„Krone“-Interview

Rapper Finch: „Die Welt ist heute verweichlicht“

Musik
04.10.2025 09:00

Innerhalb von wenigen Jahren hat sich der deutsche Rapper Finch vom Szene-Insider-Tipp zu einem Top-Act entwickelt, der sogar die Wiener Stadthalle füllt. Auf seinem Weg zum Erfolg lässt er keine Provokation aus und lässt sich nicht bremsen – die offen zur Schau gestellte Unangepasstheit kommt bei seinen Fans gut an. Der „Krone“ verrät er im Gespräch mehr über sich und seine musikalische Agenda.

kmm

Noch bis Mai 2021 trug Nils Wehowsky alias Finch bei seinem Künstlernamen den Suffix Asozial und auch sonst lässt der ausgebildete Mechatroniker kein Fettnäpfchen aus, wenn es darum geht, zu provozieren oder über Gebühr aufzufallen. Seine freche Schnauze stählte er in Berliner Battle-Rap-Formaten, erste Versuche als Techno-Rapper führten in den 2010er-Jahren zu klingenden Liedern wie „Richtig Saufen“, „Ledersklave Frederik“, „Ohne Kondom“ oder „Fick mich Finch“. Mit den ballernden Nummern steigt aber auch sein Bekanntheitsgrad unaufhörlich. Er weiß, wie man mit Social-Media-Portalen umgeht, baut sich auf Bühnen gerne richtige Bars auf oder lädt zum Wrestling-Kampf und tingelt für Selfies auf Festival-Zeltplätze. Nur beim Fußball will er seine Ruhe, wie der Union-Berlin-Fan öffentlich mehrmals anmerkte.

Einen erklecklichen Anteil daran, dass er in Österreich in weniger als fünf Jahren vom Flex in die Wiener Stadthalle rückte, hatten seine Features. Songs mit Blümchen, Alligatoah, Pornosternchen Mia Julia, Saltatio Mortis oder Matthias Reim rückten ihn im deutschsprachigen Raum immer weiter nach oben. Die bewusst frauenfeindlichen und sexistischen Texte lässt er mittlerweile weg, mit dem Song „Wenn du dumm bist“ parodierte er zu Jahresbeginn rechtsextreme Denkweisen und wurde trotzdem aus diesem Flügel gefeiert. Finch macht das, was er sich denkt und was er will und bleibt auch im „gereifteren“ Stadium unberechenbar. Mit seiner bewussten Weigerung, sich vor irgendeinem Meinungskarren spannen zu lassen, passt er nicht ganz in den gängigen Zeitgeist, was ihm neben all der Kritik auch unheimlich viele Fans einbringt. Ob man Finch mag oder nicht – an seinem Erfolg ist nicht zu rütteln.

„Krone“: Finch, als dich eine „Krone“-Kollegin unlängst in Kroatien bei einem Event interviewt hat, hast du ein Dress von Rapid Wien getragen.
Finch: 
(singt) Rapid Wien – Lebenssinn.

Welches Trikot welcher Mannschaft würdest du dir niemals anziehen?
Natürlich die Trikots von Red Bull Salzburg aus Österreich und Rasenballsport Leipzig aus Deutschland. Leeds United ist mittlerweile auch in diesem Dosenkonzern drinnen. So ein alter, traditionsreicher Verein – sehr schade.

In Österreich hast du fast schon deine zweite Heimat gefunden. Letztes Jahr zwei ausverkaufte Open-Air-Konzerte in der Wiener Arena. Heuer ein Gig vor großem Publikum am Frequency, jetzt geht’s erstmals in die Wiener Stadthalle …
Man kann die Festivals untereinander aber nicht vergleichen. Wacken ist zum Beispiel eine ganz andere Liga als das Nova Rock, das aber auch noch um einiges jünger ist. Das Frequency ist auch immer geil, aber ganz anders als das Nova Rock. Österreich ist ein Markt, den ich noch nicht komplett erschlossen habe und wo ich merke, dass noch Luft nach oben ist. Auch was Albumverkäufe und die Streamingzahlen anbelangt. Für „Freitag, Samstag“ gab es schon mal Gold und „Liebe auf der Rückbank“ ging bei euch auch ziemlich gut ab, aber mir fehlt noch ein Nummer-eins-Album bei euch. Das ist ein großer Ansporn für mich.

