Live in der Stadthalle

Green Day: Eine feurige Punkrock-Galavorstellung

Musik
18.06.2025 00:41

Zum dritten Mal in nur vier Jahren schlugen Green Day Dienstagabend in Österreich auf. Dieses Mal ging es in die mit 15.000 Fans randvolle Wiener Stadthalle. Billie Joe Armstrong und Co. zogen eine Glanzshow ab, die den nicht ausgefeilten Nova-Rock-Gig aus 2024 vergessen macht. Heute Abend gibt's ein da capo in Wien – aber leider keine Konzertkarten mehr.

kmm

Je größer der Headliner, umso schwerer hat es die Vorband. Das ist eine alte Binsenweisheit, die sich schon oft bestätigte und so manch zukunftsträchtiger Combo das Leben schwer machte. Man erinnere sich etwa an Bilderbuchs Auftritt vor den Rolling Stones im Wiener Happel-Stadion. Da halfen weder das arrogante Gehopse von Maurice Ernst, noch eine mitreißende Version des Top-Hits „Maschin“. Die vornehmlich in schwarz gewandeten, vornehmlich bierbäuchigen Stones-Jünger schickten die Oberösterreicher sprichwörtlich zum Teufel. Zum Trost: es wäre definitiv auch allen anderen so ergangen.

Die Briten von Wunderhorse passen vielleicht nicht zu Green Day, aber sehr gut als Headliner in ...
Die Briten von Wunderhorse passen vielleicht nicht zu Green Day, aber sehr gut als Headliner in einen Rockschuppen.(Bild: Andreas Graf)

Triumph über die Unkenrufer
In der Wiener Stadthalle spüren Wunderhorse glücklicherweise mehr Zuneigung. Das während der Pandemie gegründete Projekt von Sänger, Gitarrist und Schauspieler Jacob Slater rockt gerne im Fahrwasser der großen 90er-Bands wie Nirvana, Weezer oder den Pixies und lässt einen dicken Schriftzug über der Bühne leuchten. Wenig Gequatsche, viel Musik, deutlich hervorstechende Rock’n’Roll-Attitüde – dazu ein Abgang ohne Verabschiedung. Herrlich! Die Punkrock-Fans sind milde gestimmt. Es gibt vereinzelte, von der stilistischen Abkehr zum Headliner überforderte Unkenrufer, der Höflichkeitsapplaus überwiegt aber. Der Combo könnte eine feine Karriere beschienen sein, auch wenn man nicht so ganz zur klanglich explosiven Ungezwungenheit Green Days passen mag.

Das Bühnensetting von Green Day war anfangs ganz auf die „American Idiot“-Scheibe aus 2004 ...
Das Bühnensetting von Green Day war anfangs ganz auf die „American Idiot“-Scheibe aus 2004 ausgerichtet.(Bild: Andreas Graf)

Die gefühlt seit Jahren ohne Unterlass tourenden Green Day hingegen wissen, was die Fans wollen. Die Tour ist zwar nach dem aktuellen (und gar nicht mal so schlechten) Album „Saviors“ benannt, bis auf drei Nummern dieses Werkes setzen Billie Joe Armstrong und Co. aber samt und sonders auf Klassiker der mittlerweile fast 40-jährigen Karriere. Die Masche des ewigen Berufsjugendlichen liegt niemandem so gut wie dem Frontmann der Kalifornier. Die Haare hochtoupieren, Sicherheitsnadel aufs Jackett geben und ein paar Striche Kajal – schon wird aus einem 53-Jährigen ein … na ja, kein 20-Jähriger, aber ein 53-Jähriger, der es nicht ganz erfolglos vorgibt, 20 sein zu wollen. Drummer Tré Cool schmeckt das Catering auf Tour offenbar besonders gut, dazu feuert er ohne Unterlass Drumsticks auf seine Roadies. Bassist Mike Dirnt ist – wie immer - die Coolness in Person und das rhythmische Fundament des Stammtrios, das sich live mit kundigen Musikern verstärkt.

