„Krone“-Interview

Martina Ebm: „Hinter allen steckt eine Geschichte“

Unterhaltung
07.10.2025 06:00

Annie Breuer (Martina Ebm) ist alleinerziehende Mutter von zwei Kindern und mit psychischen Problemen konfrontiert. Als ihr der Entzug ihrer Liebsten droht, hilft plötzlich das ganze Wohnhaus zusammen, um der Familie zu helfen. „Tiefwassertaucher unterm Dach“ (Mittwoch, 20.15 Uhr, ORF 2) ist ein packendes Drama mit Martina Ebm in der Hauptrolle. Im Interview gibt sie uns nähere Einblicke in das Projekt.

„Krone“: Frau Ebm, der Film „Tiefwassertaucher unterm Dach“ ist ein sehr ungewöhnlicher, weil er versucht, schwierige und ernste Themen aufzulockern und für jedermann zugänglich zu machen. Was hat sie an der Rolle der alleinerziehenden Mutter Annie Breuer am meisten gereizt?
Martina Ebm:
 Diese Kombination aus schwierigem Thema und humorvoller Umsetzung war schon im Drehbuch spürbar, weshalb man erkennen konnte, dass es ein besonderer Film werden würde. Generell auch eine alleinerziehende Frau mit einer schwierigen Krankheit und psychischen Problemen zu spielen war ein großer Anreiz, weil man so ein Thema für gewöhnlich eher nicht im Fernsehen sieht.

Annie Breuer fühlt sich von imaginären Dingen bedroht und hat mitunter wilde Blackouts – sie leidet an einem Psychosyndrom. Wie haben Sie sich auf diese Rolle vorbereitet?
Ich habe sehr viel dazu recherchiert, viele Gespräche mit Regisseur Rupert Henning geführt und mich mit zwei Psychiatern getroffen, die mir auch Details erklärt haben. Es ist schwierig, in dieses Universum einzudringen, also habe ich versucht, mich mit intensiver Recherche anzunähern. Rupert hatte zudem ein sehr konkretes Bild vor Augen und es ist allgemein gut, wenn der Regisseur auch das Buch dazu geschrieben hat, weil man dann genau die Vorstellungen dazu besprechen kann.

Psychische Krankheiten sind in der Gesellschaft weit verbreitet, aber noch immer viel zu sehr tabuisiert. Ist es Ihnen mit dieser Rolle auch ein Anliegen, das Thema leichter zugänglich und erlebbarer zu machen?
Mir ist wichtig aufzuzeigen, dass man auch mit einer Krankheit eine gute Mutter sein kann. Man sieht, dass sich Annie schwer um ihre Kinder kümmern kann, aber deshalb ist sie trotzdem eine gute Mutter und sie will ihre Kinder bei sich haben. Sie hat das große Glück, von einer Gemeinschaft aufgefangen zu werden und lässt später auch deren Nähe zu. Sie ist umgeben von Menschen, die ihr helfen wollen und sie lässt sich auch helfen. Die Botschaft ist, dass wenn man die Türen für andere aufmacht und Hilfe zulässt, da auch Menschen sind, die einem helfen können und wollen.

Auf einer anderen Metaebene wirkt der Film auch wie ein Plädoyer gegen das Klischee, dass man in einer Großstadt immer nur die Ruhe in der Anonymität sucht.
Richtig. Einerseits möchte man seine Ruhe haben, andererseits freut man sich aber über die Nachbarn, die einem gut gesinnt sind und gerne helfen. Es ist ein Für und Wider, aber Annie hat in ihrem Fall das Glück, dass die Menschen in ihrem Haus gewillt sind zu helfen.

