„Krone“-Interview

Josh Homme: „Ich bin ein emotionales Wrack“

Musik
17.07.2025 09:00

Sonntagabend holten die Queens Of The Stone Age ihren 2024 gesundheitsbedingt abgesagt Wien-Gig in der Stadthalle nach. Frontmann Josh Homme und Bassist Michael Shuman sprachen mit uns über das intensive neue Album „Alive In The Catacombs“, warum Dunkelheit im Songwriting gefährlich für die Persönlichkeit ist und weshalb man dem Mainstream auch Schräges zumuten kann.

kmm

Sonntagabend spielten die Queens Of The Stone Age vor rund 7500 Fans in der Wiener Stadthalle. Dass es nach achtjähriger Abwesenheit bei uns überhaupt so weit kam, ist wie ein kleines Wunder. Josh Homme überstand vor einigen Jahren eine nicht näher definierte Krebserkrankung, im Sommer 2024 musste er die Tour wegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung absagen. Der 52-Jährige hat sich von allem erholt und mit seiner Band unlängst das famose Album „Alive In The Catacombs“ veröffentlicht. Als erste Band überhaupt durften die Amerikaner in den Pariser Katakomben ein Konzert aufzeichnen – geschehen ist das im Juli 2024, wo Homme hohes Fieber hatte und nur wenige Tage, bevor die Krankheit lebensgefährlich wurde.

Die Queens Of The Stone Age sind seit knapp 30 Jahren dick im Geschäft. Homme war Gitarrist und Songwriter der Stoner-Rock-Kultband Kyuss, bis man 1995 in Unfrieden auseinanderging (ein Comeback scheint aber realisierbar zu ein, wie er zuletzt öfters erwähnte). Nach einigen Jobs bei anderen Bands (Screaming Trees, Soundgarden etc.) gründete Homme die Queens Of The Stone Age, die seit 2013 im derzeitigen Line-Up unterwegs sind und mit durchaus eigenwilliger, melancholisch-schwerer Gitarrenmusik den Weg in den Mainstream schafften. Diverse Skandale und Skandälchen hat der nicht immer pflegeleichte Bandboss mittlerweile ausgesessen, die aufkommende Altersdemut steht ihm gut zu Gesicht. Am Rande des Wien-Gigs kamen wir ins Gespräch.

„Krone“: Josh, Michael – am Sonntag konntet ihr eure für Sommer 2024 in der Wiener Metastadt avisierte Show in der Wiener Stadthalle nachholen. Hier in Europa spielt ihr ein paar Konzerte im normalen Setting, in den USA startet im Herbst eine kleine Tour zum Live-Album „Alive In The Catacombs“, das ihr letzten Juli unter extremen Umständen in den Pariser Katakomben eingespielt habt. Wie unterschiedlich verlaufen die Vorbereitungen auf diese verschiedenen Settings?
Josh Homme:
 Wir haben noch keine von diesen „Catacombs“-Konzerten gespielt, aber die Vorbereitung darauf erfordert einen anderen Fokus. Um ehrlich zu sein, machen wir gerade überall ein bisschen. Wir holen nach und planen vor – das macht derzeit großen Spaß. Einmal ist es lauter, dann wieder weniger laut. Uns war immer am wichtigsten, nicht wochenlang dasselbe zu machen und dann wieder heimzufahren. Wir spielen auch keinen Abend dieselbe Konzert-Setlist, damit sich jeder Tag speziell und anders anfühlt. Ansonsten wäre das wie in einem regulären Job und das ist die für mich die schlimmste aller Vorstellungen.

