Nach über einem Jahr Vorbereitungszeit sorgt der Tiroler Mädchenverein „Aranea“ ab Mittwoch für Aufsehen – und zwar mit einem Plakat in den Tiroler Bahnhöfen. Und das hat es wahrlich in sich …
„Starke Mädchen, starke Gesellschaft“ – so lautet das Projekt, an dem Leiterin Carina Pröll samt Team vom Mädchenzentrum „Aranea“ in Innsbruck unermüdlich gearbeitet hat. „Wir möchten die Öffentlichkeit für das wichtige Thema Zivilcourage sensibilisieren“, sagt sie im „Krone“-Gespräch.
Der Anlass dafür macht fassungslos. „Wirklich viele Mädchen, die zu uns kommen, berichten regelmäßig von Übergriffen verschiedenster Art in öffentlichen Räumen, bei denen Beobachter häufig wegschauen, anstatt einzuschreiten bzw. derartige Vorfälle schlichtweg verharmlosen, belächeln oder kleinreden“, gibt Pröll preis.
Angestarrt, auf Hintern gegriffen, verfolgt usw.
Beispiele gefällig? Die Mädchen werden angestarrt, es wird ihnen auf die Schenkel oder den Hintern gegriffen – vor allem, wenn es in Öffis, bei Volksfesten und Co. Gedränge gibt -, sie werden verfolgt bzw. von Einzelpersonen oder Gruppen auf unangemessene Weise angemacht. „Und meist sind Passanten anwesend, doch der Großteil schreitet eben nicht ein.“
„Somit werden sie wieder leiser“
Die Folge davon ist: „Für die Mädchen wird das zu einem ganz großen Problem, denn es wird ihnen vermittelt, dass es normal sei, wenn sie belästigt werden. Sie werden somit wieder leise, verstummen zusehends, nehmen es hin, wie es ist, und bitten keinen mehr um Hilfe. Genau das finden wir so schlimm, weil wir stets versuchen, den Mädchen mitzugeben, dass es eine Form der Stärke ist, um Hilfe zu fragen“, sagt Pröll.
Hinzu komme, dass man den Mädchen die Verantwortung abnehmen möchte. „Sie sind nie dafür verantwortlich, wenn ihnen ein Übergriff passiert. Sie fordern das nicht heraus, so wie man es ihnen oftmals kommuniziert. Diese Opfer-Täter-Umkehr muss aufhören.“ Prinzipiell könne das alles nicht weiter toleriert werden. „Deshalb schreien wir nun einmal mehr auf!“
All das, was die Mädchen bereits erleben mussten, ist hart.
Projektleiterin Carina Pröll
Nicht alle müssen nun zu Helden werden
Pröll erwarte sich jetzt nicht, dass alle Passanten zu großen Heldinnen und Helden werden und eingreifen. „Es reicht ja oft schon, wenn jemand zum betroffenen Mädchen hingeht und ihm sagt, dass das Geschehene absolut nicht in Ordnung gewesen ist.“
Erschreckend: Die Betroffenen sind teils erst zehn (!) Jahre alt. Und: Die Belästigungen gehen überwiegend von erwachsenen Männern aus, die ihre Machtposition – sie sind älter, größer, stärker, autoritärer – ausnutzen.
„All das, was die Mädchen bereits erleben mussten, ist hart. So gut wie keine von ihnen hat keine Geschichte. Und selbst wenn sie keine eigene Geschichte hat, kennt sie jemanden, der sehr wohl eine hat“, zeigt Pröll auf.
Die Gesellschaft sei dafür verantwortlich, dass Mädchen gewaltfrei leben dürfen und sich zu starken Persönlichkeiten entwickeln können. „Das funktioniert eben nur, wenn sie in einem sicheren Umfeld aufwachsen“, ist die Projektleiterin überzeugt.
Eine junge Frau (Name der Redaktion bekannt) spazierte am Samstagabend durch die Innsbrucker Innenstadt. Sie ging an einem ihr unbekannten Mann vorbei, der auf dem Gehsteig am Handy spielte. Plötzlich bemerkte sie, dass er sie verfolgte – Meter für Meter, er ließ nicht davon ab. Dann überholte er sie, drehte sich um, versperrte ihr den Weg – und tätigte verruchte Gesten begleitet von einem Pfeifen. Der Puls des Mädchens schnellte in die Höhe, (Horror-)Szenarien gingen ihr durch den Kopf. Sie hoffte auf Hilfe jeglicher Art von einer vorbeispazierenden Gruppe älterer Frauen – doch Fehlanzeige! Schließlich gab sie sich einen Ruck und versuchte dem Mann verständlich zu machen, dass sie ihre Ruhe haben will – was ihr zum Glück auch gelang ...
„Catcalling“ nennt sich diese Art sexuell anzüglicher verbaler Belästigung im öffentlichen Raum. Immer wieder hört man, dass solche Situationen „nicht so schlimm“ seien, man sich vor allem als Frau „damit abfinden“ müsse, deshalb „keine Hilfe notwendig“ sei.
Ein klares NEIN! Denn wenn sich Mädchen und junge Frauen ungut fühlen, haben sie recht! Das muss sich endlich in den Köpfen der Menschen einbrennen. Die starke Plakatkampagne von „Aranea“ hilft dabei. Respekt vor den mutigen Initiatorinnen!
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