Für die FPÖ entwickelt sich der islamische Religionsunterricht immer mehr zu einer „bildungspolitischen Blackbox“. „Wenn Lehrer aus dem Ausland kommen und dort etwa nach nicht-demokratischen Grundsätzen ausgebildet werden, dann ist das nicht nur ein bildungspolitisches Problem, sondern unter Umständen auch eine sicherheitspolitische Gefahr“, warnte Bildungssprecher Hermann Brückl.
Die Zahl muslimischer Schüler ist laut Islamischer Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) in den vergangenen zehn Jahren um ein Drittel auf 104.000 gestiegen. Entsprechend hoch ist der Bedarf an Islam-Lehrkräften. Nur mit in Österreich ausgebildetem Fachpersonal kann er nicht gedeckt werden. An Bundesschulen hat fast ein Drittel der 207 Lehrer die Ausbildung im Ausland absolviert, zeigt die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der FPÖ durch das Bildungsressort.
An den Pflichtschulen gibt es laut IGGÖ aktuell 501 Islam-Lehrer, mehr als die Hälfte sind Frauen. Es sei davon auszugehen, dass ein ähnlich großer Anteil seine Ausbildung außerhalb von Österreich abgeschlossen hat, hieß es auf Anfrage. Bei den Bundeslehrkräften war dies laut Anfragebeantwortung vielfach in der Türkei.
IGGÖ: Viele „voll in Österreich sozialisiert“
In der IGGÖ wehrt man sich gegen derartige Zuschreibungen. Die Möglichkeit, Auslandsstudien in Österreich anerkennen zu lassen, sollte auch bei Religionslehrern „ohne jede Art der politischen Abwertung zur Kenntnis genommen werden“, betonte Carla Amina Baghajati, Leiterin des Schulamts der IGGÖ. Überhaupt finde sie es fragwürdig, im Ausland ausgebildete Personen prinzipiell als weniger geeignet darzustellen. Zudem seien viele dieser Lehrkräfte „voll in Österreich sozialisiert und Teil der Gesellschaft“. Dementsprechend seien sie auch in der Lage, an der Lebenswirklichkeit der Schüler in Österreich anzusetzen.
Wo nötig, würden Islamlehrer auch ganz spezifisch an der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule (KPH) Wien/Niederösterreich auf die österreichische Unterrichtssituation hin weitergebildet. Mitunter sei das auch eine verpflichtende Vorgabe aus dem Hearing für angehende Lehrkräfte, bei dem die IGGÖ auch das jeweilige Islamverständnis unter die Lupe nimmt. Hauptkriterium für die Aufnahme ist laut Baghajati, dass ein zur Lebenswirklichkeit der Schüler in Österreich passender Unterricht gestaltet werden kann. Und diesen Zugang könnten ihrer Einschätzung nach auch Personen mitbringen, die teilweise im Ausland ausgebildet wurden - auch wenn Schulpraxis in Österreich im Rahmen der Ausbildung ein Bonus im Aufnahmeverfahren ist.
Sejdini: Österreichischer Kontext fehlt
Skeptischer zeigt sich in dieser Frage Zekirija Sejdini, Professor für Islam in der Gegenwartsgesellschaft an der Uni Wien und Gründungsprofessor des Instituts für Islamische Theologie und Religionspädagogik an der Uni Innsbruck. Auf nicht in Österreich ausgebildetes Islam-Lehrpersonal sollte „nur dann zurückgegriffen werden, wenn keine in Österreich ausgebildeten Personen zur Verfügung stehen, und auch nur für eine befristete Zeit, bis sich eine in Österreich ausgebildete Person findet“, betonte der Experte. Ad hoc sei der Bedarf freilich nicht allein mit Absolventen aus Österreich zu decken, teilte er die Einschätzung der IGGÖ.
Sejdini sprach sich zwar gegen Pauschalurteile zur Islamlehrerausbildung im Ausland aus. Generell seien im Ausland ausgebildete Lehrer jedoch „aus verschiedenen Gründen, vor allem aufgrund fehlender Kenntnisse des österreichischen Kontextes, aber auch des schulischen Kontextes im Besonderen, nicht geeignet, um in Österreich zu lehren“. Auch existierten im Ausland Bildungseinrichtungen und religiöse Zentren mit stark konservativ geprägtem Islamverständnis - deren Absolventen würden dieses mit hoher Wahrscheinlichkeit übernehmen.
Entscheidend für die Ausbildung hierzulande ist für Sejdini, dass diese die Religion aus einer österreichisch-europäischen Perspektive reflektiere, das kritische Denken fördere und stets interreligiös ausgerichtet sei. Der ausschließlich deutschsprachige Unterricht helfe, den „Beheimatungsprozess“ des Islam und der muslimischen Gemeinschaft in Österreich zu beschleunigen. Freilich könne man auch in demokratisch verfassten Gesellschaften oder Einrichtungen mit einem aufgeklärten Verständnis des Islam nicht ausschließen, „dass einzelne Personen konservative bis rückwärtsgewandte Positionen vertreten“.
Eigene Ausbildung in Österreich erst seit 1998
In Österreich wurde mit der Islamischen Religionspädagogischen Akademie erst 1998 die erste eigene Ausbildung für Islam-Lehrer in Österreich eingerichtet, davor wurden viele Lehrkräfte aus der Türkei geholt. Seit 2006 existiert ein Studium für Islam-Lehrer an der Uni Wien, seit 2014 auch an der Uni Innsbruck und seit 2016 an der KPH Wien/Niederösterreich.
Ein guter Teil der muslimischen Schüler wird von den Islam-Lehrern allerdings gar nicht erreicht. In Wien waren laut der Stadt im vergangenen Schuljahr fast 40 Prozent vom islamischen Religionsunterricht, der oft nachmittags oder an einem anderen Schulstandort stattfindet, abgemeldet. In den anderen Bundesländern dürften es wegen der schlechteren Verfügbarkeit laut einer Schätzung von Ednan Aslan, Professor für Islamische Religionspädagogik, im „profil“ noch mehr sein. Ein Teil der muslimischen Eltern würde auch den Unterricht in der eigenen Moschee und Herkunftssprache bevorzugen.
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