Die Intensität des „Catacombs“-Album ist schon eine ganz besondere. Wie kann man diese einzigartige Stimmung auf eine Bühne mitnehmen und dort wiedergeben? 
Homme:
 Der Luxus daran, wenn du bei einer Aufnahme wirklich alles wegnimmst und dich bis auf die Knochen ausziehst ist, dass alles, was noch übrigbleibt, umso intensiver wirkt. Das wiederum sorgt für eine Leere und Bedrohlichkeit, die manchmal ganz guttut. Wir haben auch sehr dunkle Songs im Repertoire und es ist manchmal schwierig, sie zu singen. Wenn ich unser Lied „I Appear Missing“ singe, fühle ich mich manchmal emotional ganz woanders hingetragen. Ich muss aufpassen, denn wenn mir das zu oft passiert, wird es für mich gefährlich, weil es so eine Endlichkeit besitzt. Das „Catacombs“-Projekt war so besonders, dass wir das Ergebnis des Albums so nie voraussehen konnten. Es gibt keine Chance, diesen Moment zu reproduzieren, aber wir alle freuen uns darauf, diesen Moment wieder zu erleben und anders zu gestalten. Wichtig ist nur, gar nicht erst zu versuchen, diese Aufnahmetage zu wiederholen.

Ein Album unter diesen Umständen in dieser Umgebung aufzunehmen sagt aber auch aus, dass ihr sehr wohl nach dieser leeren Dunkelheit sucht. 
Homme:
 Möglicherweise, aber selbst in diesem Kanon gibt es Elemente, die uns Freude bringen und im positiven Sinne aufregend sind. Der Song „Villains Of Circumstance“ dreht sich darum, sich nach seiner Familie zu sehnen und das Glück nur durch kleine Fenster zu anderen Familien zu sehen. Einerseits ist es also furchtbar, so ein Gefühl zu erleben, andererseits ist es doch großartig, wenn man weiß, dass man eine Familie hat und sie so sehr vermisst. Würde ich nur aus der Warte der Düsternis heraus schreiben, würde ich sofort wieder in Depressionen verfallen, aber wenn man immer ein Stück Freude integriert und die Dunkelheit im Songwriting damit austrickst, ist es auch nicht so schlimm, so ein Projekt zu gestalten. Aber ich weiß, dass ich bei diesem Thema vorsichtig sein muss.

Die Queens Of The Stone Age bei ihrem Auftritt in der Wiener Stadthalle vergangenen Sonntag.
Die Queens Of The Stone Age bei ihrem Auftritt in der Wiener Stadthalle vergangenen Sonntag.(Bild: Andreas Graf)

Brauchen Songs von Queens Of The Stone Age mittlerweile eine gewisse Intensität, oder suchst du manchmal bewusst den Weg zur Leichtfüßigkeit, um die Waage zu halten?
Homme:
 Wäre es so einfach, würde ich das gerne so machen. Die Beatles haben „I Want To Hold Your Hand“ geschrieben. Was für ein Statement! Es ist doch cool, wenn man einen Song über etwas schreibt, das so banal wirkt, aber emotional doch so wichtig für Menschen ist. Auch wirtschaftlich macht es mehr Sinn, wenn du eingängige Songs schreibst. Ich frage mich oft, wie intensiv kann es sein? Wie verletzlich kann ich mich zeigen? Das wichtigste Thema ist, dass etwas ganz natürlich aus dir kommt. Eine Emotion in einen Song zu verwandeln hat so viel mehr Kraft, als über das Abendessen zu singen. Es gibt Künstler wie Harry Nilsson, die können einen Song über ihren Tisch schreiben und er klingt interessant, ich finde das aber schwierig und habe nicht das Talent dafür. Wenn dein Herz frisch gebrochen ist oder du dich um jemanden sorgst und ihn abgöttisch liebst – aus dieser Intensität entstehen Lieder. 
Michael Shuman: Die Genesis eines Songs kommt für gewöhnlich aus einem tiefen, sehr dunklen Bereich der Seele. Auf der anderen Seite sind dann die Arrangements, das Produzieren und Zusammenbasteln sehr leicht und locker. Wir lachen unsere Tränen einfach weg.
Homme: Wenn du im Leben mit etwas konfrontiert bist, das sehr schwer zu bewältigen ist, ist Galgenhumor ein guter Verarbeitungsprozess. Gerade wenn du über richtig furchtbare Dinge aus deinem Leben schreibst, brauchst du eine Möglichkeit, um darüber lachen zu können. Ich habe mich selbst immer als den Fuchs in der Höhle gesehen, der darauf wartet, zuzuschlagen, wenn die Idee kommt. Am Ende des Tages bin ich aber schlichtweg ein emotionales Wrack, das mit seinen Emotionen kämpft. Ohne Humor wird das Leben für mich gefährlich.