Fleiß kann man dir nicht absprechen. Es gab fünf Alben in sechs Jahren und ständig tauchen wieder neue Singles und Kooperationen mit anderen Musikern auf. Das geht von Mia Julia über Mehnersmoos bis hin zu Matthias Reim. Gibt es auch Musiker, mit denen du nie zusammenarbeiten würdest?
Es gibt jedenfalls kein Genre, wo ich mich nicht zumindest ausprobieren würde. Ich habe gefühlt schon alles ausprobiert, da gibt es überhaupt keine Grenzen. Es gibt viele Künstler, mit denen ich gerne zusammenarbeiten würde, aber mittlerweile habe ich es auch ein bisschen satt, manchen Leuten dauernd hinterherzurennen. Das ist vor allem Features oft der Fall und deshalb möchte ich ein bisschen raus aus der Ecke. Natürlich gibt es da ein, zwei Personen, wo ein Feature ein Lebensziel wäre, aber ich konzentriere mich vorwiegend auf meine eigene Musik.

Kommen mittlerweile nicht eh schon alle Musiker auf dich zu?
Durchaus ja. Ich finde es auch viel geiler, wenn man mit kleineren, noch nicht so bekannten Künstlern zusammenarbeitet und nicht immer die großen Namen abgrast. Die Nummer „Manchmal finde ich dich scheiße“ mit Feine Sahne Fischfilet schlug ein wie eine Bombe, das macht natürlich Bock auf mehr.

Wie haben sich Kunstfigur und Marke Finch über die Jahre entwickelt? Dass du etwa bei einer Show wie „Sing meinen Song“ dabei bist, hätte man dem Finch Asozial von vor ein paar Jahren noch nicht zugetraut.
Finch wird halt immer mainstreamiger. Ich bin heute aber auch 35 und keine 26 mehr und immer der ganz Böse zu sein wird langsam langweilig und hängt mir zum Hals raus. Du kennst das sicher auch, dass man ab dem 30er oder so ein bisschen anders zu denken beginnt. Ich habe ohnehin meine Fluchttüren, wo ich noch den alten Finch raushängen lassen kann, aber ansonsten bin ich sehr andres. Und was die Musik anbelangt – Sido klingt heute auch nicht mehr so wie vor zehn Jahren. Wenn du Sido heute mit dem Sido der Anfangszeit vergleichst, findest du kaum noch Parallelen. Aber das ist eine richtig coole Karriere, die auch in den Mainstream ging, wofür er sich aber nie verkauft hat. Der hat teilweise noch immer die Fans von damals.

Aber ständig zu provozieren macht dir großen Spaß?
Na klar, provozieren macht immer Spaß – wenn man die richtigen Leute provoziert und nicht ganz glattgebügelt ist. „Sing meinen Song“ ist für mich schon hart an der Grenze, aber es ist nicht komplett weich und ich bin mir in der Sendung immer treu geblieben. Und wann sehen mich meine Mutter oder meine Oma sonst schon mal im Fernsehen? So eine Möglichkeit will ich dann auch wahrnehmen. Ich bin auf die nächste Staffel gespannt und könnte mir schon vorstellen, dass mehrere Künstler den Weg gegangen sind, den ich gegangen bin und nicht nur aus der Pop-Ecke kommen. Nicht nur Christina Stürmers, sondern auch andere.

Ist es schwierig, einerseits dem steigenden Erfolg Tribut zu zollen und verstärkt in den Mainstream zu gehen, andererseits zu versuchen, die alten Fans nicht zu vergraulen?
Deshalb mache ich musiktechnisch ab und zu wieder alte Sachen. Das neue Album „Schluss mit lustig“ ist schon sehr Pop-lastig, aber auch da ist eine Nummer wie „Never Stop“ drauf, die an die alten Zeiten erinnert. Ich mache die Mucke, auf die ich gerade Bock habe. Mal ein bisschen mehr Pop, dann wieder etwas weniger. Jetzt gerade habe ich wieder mehr Lust auf Abriss und deshalb geht die Richtung auch wieder vermehrt dorthin. Ich bin da sehr breit aufgestellt.