Der Film zeichnet verschiedene Persönlichkeiten wie die kiffenden Studenten, den grantelnden älteren Mann oder der verliebten Teenagerin. Ist es nicht ein bisschen eine märchenhafte Wunschvorstellung, dass all diese verschiedenen Individuen in einer Großstadt dann gesellschaftlich so zusammengreifen?
Natürlich ist es eine Wunschvorstellung, aber es ist sicher auch Ihnen schon einmal passiert, dass Sie ein gewisses Bild von einem Menschen haben und im Nachhinein draufkommen, dass Sie ihn – vielleicht unterbewusst – anders kategorisiert haben, als er wirklich ist. Oft fragen wir nicht nach dem Warum, wenn es darum geht, wie Menschen auf uns wirken. Deshalb fand ich die Rolle dieses grantigen Herrn Fiala interessant, weil man ihn falsch bewertet, wenn man die Geschichte hinter seinem Verhalten nicht kennt. Dass hinter allen Menschen Geschichten stecken, das darf man nie vergessen. Der Film zeigt auf, dass man ein bisschen achtsamer miteinander umgehen und nicht alles immer so persönlich nehmen sollte. Manchmal muss man Dinge wegstecken oder wem anderen helfen, auch wenn es im ersten Moment selbst wehtut.

Annie Breuer geht durch psychische Qualen und ist Alleinerzieherin – der Kampf um ihre Kinder ...
Annie Breuer geht durch psychische Qualen und ist Alleinerzieherin – der Kampf um ihre Kinder ist kein leichter.(Bild: ORF)

Fast jede Figur in der Produktion durchläuft in diesen 90 Minuten eine gewisse Wandlung. Man sieht verschiedene Facetten und dringt dabei genauer zur jeweiligen Person durch. Suchen wir zu oft nach der einfachen Antwort in einem viel komplexeren Leben?
Wenn man als Kind schon so behütet wie in einem Märchen aufwächst, dann wird man vom Leben oft regelrecht erschlagen. Wenn man, wie in diesem Film, mit einer Mutter zu tun hat, die mit sich selbst und ihrer Krankheit zu kämpfen hat, dann gibt es keine einfachen Antworten mehr. Nichts läuft nach Plan und man muss sich ständig umstellen. Das eine hat aber nicht zwangsläufig etwas mit dem anderen zu tun. Man kann an einer schwierigen Krankheit leiden und trotzdem eine gute Mutter sein.

Annie Breuer kämpft vor allem gegen sich selbst und scheint dabei den Boden unter ihren Füßen zu verlieren?
Annie gelingt es nicht, sich in die Realität zurückzuholen. Sie versucht es, aber es klappt nicht. Dann kommt auch noch der Brief des Jugendamts und der Kindsvater reklamiert die Tochter für sich. So eine Situation würde jede Mutter vor große Herausforderungen stellen. Die Nachricht bringt Annie in so eine Schieflage, dass sie aus dieser gar nicht mehr herauskommt. Die größte Herausforderung ist die Krankheit, gegen die sie ankämpft, die aber immer wieder zurückkommt. Dass sie sich nicht bestmöglich um ihre Kinder kümmern kann, das kann man nicht wegsprechen. Die Alternative wäre aber, dass die Tochter bei einem Vater aufwächst, der das Kind nicht kennt und wo das Kind nicht hin will. Es gibt eigentlich keine Gewinner, aber da wir in einem Film sind, gibt es dann doch ein Happy End, für das alle zusammenhelfen.

Ein Happy End, das aber keine Perfektion vorgaukelt, sondern mit der schwierigen Situation umgehen möchte.
Es ist ein realistischeres Happy End. Man kann Dinge nur mit Hilfe verändern.

Der von Hanno Kofler gespielte Ex-Mann wandelt sich im Laufe des Films auch in eine ganz andere Richtung. Es scheinen sich eh alle zu bemühen, aber irgendwie scheinen die Dinge einfach nicht so gut zu gelingen.
Man darf nicht vergessen, dass die Geschichte aus Annies Perspektive erzählt wird. Würde man die Geschichte aus der Perspektive des Vaters erzählen, würde sie vielleicht auch ein Happy End haben, aber ein anderes. Der Film will keinesfalls andeuten, dass der Vater kein guter Vater der Kinder sein kann, aber dieser Film hat den Fokus eben auf Annie. Der Vater wird auch nicht nur negativ dargestellt, sondern macht eine starke Entwicklung durch. Er will schon die ganze Zeit ein guter Vater sein, aber es wird ihm nirgends zugetraut. Ich finde die Figur gelungen und von Hanno toll dargestellt.