Ein interessanter Aspekt. Wenn man mit schlimmen Dingen im Leben konfrontiert ist, gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten, damit umzugehen. Die erste ist, dass man Galgenhumor und Selbstironie einsetzt und darüber lacht. Die zweite, dass man sich davon mitreißen lässt und in eine mentale Abwärtsspirale gerät.
Homme:
 Dunkle Dinge passieren uns allen. Wenn ich etwas ganz Schlimmes an mir oder meinem Leben entdecke, lächle ich darüber, versuche es wegzuschieben und konzentriere mich darauf, wie ich nach dem Niederschlag wieder auf die Oberfläche zurückschwimmen kann. Musik zu machen oder Gedichte zu verfassen gehören für mich zu den besten Wegen, mich aus dieser Abwärtsspirale zu befreien. Viele der Songs handeln davon, an die Oberfläche zurückzuschwimmen und sich von den runterziehenden Gewichten zu befreien. Man muss diesem Monster, dem man gegenübersteht, Paroli bieten. Es als real akzeptieren, ihm einen Namen geben und es als unbeweglichen Dämon bekämpfen. So wie meinen Krebs. Das Musikmachen gibt mir – im Gegensatz zur Malerei – auch die Möglichkeit, das Gewicht dieser Schwere zu teilen, weil die Menschen meine Musik hören. Das ist der wichtige, existenzielle und tiefgreifende Teil an der Musik. Wir haben auch fröhliche, prollige und lässige Songs, die wichtig sind, um das Leben zu feiern und darüber zu lachen. Im Großen und Ganzen ist das Leben ziemlich lustig – mit ein paar furchtbaren Schlenkern dazwischen.

Doch selbst wenn du dich mit dem Song befreist und an die Oberfläche zurückschwimmst – er ist im besten Fall erfolgreich und bleibt damit relevant. Du spielst ihn weiter auf Konzerten, die Menschen wollen ihn hören und das Thema, das dich einst von etwas befreit hat, kehrt immer wieder. Beschwört man damit nicht wieder ein Monster herauf?
Homme:
 Es ist wie ein wiederkehrender Traum, weshalb die Verarbeitung eines Themas durch einen Song oft Jahre benötigt. Einerseits befreit dich ein Lied, was ein wunderschöner Moment ist, denn egal wie dunkel die Dunkelheit sein mag – du schreibst darüber, drückst dich auch und lässt sie gehen. Wenn die Leute den Song live hören wollen, erzählst du dir die furchtbare Geschichte von damals wieder und wieder aufs Neue selbst. Da kommt dann der Houdini-Aspekt ins Spiel. Man muss sich wie ein Zauberer allabendlich aus den Fesseln befreien. Man weiß, dass es gefährlich sein kann, aber man tut es für das Publikum und geht bestenfalls gestärkt daraus hervor. Das ist auch der Grund, warum Menschen Drogen nehmen. Weil es viel einfacher ist, seine negativen Gefühle damit temporär zu betäuben, als sich – wie hier – damit auseinanderzusetzen.