Wie von der Tarantel gestochen fegte Billie Joe Armstrong über die Bühne.
Wie von der Tarantel gestochen fegte Billie Joe Armstrong über die Bühne.(Bild: Andreas Graf)

Furioser Auftakt
Während Green Day ansonsten mit ausladenden Shows punkten, setzt man bei der aktuellen Tour auf Verknappung. 105 Minuten dauert die Hit-Revue und ist dabei kein Gramm zu fett ausgefallen. Das liegt vor allem daran, dass das Trio an diesem Abend eine enorme Spielfreude aufweist. Das Bühnensetting protzt mit massiven Verstärkerwänden, ausladenden Videowalls und einer atemberaubenden Lichtshow, dazu prangt anfangs das ikonische „American Idiot“-Artwork, eine in die Luft gereckte Hand mit herzförmiger Granate, von der Bühne. Wer die gut zehn Minuten diverser Intros zwischen Queen, den Ramones und einem torkelnden Plüschhasen überstanden hat, wird mit einem furiosen Eröffnungstriple erfreut. Der Song „American Idiot“ endet mit einer markigen Explosion, in „Holiday“ gibt Armstrong US-Präsident Donald Trump eine verbale Watschn mit und für „Know Your Enemy“ holt er sich einen jungen weiblichen Fan aus dem Publikum, um den Song gemeinsam zu singen und sie zum Stagediving zu animieren.

Green-Day-Bassist Mike Dirnt gewinnt im Alter zunehmend an Coolheit dazu.
Green-Day-Bassist Mike Dirnt gewinnt im Alter zunehmend an Coolheit dazu.(Bild: Andreas Graf)

Die Österreicher lieben Green Day und Green Day lieben Österreich – diese Rechnung geht – bei für Stadthallen-Verhältnisse zumindest in der Mitte erstaunlich gutem Sound – voll auf. Nach dem etwas überlangen und zuweilen angestrengten Auftritt vor fast genau einem Jahr beim Nova Rock sind Armstrong und Co. heute in absoluter Bestform. Der Frontmann scherzt, lacht und springt topfit über die Bühne, während seine Band ihm den nötigen Rückhalt für die musikalische Ego-Show an der Front bietet. Dass das Hauptriff von „Boulevard Of Broken Dreams“ schon sehr stark an Oasis‘ „Wonderwall“ erinnert – geschenkt. Green Day sind zu Recht die Speerspitze ihres Genres, das beweisen sie an diesem Abend würdevoll. Nicht nur hat man wesentlich mehr Hits als die Konkurrenz im Talon, auch die Live-Energie ist eine ganz andere, als sie etwa The Offspring seit einigen Jahren an den Tag legen.

Schlagzeuger Tré Cool ist so etwas wie der Comedian bei der kalifornischen Punkrock-Legende.
Schlagzeuger Tré Cool ist so etwas wie der Comedian bei der kalifornischen Punkrock-Legende.(Bild: Andreas Graf)

Songs gut ausgewählt
Mit dem zuletzt 2017 live gespielten Song „86“ vom sträflich unterschätzten „Insomniac“-Album gibt es sogar eine echte Rarität, die sich aber perfekt zu Klassikern wie „Brain Stew“, „Longview“, „Welcome To Paradise“ oder „21 Guns“ einreiht. Immer wieder steigen Feuersalven in den Himmel, Springschlangen wickeln sich zu „St. Jimmy“ um die Anwesenden und während Armstrong bei „Minority“ seine Bandmitglieder vorstellt, greift er sogar kurz zur Mundharmonika. Das Schlussdrittel fällt furios aus. Während die Menge tobt, wird zu „When I Come Around“ ein aufgeblasener Zeppelin mit dem passenden Spruch „Bad Year“ durch die Menge gezogen. Beim balladesken „Wake Me Up When September Ends“ sprühen theatralisch die Funken und der Klassiker „Good Riddance (Time Of Your Life)“ funktioniert als idealer Rausschmeißer. Green Day tun gut daran, die Alben der letzten Jahre außen vorzulassen und sich auf die Klassiker zu konzentrieren – ob deren Stärke wissen die Bandmitglieder selbst. Eine Punkrock-Galavorstellung, die heute, am 18. Juni, noch einmal in der Wiener Stadthalle stattfindet – allerdings ist auch diese Show restlos ausverkauft …

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