehr an der Seite der Europäer.

Norbert Röttgen

Sind die USA noch ein zuverlässiger Partner?
In Berlin redet man hingegen schon unverblümter über die Amerikaner. Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sprach zuletzt von einer „zweiten Zeitenwende“. Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg stünden die USA nicht mehr an der Seite der Europäer, erklärte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. 

Angesichts der neuen Trump-Putin-Zange formulierte der Deutsche einen „Schicksalsmoment“, der das europäische Selbstverständnis auf die Probe stellen würde. „Ziel ist, unsere innere Verfassung nach den gegenwärtigen ideologischen Vorgaben der MAGA-Bewegung zu beeinflussen und zu diesem Zweck mit den inneren Feinden der liberalen Demokratie in Europa zusammenzuarbeiten – in Deutschland ist das die AfD.“

Kickl fordert Einlenken und EU-Abkehr
Und in Österreich? Hierzulande wurden die Vorgänge vor allem von der FPÖ goutiert. Parteiobmann Herbert Kickl findet, den US-Forderungen sei Folge zu leisten: „Bundeskanzler Stocker muss der zerstörerischen außenpolitischen Geisterfahrt der NEOS unter Meinl-Reisinger, Brandstätter und Co. sofort Einhalt gebieten. Er darf keine Minute länger zuschauen, wie seine pinken Verlierer-Ampel-Partner die diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu den USA ruinieren“, hieß es in einer Aussendung.

Die erfolgten Änderungen in der US-Strategie stünden „weitgehend in Übereinstimmung“ mit der Sichtweise Russlands, erklärte zudem Kreml-Sprecher Dmitri Peskow im staatlichen russischen TV-Sender Rossija. Putins wichtigster Mann für die USA, Kirill Dmitrijew, erklärte süffisant „EU-Bürokraten“ zu Feinden der „freien Meinungsäußerung“ – ohne zu erwähnen, dass in Russland Zensur an der Tagesordnung steht.

„Die EU wird von allen Seiten angegriffen. Russische Kriegstreiber verbünden sich mit amerikanischen Tech-Managern und europafeindlichen MAGA-Politikern. Es scheint, als sei die EU die letzte Bastion der Vernunft in einem Meer aus Lügen, Propaganda und Korruption, in dem nur das Recht des Stärkeren gilt“, erklärte dazu der Geopolitikexperte Janis Kluge.

Trumps Sohn Donald Jr. machte am Sonntag auf einem Forum in Doha die Interessen seiner Familie bezüglich der Ukraine und Europas jedenfalls mehr als deutlich: Die USA würden nicht länger „der Idiot mit dem Scheckbuch“ sein ...

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