Die Strahlentherapie (Radioonkologie) erfährt oft nicht jene Aufmerksamkeit, die sie verdient! Dabei ist die Heilung von Krebs häufig nur mit dieser möglich. Durch den Einsatz modernster Technologien werden Tumorerkrankungen in allen Krankheitsstadien mit höchster Präzision behandelt. Auch zur Linderung onkologischer Beschwerden leistet sie einen wichtigen Beitrag.
50 Prozent aller Krebspatienten, und zwar in fast allen Krebsarten, erhalten Strahlentherapie! Dennoch geht diese manchmal fast unter, hört man doch viel eher von anderen innovativen Behandlungen, die gerade Furore machen. Dabei gibt es auch hier große Fortschritte, schließlich fand diese Art der Therapie ihren Anfang bereits vor über 100 Jahren.
„Wir sind keine Radiologen, werden aber oft mit ihnen verwechselt“, machen die Experten gleich am Anfang klar. „Wir sind ein sehr patientenzentriertes Fach“, erläutert Prof. Dr. Franziska Eckert, erste stv. Klinikleitung der Universitätsklinik für Radioonkologie in Wien, Comprehensive Cancer Center von MedUni Wien und AKH Wien. „Wir begleiten unsere Patienten durch die Therapie, sehen sie in der Nachsorge und haben eine eigene Station, wo wir Patienten stationär versorgen können. Im Vergleich zur medizinischen Onkologie hingegen sind wir sehr technisch orientiert.“
Von Kopf bis Fuß wird behandelt
Radioonkologen haben mit fast allen Krebsarten, gleichsam von Kopf bis Fuß, zu tun. „Und unser Therapiespektrum reicht von Behandlungen im Frühstadium bis zur Palliativbestrahlung, um etwa Patienten mit Knochenmetastasen Schmerzerleichterung zu ermöglichen“, erklärt Prof. Dr. Maximilian Schmid, zweite stv. Klinikleitung der Uniklinik für Radioonkologie in Wien. „Als klassisches Beispiel für unser Handeln am Anfang einer Tumorerkrankung: Ein kleines Lungenkarzinom können wir in einer bis fünf Bestrahlungen genauso gut wegbekommen wie ein Chirurg.“ Gerade im Frühstadium ist eben die Bestrahlung vor allem auch bei älteren Menschen eine gute Alternative. Dies wird individuell entschieden.
Die Radioonkologie arbeitet nicht nur in einem breiten Spektrum, sondern auch sehr interdisziplinär. Die Experten an der MedUni Wien sind in rund 25 Tumorboards pro Woche vertreten. Sie sprechen sich genau mit allen Behandlern des jeweiligen Patienten ab, um das Beste für diesen zu erreichen. Vielfach wird die Bestrahlung mit anderen Behandlungen wie Immun- oder Chemotherapie kombiniert.
Was genau ist Strahlentherapie?
Vom Ablauf her kann man die Bestrahlung mit der Aufnahme einer Computertomografie vergleichen. Das hochmoderne Gerät, der sogenannte Linearbeschleuniger, fährt gleichsam um einen liegenden Patienten herum und zielt mit gewissem Abstand auf den Tumor. „Das ist der ganz wesentliche sowie herausfordernde Punkt für uns, nämlich, dass man diesen Tumor zielsicher treffen möchte und das Gewebe rundherum möglichst nicht. Und das gelingt mit der modernen Technik heute sehr präzise“, so Prof. Eckert.
Dafür muss der Patient überdies genau positioniert werden. Zum Teil werden dafür Markierungen an der Haut angezeichnet oder (z.B. für Gehirntumoren) Masken angefertigt, damit der Patient korrekt liegt. Dann erst kommen im Rahmen des, auch durch KI-Unterstützung berechneten, individuellen Bestrahlungsplans hochenergetische Röntgenstrahlen in einer millimeterweise dreidimensionalen Dosisverteilung zum Einsatz.
Die Anzahl der Behandlungen wird individuell festgelegt und reicht von einer Sitzung bis sieben Wochen (jeweils Montag bis Freitag, also 35 Mal).
Künstliche Intelligenz im Einsatz
Um das zu erreichen, werden die Radioonkologen immer häufiger durch Künstliche Intelligenz unterstützt. „Am Anfang einer Therapie werden mittels Bildgebung (Planungs-Computertomografie), über die ein Algorithmus läuft, alle Normalgewebe, also z.B. Hirn, Herz, Lunge und entsprechende Substrukturen kontrolliert und eingezeichnet. Die Ergebnisse werden natürlich durch Menschen kontrolliert. Aber früher mussten wir das händisch für jeden Patienten machen“, fasst Prof. Eckert zusammen.
Manche Patienten machen sich Sorgen, nach der Therapie radioaktiv verstrahlt zu sein. Das ist natürlich nicht der Fall!

Prof. Dr. Franziska Eckert, erste stv. Klinikleitung der Uniklinik für Radioonkologie in Wien.
Bild: Ale Zea
KI hilft auch bei Neuberechnungen des Planes, denn im Rahmen von längerfristige Behandlungen kommt es zu anatomischen Veränderungen, z.B. wird der Tumor etwa kleiner. Körperliche Bewegungen während der Therapie, z.B. einfach „nur“ Atmen, können bei der Bestrahlung ebenfalls berücksichtigt werden.
