Nur einen Tag nach dem Sturz der Mitte-Rechts-Regierung in Frankreich hat Staatschef Emmanuel Macron den bisherigen Verteidigungsminister Sébastien Lecornu zum Premierminister ernannt. Der 39-Jährige mehrfache Minister gilt als Vertrauter Macrons. Die Amtsübergabe ist für Mittwochmittag geplant.
Lecornu soll nun mit den politischen Kräften in der Nationalversammlung beraten, um den dringend nötigen Haushalt auf die Beine zu stellen, teilte der Élysée-Palast am Dienstagabend in Paris mit.
„Stärke Frankreichs“
Auch Vereinbarungen für die Entscheidungen der kommenden Monate solle er mit ihnen treffen. In der Mitteilung des Élysée-Palastes hieß es, erst im Anschluss solle der neue Premier seine Regierungsmannschaft vorschlagen. Sein Handeln solle unter anderem von der Verteidigung der Unabhängigkeit und der Stärke Frankreichs geleitet werden. „Der Präsident der Republik ist überzeugt, dass auf diesen Grundlagen ein Einvernehmen zwischen den politischen Kräften im Respekt der Überzeugungen eines jeden möglich ist.“
Neuer Premier hat gewissen Drhat zu Marine Le Pen
Von den Konservativen kommend wurde Lecornu 2017 in die Mitte-Regierung von Édouard Philippe berufen. Lecornu wird nachgesagt, einen gewissen Draht zu und Respekt von der rechtsnationalen Führungsfigur Marine Le Pen zu haben. Er gilt als Politiker, der von der bürgerlichen Rechten toleriert wird und dem im linken Lager zumindest keine krasse Ablehnung entgegenschlägt.
„Letzte Kugel“
Die rechtspopulistische Fraktionschefin Marine Le Pen warf Macron vor, seine „letzte Kugel“ abzufeuern. Grünen-Chefin Marine Tondelier nannte die Ernennung eines weiteren Premierministers aus dem Regierungslager – das bei den Parlamentswahlen nur auf den zweiten Platz gekommen war – eine „Provokation“.
Vertrauensfrage verloren
Frankreichs Minderheitsregierung von Premier François Bayrou ist am Montag gescheitert. Das Mitte-Rechts-Kabinett verlor eine Vertrauensfrage in der Nationalversammlung krachend. 364 Abgeordnete stimmten gegen die Regierung, nur 194 Abgeordnete sprachen ihr das Vertrauen aus. Bayrou reichte daraufhin den Rücktritt der Regierung bei Macron ein. Um das Präsidentenamt ging es bei dem Votum nicht. Dennoch war der Vorgang auch eine Schlappe für Macron.
Entscheidend ist das vor allem mit Blick auf den Haushalt. Das hoch verschuldete Land muss seinen Sparkurs stabilisieren und ein Budget für das kommende Jahr verabschieden. Wie einer neuen Regierung dies angesichts der weit auseinander liegenden Positionen im gespaltenen Parlament gelingen wird, ist unklar.
Komplizierte politische Ausgangslage erschwert Regieren
Seit der Parlamentswahl im vergangenen Jahr ist die Nationalversammlung tief gespalten. Macrons Mitte-Leute, Le Pens Rechtsnationale und das linke Lager stehen sich als drei große Blöcke gegenüber. Eine eigene Mehrheit hat keiner von ihnen. Barniers Regierung hing von den Rechtsnationalen ab und scheiterte, Bayrou ließ sich erst von den Sozialisten dulden, verspielte dann aber deren Gunst.
Auch unter der neuen Regierung dürfte es ein Balanceakt werden, mit der politischen Ausgangslage zu regieren. Lagerübergreifende Koalitionen sind in Frankreich unüblich. Statt Kompromisssuche wird im Parlament eher ein Konfrontationskurs gefahren.
Proteste geplant
Die Amtsübergabe ist für Mittwochmittag geplant. Für den Tag haben zahlreiche Gruppen und Aktivisten in Onlinediensten zu Protest- und Blockadeaktionen aufgerufen. Etwa 80.000 Sicherheitskräfte sollen Ausschreitungen verhindern. Im Bahn- und Flugverkehr wird mit Ausfällen und Verspätungen gerechnet. Eine zentrale Organisation oder einen Anführer der Protestbewegung gibt es bisher nicht. Es bestehen aber Befürchtungen, dass die Proteste länger anhalten könnten.
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