100 Jahre Ernst Jandl

Er hat uns eine ganz neue Sprache hinterlassen

Kultur
01.08.2025 06:00

Er war Provokateur, Popstar und österreichischer Avantgarde-Papst. Heute hätte Ernst Jandl seinen 100. Geburtstag gefeiert. Sein Werk ist immer noch in aller Munde.

„Was ich will, sind Gedichte, die nicht kalt lassen“, hat Ernst Jandl einmal selbst geschrieben. Tatsächlich haben viele der Gedichte, Hörspiele und Theaterstücke, die er Zeit seines Lebens veröffentlicht hat, für erhitzte Gemüter gesorgt. Denn Jandl hat darin der österreichischen Nachkriegsgesellschaft den Spiegel vorgehalten und für die Fratzen, die einem da entgegenblickten, Sprachformen gesucht und gefunden.

Kleine Sprachspiele und große Erschütterungen
Damit passte er gut zur Wiener Gruppe, die zeitgleich zu ihm den Literaturbetrieb aufmischte. Jandl fühlte sich dieser zwar verbunden, war als kompromissloser Sprach(ver-)former aber ein Monolith. Er selbst formulierte es so; „der vater der wiener gruppe ist h. c. artmann / die mutter der wiener gruppe ist gerhard rühm / die kinder der wiener gruppe sind zahllos / ich bin der onkel.“ Sein Spiel mit Sprache war so einzigartig, dass sein Stil ein eigenes Wort bekam: „jandeln“.

Doch so verspielt seine Lyrik auch immer daherkam, lagen seinem Schreiben große Erschütterungen zugrunde: Einerseits der frühe Tod der Mutter, die selbst literarische Ambitionen hatte und ihren Sohn mit in die Faszination für Sprache riss. Andererseits die Erfahrung des Krieges, in den auch Jandl einberufen wurde und dessen Auswirkungen zu einem Lebensthema wurde. Das legendäre Gedicht „schtzngrmm“ von 1966 kann man als Paradebeispiel für seine Vermischung von politischem Habitus und gewitztem Sprachspiel lesen – es ist nur eines von vielen.

Der Weg zur Literatur

  • Ernst Jandl wurde am 1. 8. 1925 in eine gutbürgerliche Wiener Familie geboren. Vater und Mutter waren sehr kulturinteressiert. 
  • 1944 wurde er an die Front geschickt, kam in ein englisches Kriegsgefangenenlager. Nach der Rückkehr studierte er Germanistik und Anglistik und arbeitete bis 1977 als Lehrer.
  • Erst ab Mitte der 1960er stellten sich erste literarische Erfolge ein, lange Zeit galt sein Werk als „zu provokant“. Erst 1984 erhielt er den Büchner-Preis und den Österreichischen Staatspreis für Literatur.

Denn Jandl konnte viel – aber was er nicht konnte, war sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen. Stets wollte er neue Formen ausprobieren, neue Wege gehen. In den 1970ern etwa arbeitete er sich am Sprachsound der Gastarbeiter ab. Mit seinem Lebensmenschen Friederike Mayröcker schuf er das Hörspiel „Fünf Mann Menschen“, in dem sie sich im Zeitraffer durch ein Leben fabulieren. Später arbeitete er viel mit Jazzmusikern zusammen, mit denen er sein Spiel mit Klang auf neue Ebenen führte. Zudem half er, die Grazer Autorenversammlung und die Schule für Dichtung in Wien aus der Taufe zu heben. Und mit dem Gedicht „ottos mops“ schuf er einen Klassiker, der bis heute ein Türöffner in die Avantgarde ist.

Große Lyrik ganz ohne Pathos
Seine Experimentierfreude und sein Humor sind auch der Garant dafür, dass Jandls Gedichte (eher untypisch für Lyrik) nie ins Pathetische kippen und dadurch auch vor Verstaubung gefeit sind. Jeder Leser, jeder Interpret seiner Gedichte, findet darin neue Nuancen und Bedeutungen.

Im Band „Ernst Jandl zum 100.“, der zum Jubiläum in seinem Haus- und Hofverlag Luchterhand erschienen ist, präsentieren heutige Autoren wie Daniel Wisser oder Marie Gamillscheg nicht nur ihr Lieblingsgedicht von Jandl, sondern lassen sich von diesem zu neuen Texten inspirieren. Es ist nur ein Beispiel dafür, dass man heute, zu seinem 100. Geburtstag, verkünden kann: Ernst Jandls Gedichte sind so heiß wie eh und je!

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