Schmerzfreie, kurze Behandlung
„Bestrahlung lebt enorm von Qualitätssicherung, denn von dieser Behandlung sieht man nichts, hört man nichts, aber es gibt natürlich eine biologische Wirkung. Daher kontrollieren wir alles ganz genau“, gibt Prof. Eckert zu bedenken. „Im Wiener AKH kommen ca. 150 bis 200 Patienten pro Tag zu uns. Wir haben drei Mitarbeiter pro Bestrahlungsgerät, damit alles gesichert abläuft.“
Die Behandlung selbst dauert dann jeweils ein paar Minuten. „Der Patient spürt dabei nichts. Das heißt aber nicht, dass es keine Nebenwirkungen geben kann. Das richtet sich aber sehr nach der Intensität der Bestrahlung und der Lokalisation“, erklärt Prof. Schmid. „Im Bereich der Brust etwa sehen wir heute deutlich weniger Nebenwirkungen. Gerade diese starken Hautreaktionen, die man von früher kennt, treten heutzutage viel seltener auf.“ Ein spezialisiertes Pflegeteam begleitet die Patienten.
Wie die Strahlen auf Krebszellen wirken
Strahlentherapie verursacht DNA-Schäden in der Zelle. Wenn sich die Zelle teilen möchte, muss sie die DNA-Fäden auf die zwei Tochterzellen verteilen. Doch mit Strahlenschäden verhaken sich diese und die Zellteilung funktioniert nicht mehr. Und dadurch erklärt sich, dass sich der Tumor behandeln lässt, denn seine Zellen müssen sich teilen. Vorübergehende Nebenwirkungen, wie an Schleimhaut und Haut, sind ebenfalls logisch, da auch diese Zellen laufend nachwachsen und sich teilen.
Bin ich jetzt verstrahlt?
Manche Patienten machen sich Sorgen, nach der Therapie radioaktiv verstrahlt zu sein. Das ist natürlich nicht der Fall! „Ich erkläre es immer so: Wenn man Bestrahlung mit nach Hause nimmt, ist das ein nuklearmedizinisches Verfahren, bei dem radioaktive Stoffe in den Körper eingebracht werden. Bei der Radioonkologie hingegen nimmt man genauso wenig Bestrahlung mit nach Hause, wie man Licht aus einem hellen Raum in einen dunklen Raum mitnimmt“, so Prof. Eckert. Es gibt jedoch seltene Fälle, in denen man radioaktives Material implantieren kann, etwa bei einer speziellen Form der Radiotherapie, der „Seeds-Brachytherapie“, die in erster Linie bei ausgewählten Patienten mit Prostatakarzinom zur Anwendung kommt.
Die Cancer School ist eine Veranstaltungsreihe des Comprehensive Cancer Centers von MedUni Wien und AKH Wien für Interessierte, Patienten und Angehörige. Das neue Schuljahr 2025/26 startet am 7. 10.2025 (17.30 Uhr) mit Strahlentherapie: Exklusivführung & Vorträge in der Universitätsklinik für Radioonkologie.
Nur mit Anmeldung unter www.cancerschool.at
Bei der Strahlentherapie handelt es sich um eine lokale Behandlung. Man weiß, dass in der Umgebung des Tumors auch Krebszellen sein können. „Eventuell im unmittelbaren Weichteilmantel, aber genauso gut auch in den benachbarten Lymphknoten, die wir in unseren Konzepten mitbehandeln“, so Prof. Schmid. „Wir können dafür die Strahlendosis verteilen: Besonders hoch dort, wo der Krebs sitzt und um den Tumor herum eine mittlere Dosis. Das ist eine Stärke der Strahlentherapie, nämlich anhand der angenommenen Tumorlast zu variieren, um die beste Wirkung zu erzielen.“
Heute treten bereits deutlich weniger Nebenwirkungen auf.

Dr. Maximilian Schmid, zweite stv. Klinikleitung der Uniklinik für Radioonkologie in Wien.
Bild: feel image - Fotografie
Neue Aufgaben für die Strahlentherapie
Patienten mit Krebs leben deutlich länger als vor 10 Jahren. Durch all die neuen Behandlungen, etwa Immuntherapie oder zielgerichtete Therapie, gibt es immer mehr Patienten, die mit metastasierter Erkrankung über eine lange Zeit kontrolliert leben. Prof. Eckert: „Manchmal fängt nur eine Stelle zu wachsen an, alle anderen bleiben unauffällig. Mittlerweile gibt es ein Konzept, bei dem man die Systemtherapie beibehält und ausschließlich die wachsende Metastase punktgenau behandelt. Ob mit Chirurgie oder Strahlentherapie, wird individuell entschieden.“
Punktgenau in den Tumor
Um den Krebsherd ganz gezielt zu treffen, kommt z.B. bei gynäkologischen Tumoren mitunter auch die sogenannte Brachytherapie zur Anwendung. Hier wird vorübergehend eine radioaktive Strahlenquelle direkt im Tumor oder in dessen unmittelbarer Nähe platziert, um das umliegende gesunde Gewebe bestmöglich zu schonen.
Schmerzbekämpfung am Lebensende
Ein ganz wesentlicher Aspekt der Strahlentherapie ist die palliative Komponente. Hier steht eine Therapieform zur Verfügung, die mit sehr wenig Nebenwirkungen und wenig Last auch für den Patienten, deutliche Schmerzreduktion erreichen kann. Denn Tumore können Schmerzen verursachen, wenn sie auf Gewebe drücken oder bei Knochenmetastasen.
In Zukunft noch präziser
„Strahlentherapie ist bereits sehr präzise geworden, aber sie soll und muss noch genauer werden – weltweit wird daran geforscht, genauso wie an noch individuelleren Therapieanpassungen“, sind sich die beiden Experten einig. „Unsere Wunschvorstellung wäre, dass man vorab weiß, ob und wie ein Patient auf bestimmte Therapien reagiert. Dass wir noch genauer festlegen können, welche exakte Bestrahlungsdosis wir für welche Tumorkonstellationen benötigt wird. Der Krebs muss so entschlüsselt werden, dass er uns in Zukunft gleichsam mitteilt, wie er zerstört werden kann.“
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