Zwei Jahre nach ihrem Debütalbum und dem damit gewonnenen „Polaris Music Prize“ hat die Kanadierin Debby Friday die Uhren zurückgestellt und sich musikalisch verändert. „The Starrr Of The Queen Of Life“ ist gleichermaßen ein Freistrampeln von Erwartungen, wie eine Ode an das Club-Nachtleben. Ein Plan, der durchaus aufgeht.
Der Karrierestart der kanadischen Musikerin Debby Friday war ein fulminanter – wenn man die frühen Jahre als DJ mit bewusstem Missbrauch aufputschender Substanzen außer Acht lässt. Als sich die Künstlerin irgendwann die Hörner abgestoßen hatte, suchte sie sich ein Management und kreierte einen Sound, der sich aus Industrial-Punk, 70er-Retro-Chick und partiellen Pop-Spielereien zusammensetzte und 2023 im allseits gefeierten Debütalbum „Good Luck“ kulminierte. Mit diesem gleichermaßen fulminanten wie eklektischen Debüt räumte Friday nicht nur den prestigeträchtigen „Polaris Music Prize“ ab, es folgte auch eine Welttour, die sie in ihrer Vehemenz so ausbrannte, dass sie zwischenzeitlich sogar die Stimme verlor.
Doppeldeutiges Album
Irgendwo im Prozess des Verarbeitens und zwischen ihren festgesetzten Grenzstöcken namens Verletzlichkeit und Empowerment kreierte die privat bewusst anonyme Sängerin dann Tracks, die das gegenwärtige Spiegelbild und ihre aktuelle Gefühlswelt zum Besten geben. Der Albumtitel „The Starrr Of The Queen Of Life“ ist dabei augenzwinkernd zu verstehen, weil er sich aus mehreren Zugängen zusammenstückelt. Einerseits lässt Debby damit ihrer offenen Liebe zur Astrologie freien Lauf und verknüpft ihre Lieder mit Sternenkunde und außerweltlichen Deutungen, andererseits spielen die Songs auf dem Album bewusst mit dem Klischee des Star-Tums. Hedonismus und Dekadenz kennt Friday aus ihren alten DJ-Tagen zur Genüge – als vielbeachtete Sängerin mit aufstrebender Fanbase quer über den Globus ist sie Jubelbekundungen und Zuspruch mittlerweile gewohnt, was wiederum zum inhaltlichen Spiel mit der Prominenz ausartet.
Dabei ist das Zweitwerk in erster Linie vor allem eines - eine klare und zuweilen drastische Abkehr von dem Sound, mit dem viele Menschen Debby Friday vor zwei Jahren kennengelernt haben. Von der düsteren Stimmung ist nicht mehr viel übrig, stattdessen taucht sie verstärkt in ihre Vergangenheit ein. Songs wie „All I Wanna Do Is Party“, „In The Club” und „Lipsync” sind absolute Dancefloor-Kracher, die sich klanglich aber eher am Berghain als an der ländlichen Höhlendisco orientieren. Sprich: Der Sound ist modern und ballernd auf Angriff gebürstet und hat nichts mit allgemeingültiger Massentauglichkeit zu tun. „Die ersten fünf Songs auf dem Album erzählen die Geschichte von den Gipfeln und den Tälern“, gab Friday in einem Statement zum Album bekannt, „sie repräsentieren das Ende der alten Welt und den Auftakt einer neuen.“
Kurz die Orientierung verloren
Mit dem Erfolg und einer erhöhten Aufmerksamkeit von außen kamen bei Debby Friday auch viele Stunden der Reflexion und des Innehaltens. Zahlreiche Beziehungen in unterschiedlichen Ausformungen liefen aus oder wurden hinterfragt – so trennte sie sich etwa von ihrem Management und begann die Zügel selbst in die Hand zu nehmen. „Es war längst an der Zeit und ich habe sehr lange darüber nachgedacht, aber psychologisch hat mich dieser Schritt fertiggemacht. Ich lege sehr viel Wert auf meine zwischenmenschlichen Beziehungen. Vor allem auf jene, die seit den frühen Tagen meiner Karriere konstant sind und so fühlte ich mich nach dieser Trennung auch sehr allein.“ Ausgerechnet eine weitere Tour half Friday wieder auf die Füße. „Ich habe mich gefunden und nach dem Warum gefragt. Warum mache ich all das noch? Was will ich überhaupt und wer möchte ich in dieser Welt sein?
Inspiriert von dieser sanften Art der Quarterlife-Crisis fand Friday dann aber den Glauben an sich selbst zurück und durchlebte ein buntes Panoptikum an Emotionen, deren Schlagworte man durcheinandergewirbelt auf einen Wunderbaum hängen könnte: Expansion, Mut, Hoffnung, Starpower, Freundlichkeit, Glück oder der Wille zur Veränderung. Der australische Produzent Darcy Baylis erwies sich als perfekter Kreativpartner in Crime. „Unsere Verbindung war unerwartet, aber wir haben sehr viele Gemeinsamkeiten aus der dunklen Seite des Lebens. Sucht, Überdosis und Mental-Health-Probleme sind nur ein paar davon. Baylis findet einen Weg, Friday den nötigen Zuspruch zu geben. Er forciert nicht nur ihre Stärken als Sängerin, sondern schaufelt ihr auch eine gehörige Portion Selbstvertrauen zu. „Ich würde mich im kreativen Bereich als Maximalistin bezeichnen, er ist definitiv der Minimalist. Wenn wir uns dann aber in der Mitte treffen, dann macht das mit uns beiden was. Es ist wie eine Art der Transformation.“
Der Weg ist das Ziel
Zwischen all der Party und den pumpenden Beats gibt es bei Debby Friday aber auch Momente der persönlichen Ruhe und der inneren Einkehr. Im sanften „Alberta“ lässt sie sich fallen und trägt ihr Innenleben nach außen, was dem wilden Treiben gut zu Gesicht steht. Überhaupt wird in der zweiten Albumhälfte bei Songs wie „Leave“ oder dem Closer „Darker The Better“ deutlich vom Gaspedal gegangen und wieder in Richtung des Debütalbums gegangen. Sperrige Industrial-Klänge sind in der neuen Klangrealität von Debby Friday aber nicht mehr vorstellbar. Dass sie dabei gerade die Karrierewege von Doja Cat oder FKA Twigs schätzt, ist kein Wunder – Friday geht steil in diese Richtung, wenn auch in etwas kleinerem Ausmaß. „The Starrr Of The Queen Of Life“ scheint aber der Beginn einer experimentellen und in alle Richtungen offenen Phase zu sein. Debby Friday findet sich weiterhin – und wir hören ihr dabei gespannt zu.
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