Das Provozieren hingegen fällt dir wahrscheinlich leichter, nachdem die Gesellschaft nur noch aus politischer Korrektheit und Cancel Culture besteht?
Mittlerweile ist völlig egal, wie und was du machst, weil du sowieso allen auf die Füße trittst. Alle fühlen sich von allem getriggert, was mich mittlerweile schon ein bisschen nervt. Kann man Musik nicht mehr einfach mal Musik sein lassen? Bei vielen meiner alten Songs kann ich schon nachvollziehen, dass sich Leute daran reiben, aber um bei den neueren was zu finden und sich Ecken und Kanten einfallen zu lassen, muss man schon sehr unentspannt mit sich selbst sein.

Gibt es mittlerweile Grenzen, die du in puncto Provokation nicht mehr übertreten würdest? 
Ach, vielleicht die Dinge aus meiner Battle-Rap-Zeit. Das war eine ganz andere Art von Musik, da würde ich heute einiges nicht mehr so sagen wie damals. In meinen Songs heute geht es mir nicht mehr darum, auf Krampf zu provozieren. Es ist das leichteste überhaupt, einen Track zu machen und gegen alles und jeden zu schießen, aber das ist mir zu simpel. Ich habe immer versucht, mit Köpfchen zu provozieren, weshalb immer die richtigen Leute getriggert sind und deshalb hat es auch so großen Spaß gemacht. Im Endeffekt steht aber die Musik im Vordergrund – das war mir immer das Wichtigste.

Sehr viele Leute verstehen die Doppelbödigkeit deiner provokanten Texte nicht oder lassen sich bewusst hinters Licht führen. Lässt du zu viel Raum für Missverständnisse?
Den Song „Wenn du dumm bist“ checken die Leute noch immer nicht. Der ging nie gegen eine politische Seite, sondern gegen eine bestimmte Klientel an Leuten und sofort wurde er von einer Seite vereinnahmt und gegen andere verwendet. Mich wollten die Menschen schon immer in dieses oder jenes Camp stecken, ich bin das gewohnt. Langsam könnten sich aber mal beide Seiten an der Nase fassen und sich selbst fragen, ob sie im Leben alles richtig gemacht haben.

Adelt es einen Songwriter aber nicht auch, wenn einen Song schreibt, dass er nicht so eindeutig zu dechiffrieren ist?
Das ist das Beste, was du machen kannst. Wenn die Leute meine Texte nicht verstehen, ist das nicht mein Problem. Musik muss nicht immer so weichgespült und durchsichtig sein. Wenn K.I.Z. einen neuen Song herausbringen, wird der garantiert nicht hinterfragt werden. Die haben aber genauso doppelten Boden drinnen wie ich, aber das ist die klassische Doppelmoral der heutigen Gesellschaft. Bei den einen ist es okay, wie sie Dinge machen, der andere sollte dafür gecancelt werden. Ich finde das alles sehr fragwürdig.

Warum ist dem überhaupt so und wie gehst du als Musiker, der bewusst gerne aneckt, damit um?
Die Gesellschaft ist mittlerweile komplett verweichlicht und es gibt gefühlt nur noch schwarz und weiß, nur noch dafür und dagegen. Es wird absolut alles politisiert und als Künstler sind dir da manchmal schlichtweg die Hände gebunden. Du kannst die für dich normalste Mucke machen, sie wird ziemlich sicher trotzdem in ein politisches Eck gedrängt. Wir gehen als Gesellschaft in eine ganz komische Richtung – ich schaue zu und finde das alles sehr interessant. Alles wirkt so endgültig, als müsse man für sein Leben lang zu Dingen stehen oder sie verachten. Ich gebe mittlerweile einen Fick darauf.

Im Endeffekt haben dir all die Skandale und Diskussionen um dich und deine Musik aber nie geschadet – ganz im Gegenteil.
Ich habe immer das gemacht, was ich machen wollte und mir da nie so viel überlegt, wohin das alles geht. Klar, mit Mitte 30 und einer Tochter habe ich heute andere Prioritäten im Leben, aber die Karriere wächst trotzdem und so soll es auch weitergehen. Mir macht es auch großen Spaß zu sehen, dass ich mit Mitte 30 noch immer die jungen Menschen erreiche, die nachkommen – das gelingt auch Leuten wie Sido oder Kontra K, die ich sehr schätze. Ich komme bei den Kids an und es gibt keinen Bumerang-Effekt.