Die Figur der Annie ist in der realen Welt sehr bekannt. Viele Menschen wollen sich lange nicht helfen lassen und es müssen oft drastische Androhungen kommen, bis man gewillt ist, mit sich selbst aufzuräumen. Warum lassen sich Menschen Ihrer Meinung nach so ungern helfen?
Das liegt auch an unserem gesellschaftlichen Bild, dass man immer alles schaffen muss. Das wird auf Social Media sehr deutlich. Wenn ich eine dieser Plattformen öffne, graut es mir manchmal. Alle wollen immer die beste Version von sich selbst zeigen, aber das gelingt natürlich nicht immer. Das kommt kaum vor und in so einer Gesellschaft aufzuwachsen, macht es schwierig, sich selbst einzugestehen, dass man selbst scheitert, während es allen anderen vermeintlich immer gut geht. Deshalb ist es wichtig, dass Filme darstellen, dass es Menschen gibt, die ihr Bestes versuchen und dennoch scheitern.

Hatten Sie in Ihrem Leben schon Momente, wo Ihnen plötzlich Hilfe und Unterstützung von unerwarteten Personen zuteilwurde?
Ich kenne jedenfalls Situationen, in denen ich Menschen innerlich vorverurteilt habe und mich dann in Situationen wiederfand, in denen ich eines Besseren belehrt wurde. Ich bin prinzipiell jemand, der für Hilfe jedweder Art dankbar ist – völlig egal, woher sie kommt. Man schafft selbst nicht immer alles.

Sohn Tino muss bei Schwesterchen Lena oft frühe Erziehungsaufgaben übernehmen, wenn es der ...
Sohn Tino muss bei Schwesterchen Lena oft frühe Erziehungsaufgaben übernehmen, wenn es der Mutter mal wieder nicht so gut geht.(Bild: ORF)

Diese Hilfe muss man dann eben auch zulassen können. Das fällt sehr vielen Menschen schwer.
Das ist ein guter Punkt. Deshalb finde ich auch das Symbol mit den offenen Türen im Wohnhaus der Annie Breuer so bezeichnend. Es ist nicht selbstverständlich, dass die Menschen ihre Tür öffnen, wenn man anklopft. Denn es bedeutet: Du darfst zu mir herein. Ich helfe dir gerne.

Die glücklichsten Momente mit ihren Kindern erlebt Annie Breuer im Film immer am Dach des Wohnhauses. Steht diese Szenerie für eine bestimmte Analogie?
Das müsste man Regisseur Rupert Henning fragen! Für die Familie ist dieser Bereich ein Rückzug. Dort oben werden Probleme besprochen. Man kennt das ja aus dem realen Leben: Man kann oft beim Spazieren oder anderswo Dinge besser besprechen als in den eigenen vier Wänden. Es ist einfacher, dort zu reden, wo man kein Dach über dem Kopf hat.

Die beiden Kinder werden von den Jungschauspielern Leopold Palua und Adriana Stöckl dargestellt, die eigentlich die Stars dieser Produktion sind. Wie war es, mit ihnen zusammenzuarbeiten?
Ich drehe so gerne mit Kindern, es war eine reine Freude. Es ist eine große Bereicherung, weil man in den Pausen gut beschäftigt ist und sich am Set nicht alles so versteift. Alles ist viel spontaner, weil Kinder eben diese Spontanität ausstrahlen, die wir uns Erwachsenen längst abgewöhnt haben. Außerdem sind es wirklich entzückende Kinder. Allerdings: Die Dreharbeiten liegen zwei Jahre zurück, Leopold ist daher bereits ein toller junger Mann.

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