Am Großglockner bohren Forscher ins Innere des Berges, um den Permafrost zu untersuchen. Was den Fels zusammenhält, beginnt zu schmelzen und das könnte die Alpen ins Wanken bringen. Außerdem muss die höchste Schutzhütte Österreichs besser im Fels verankert werden.
Mit einem Transport-Hubschrauber wurde schweres Bohrgerät kürzlich auf die Adlersruhe geflogen und knapp unterhalb der Erzherzog-Johann-Hütte abgesetzt. Zwei Kompressoren gleich dazu. Ohne die Doppelpower läuft in dieser Höhe nämlich nichts, denn oben am Glockner bringen Maschinen nur die halbe Leistung.
Daneben steht Maike Offer. Die 29-jährige ist Felsingenieurin beim innovativen Salzburger Forschungsunternehmen Georesearch.
„Mit dem Intereg-Projekt FROST.INI wollen wir den Permafrost verstehen, um ein Gefühl zu bekommen, was uns in den nächsten Jahren erwartet.“
Und Österreichs höchstgelegene Schutzhütte ist längst zu einem Sinnbild für all jene Probleme geworden, die noch auf uns in den Alpen zukommen.
Der Permafrost ist ein physikalisches Problem, das uns erst seit gut 25 Jahren in den Bergen beschäftigt, aber zum Teil große Sorgen bereitet.“

Gerald Valentin, Landesgeologe Salzburg
Bild: Wallner Hannes
Risse, Spalten, Verschiebungen
Hüttenwirt Toni Riepler zeigt auf die schiefen Türstöcke: „Die Hütte setzt sich in der Mitte.“ Wer mit offenen Augen durch das alpingeschichtliche Gemäuer des Österreichischen Alpenklubs geht, erkennt die Spuren – Risse, Verschiebungen, Spalten. Seit Jahrzehnten trotzt die Schutzhütte Sturm, Schnee und Eis. Doch gegen das langsame Tauen des Permafrostbodens unterm Hüttenboden hilft kein gutes Zureden. Deshalb wird sie neu verankert und abgestützt – ein Versuch, der Natur ein Stück weit zuvorzukommen.
Bohrarbeiten im Felszahn
Die Bohrcrew stemmt sich unterdessen in die Arbeit. „In dieser Höhe ist alles eine Spur schwieriger“, sagt Vorarbeiter Georg Suntinger, während Peter Haritzer ein weiteres Bohrgestänge festschraubt. Bis zu 20 Meter tief sollen die Forschungs-Bohrlöcher in den Großglockner reichen – so zumindest der Plan. Maike: „Schlussendlich entscheidet aber der Berg. Wasseraustritte, Felsqualität, Bohrfortschritt – alles Faktoren, die bestimmen, wie tief wir tatsächlich kommen.“ Sobald die Löcher fertig sind, werden diese instrumentiert, also Temperatursensoren im Berg installiert.
Dass der Permafrost einmal ein so großes Risiko darstellen wird, ist ein relativ junges Wissen. „Als man vor Jahrzehnten in den Alpen Seilbahnen, Straßen und Hütten baute, war er noch kein Thema“, erklärt Maike. Doch mit dem Klimawandel hat sich das geändert. Mehr Hitze im Sommer bedeutet mehr Auftauen, Wasser dringt tiefer ein, der Fels verliert an Halt.
Steinschläge, Felsstürze, Schäden an Bauwerken – die Liste wird immer länger.
Beim Projekt FROST.INI geht es darum, Gefahren erkennen, rechtzeitig gegensteuern, und Empfehlungen aussprechen, wie Infrastruktur gesichert werden kann. Ein Blick über die Grenze: In den italienischen Dolomiten wird bereits eine Seilbahnstation auf der Tofana mit einem Kühlsystem stabilisiert. Dieses hält den Untergrund künstlich gefroren, verhindern ein Absacken. „Für diesen Standorte funktioniert das gut. Aber wir können nicht die gesamten Alpen runterkühlen“, sagt die Forscherin.
Während in Österreich gerade erst den dritten Messstandort mit Bohrlöchern errichtet, betreibt die Schweiz längst ein ganzes Netzwerk: 27 Permafrost-Standorte misst das Projekt PERMOS zwischen 2200 und 3500 Metern.
Drohnenblick in die Zukunft
Operator Robert Delleske von Georesearch steuert unterdessen eine Drohne, bestückt mit Radar und hochauflösenden Kameras über den Großglockner. Damit wird ein „digitaler Zwilling“ des Großglockners erstellt. Mit der Radartechnologie können die Forscher unter die Gletscherdecke blicken und berechnen, wie sich das Eisvolumen zurückzieht. So können heute neue Wege geplant werden, die in zehn oder fünfzehn Jahren nötig sein werden, wenn die Eisfelder verschwinden.
„Ich mag keine Horrorszenarien, aber auch hochalpine Schutzhütten-Standorte werden aufgegeben werden müssen, weil die Berg sich verändern“, so Maike.
Denn das langsame Auftauen des Permafrostbodens werden wir nicht aufhalten können. „Das Ziel ist es vielmehr, zu erkennen, wo Gefahr droht, und dafür Lösungen vorzubereiten“, sagt die Felsingenieurin.
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