Filigraner Belcanto trifft auf starr rotierende Bühnenmaschinen: Der deutsche Regisseur Ulrich Rasche inszeniert in Salzburg Donizettis „Maria Stuarda“ – Premiere ist am 1. August. Die „Krone“ hat ihn bei den Proben im Großen Festspielhaus besucht.
Ulrich Rasche gilt als archaischer Theater-Maschinist. In seinen strengen, schwarz-weißen Inszenierungen spielen monumentale Bühnenbauten eine zentrale Rolle. Die Figuren sind darauf ständig in Bewegung. Bei den Salzburger Festspielen inszeniert der deutsche Regisseur diesen Sommer Donizettis Oper „Maria Stuarda“. Ein Gespräch über die Mechanismen der Macht, digitale Überforderung und das Verhältnis Mensch-Maschine.
„Krone“: Was hat Sie daran gereizt, gerade „Maria Stuarda“ in Salzburg zu inszenieren?
Ulrich Rasche: Zunächst war es der Widerspruch zwischen Donizettis emotional aufgeladener Musik und der politischen Härte der Handlung, der mich gereizt hat. Mich interessiert, was unter der Oberfläche dieser Musik liegt – und wie man daraus eine gegenwärtige Lesart entwickeln kann.
Die Körper auf der Bühne geraten in ein System, das sie formt, zwingt und manchmal auch vernichtet.
Ulrich Rasche, Regisseur
Bestimmend sind ihre Bühnenbauten, Scheiben, Walzen, Käfige, die sich bewegen. Welche Rolle spielt die Bühne in Salzburg?
Die Bühne ist ein Raum der Konfrontation und der Kontrolle. Die rotierenden Scheiben zeigen zwei Frauen im permanenten Wechselspiel von Nähe, Trennung und Überwachung – sie geraten in eine Mechanik, die größer ist als sie selbst.
Wenn die Figuren meist in Bewegung sind: Wie lässt sich das mit dem Singen vereinbaren?
Bewegung muss immer aus der Musik heraus entwickelt werden – sie darf den Gesang nicht behindern, sondern muss ihn rhythmisch und körperlich unterstützen. Das verlangt viel Abstimmung, aber ermöglicht auch ein anderes szenisches Erzählen.
In „Maria Stuarda“ trifft der fragile Belcanto Donizettis auf Ihre martialischen Scheiben. Wie passt das zusammen?
Gerade der Kontrast zwischen innerer Zartheit und äußerer Wucht interessiert mich. Die Monumentalität der Bühne legt frei, was in der Musik oft nur untergründig spürbar ist: Macht, Angst, Kontrolle, Einsamkeit.
Die Figuren werden dabei Teil der Maschinen, sind in ihnen gefangen, werden in Bewegung gehalten, können nicht entkommen. Was sind diese Maschinen für den Menschen?
Sie sind Sinnbilder für politische und gesellschaftliche Mechanismen, denen wir ausgesetzt sind. Die Körper auf der Bühne geraten in ein System, das sie formt, zwingt und manchmal auch vernichtet.
Es geht um Macht, Kontrolle und weibliche Ohnmacht in patriarchalen Strukturen – Themen, die bis heute relevant sind.
Ulrich Rasche, Regisseur
Ihre reduzierte Ästhetik bildet einen starken Kontrast zur grell bunten Bilderflut des Medienzeitalters. Ist diese Ästhetik auch Gesellschaftskritik?
Ja, in gewissem Sinne schon. Die Reduktion schafft einen Raum der Konzentration – ein Gegenbild zur permanenten Überforderung durch Bilder, Geschwindigkeit und Ablenkung.
Welche Beziehung haben Maria Stuart und Königin Elisabeth zueinander?
Es ist ein existenzieller Kampf zweier Frauen, die sich nie begegnet sind und doch untrennbar miteinander verbunden sind. Jede definiert sich über die andere – als Spiegel, als Feindbild, als imaginierte Schwester.
Warum sollte das Publikum heute „Maria Stuarda“ sehen?
Weil es von Macht, Kontrolle und weiblicher Ohnmacht in patriarchalen Strukturen erzählt – Themen, die bis heute relevant sind. Und weil es zeigt, wie sehr persönliche und politische Entscheidungen miteinander verwoben sind.
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