Die schwedische Regisseurin Therese Willstedt verwandelt Thomas Bernhards letzten Roman in ein sprachwütiges Oratorium – für acht großartige Schauspieler.
Ein Jahr ist das her, da war auf den Burgtheaterbühnen das Beste und das Ödeste fortgeschrittener Regiekunst zu begutachten. Erst häckselte Zeitgeistprimadonna Karin Henkel „Hamlet“ zum Zitatensalat mit Dramaturgengequatsche und fünf krawallkomischen Titelhelden. Wenig später folgte die hier unbekannte Schwedin Therese Willstedt. Auch sie spaltete einen Protagonisten auf: Virginia Woolfs vielgesichtiger, geschlechts- und altersloser Orlando war einem traumhaften siebenköpfigen Ensemble anvertraut, vom uralten Mann bis zur jungen Frau.
Dass man das Verfahren auf den letzten Roman Thomas Bernhards übertragen könnte, schien kaum vorstellbar: Der Großegozentriker hat hier die Motive seines Schaffens – also seines Lebens – konzentriert: hässliche, lieblose Kindheit, Flucht in die Welt, Heimkehr in die von alten Nazis vergiftete Dorfwelt. Der Gedankenstrom des Franz-Josef Murau ist beladen mit den Produkten seiner hassvollen Beobachtung.
Und wie das Verfahren im Burgtheater aufgeht! Im Zentrum steht das Einzige, was auf dem Theater zählt: Text, Sprache und Schauspielkunst. Der nicht unanstrengende Beginn auf der Vorderbühne gleicht einem Sprech-Oratorium: Die Textlast ist nach musikalischen Gesichtspunkten auf die acht Ich-Erzähler verteilt. Dann hebt sich der Vorhang über der roten Showtreppe (Mårten K. Axelsson), die mit Requisiten und Symbolen des Dorfnazitums vermüllt ist. Die acht Bernhards verwandeln sich auch in die Kopfkreaturen des Heimgekehrten. Das Resultat ist von grotesker Komik und Trauer um das Verlorene. Nicht um die Eltern und den Bruder, deren Unfalltod ihn nach Wolfsegg zurückgezwungen hat. Sondern um das eigene Leben.
Und welch eine Schlusspointe in diesen Zeiten: Murau schenkt das ganze verfluchte Gebilde der Israelitischen Kultusgemeinde.
Norman Hacker, Andrea Wenzl, Lilith Hässle und Alexandra Henkel repräsentieren das „alte“, Ines Marie Westernströer, Aaron Blanck, Seán Mc Donagh und Jörg Ratjen das „neue“ Ensemble, alle mit Fortüne.
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