Bist du dabei immer voll authentisch und ist Authentizität für dich ein besonders wichtiger Bereich?
Wir fahren auf allen Festivals mit dem Trabi rüber auf den Zeltplatz und hängen da mit den Leuten ab. Ich liebe es, auf der Bühne zu stehen, aber das ist mir im Sommer immer das allerliebste. Ein Festival findet auf dem Zeltplatz statt und dort lernst du die Leute hautnah kennen, bist in einem realistischen Austausch mit ihnen. Auf der Bühne herrscht eine Distanz, die man nicht wegkriegt. Ich habe früher auf Festivals auch immer gecampt und gezeltet, um die volle Atmosphäre aufzusaugen. Teilweise sogar noch zu Zeiten, wo ich selbst schon Künstler war und erste Hörer hatte – das waren die besten Erlebnisse. Irgendwann musste das natürlich aufhören. Wenn du nur Tagesgast bist oder im Hotel übernachtest, nimmst du den Spirit nicht mit. Diesen Dreck, den Schweiß, den Sonnenbrand und die geilen Gespräche. Ich empfehle auch allen anderen Künstlern, auf Festivals mal normal Runden zu ziehen, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen und das Festival in sich aufzusaugen. Da reicht es aber nicht, dauernd im Backstage zu bleiben.

Die Ruhe vor dem Bühnensturm: Rapper Finch beim Frequency im Gespräch mit „Krone“-Redakteur ...
Die Ruhe vor dem Bühnensturm: Rapper Finch beim Frequency im Gespräch mit „Krone“-Redakteur Fröwein.(Bild: Andreas Graf)

Auf dem Zeltplatz herumzukurven ist für dich heute aber auch schon relativ schwierig …
Nö, das geht schon noch gut. Die Leute sind meistens sehr cool und verbinden sich ganz natürlich mit uns. Natürlich gibt es welche, die nervig sind und es übertreiben, aber ich mache allen sehr deutlich klar, wo die Grenze ist und wo es nicht mehr weitergeht und das wird für gewöhnlich auch respektiert. Natürlich kann ich nicht mit allen 300 Menschen vor dem Trabi einzelne Selfies machen, aber dann gibt’s eben mal Gruppenfotos und Gruppenvideos und die landen dann in der Instagram-Story. Es gibt für alles Mittel und Wege, aber mit den Zeltplatzbesuchen möchte ich nicht aufhören. Man sollte sich als Künstler generell nie komplett abkapseln und sich die Fanarbeit ersparen. Das finde ich ziemlich schwierig.

Die Show heute Abend in der Wiener Stadthalle ist der nächste große Schritt – danach kannst du in Wien nur noch im Happel-Stadion auftreten. Welche Ziele setzt du dir, wenn du im deutschsprachigen Raum eigentlich schon fast alles erreicht und gespielt hast?
Livetechnisch geht immer noch mehr. Eine Stadthallen-Show ist schön – eine zweite wäre das nächste Mal noch cooler. Ich erinnere mich noch sehr gerne an die zwei Arena-Open-Airs im Sommer 2024 zurück – was für eine geile, abgefuckte Location. Die Hütte haben wir zweimal bis auf den letzten Platz vollgemacht - das war megageil. Ich habe prinzipiell große Lust auf Freiluftshows. Außerdem gibt’s in Wien noch den Endboss – das Donauinselfest. Wenn du das, wie RAF Camora, als Österreicher spielst, ist das nochmal ein anderes Level, aber das würde ich gerne mitnehmen. Angefangen haben wir damals im Wiener Flex vor etwa 400 Leuten. Jetzt füllen wir zweimal das Open-Air-Gelände der Arena und kommen in die Stadthalle. Die Schritte passen und wir arbeiten uns gut vor. Ich bin gerne in Österreich und habe hier noch viel vor.

Live in Wien
Heute Abend, am 4. Oktober, spielt Finch seine bislang größte Österreich-Show in der Wiener Stadthalle. Ein paar Restkarten an der Abendkassa könnte es noch geben.

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