Hat das dann im erweiterten Sinne direkte Auswirkungen auf dein Songwriting? Wenn du etwa ein so emotionales Thema immer und immer wieder teilen musst bei Live-Shows – gehst du dann beim nächsten Songwriting emotional überhaupt noch so weit oder ziehst du viel früher eine Linie, um dich nicht wieder dieser Gefahr auszusetzen?
Homme:
 Ich war schon oft in meinem Leben auf Tour, wenn es besonders dunkel war. In diesen Zeiten muss ich mich von gewissen Songs und ihren Inhalten distanzieren und gewisse Bereiche ignorieren. Ich suche mir dann im Publikum einen Typen mit rotem Shirt. Diese Zerstreuung verhindert, dass ich emotional zu stark mit dem Moment in Verbindung gebracht werde. Ich wollte immer so echt wie möglich sein und wir sind gesegnet, dass das von den Fans angenommen wird. Wir sind eine größere Band als je zuvor, sitzen oft im Backstage und fragen uns, wie es überhaupt so weit kommen konnte. Vielleicht liegt es aber auch an all den Fehlern und Macken. Weil die Menschen sehen, dass wir echt sind. Es gibt auf dem Planeten wesentlich mehr Menschen, die unsere Musik nicht mögen als solche, die sie mögen. Das ist absolut okay, jeder soll machen, was er für richtig hält. Die Leute, die uns mögen, verstehen unseren Schmerz. Als wir das „Catacombs“-Album aufnahmen, hatte ich eine ernste Krankheit und hohes Fieber. Die Leute respektieren, dass ich unter diesen Umständen gearbeitet habe, es bleiben keine Fragen offen. Du kannst von außen sagen, dass dir dieses Album nicht gefällt, aber du kannst nie behaupten, es wäre nicht echt und authentisch.

Eure Songs waren nie für den Mainstream bestimmt, aber ihr spielt weltweit vor fünfstelligen oder zumindest respektablen vierstelligen Zuseherzahlen. Gab es früher Momente in der Band, wo du dir das vorstellen konntest oder ist dieser Zuspruch in gewisser Weise noch immer schwer greifbar?
Homme:
 Es fühlt sich ein bisschen so an, als würde man ein Stachelschwein umarmen. Als wir vor vielen Jahren in dieser Art von Mainstream ankamen, war das für mich nicht zu verstehen. Natürlich wollen alle, die eine Karriere als Musiker einschlagen, dass die Menschen ihre Musik hören und mögen, aber unser Sound war nicht für die breite Bühne gemacht. Es ging auch nie um den Mainstream-Hit. Darum, sich zusammenzusetzen und so lang an einem Song zu basteln, bis er hoffentlich einschlägt. Wir haben immer künstlerische, zuweilen komplexe Musik kreiert. Gerade beim ersten Hören sind viele Leute damit schwer überfordert, aber man arbeitet sich rein und findet einen Zugang.
Shuman: Ein guter, wirklich interessanter Song wird immer seinen Weg in die Öffentlichkeit finden. Viele Menschen haben keine Ahnung, wohin sie etwas schubladisieren oder kategorisieren sollen, wenn sie es das erste Mal hören. Am Ende sind das aber oft die besten Lieder von meinen liebsten Künstlern. Künstler, die man sich auf den ersten Eindruck erarbeiten muss, können auf andere unglaublich inspirierend sein. Im Pop-Bereich finde ich Billie Eilish am prägnantesten. Sie ist deshalb so erfolgreich, weil sie ein musikalisches Rezept genommen und sich zu eigen gemacht hat, mit ihren Zutaten. Anders, als es ein normaler Pop-Star machen würde.
Homme: Das ist der Grund, warum du fünf verschiedenen Künstlern dieselben drei Akkorde geben kannst und es wird immer etwas anderes dabei rauskommen. Wir fühlen uns seit jeher von der Seltsamkeit angezogen. Wenn ich es mir aussuchen könnte, sollen die Menschen nicht sagen, dass wir einen Hit haben, sondern sie sollen Gänsehaut kriegen, wenn sie an unseren Sound denken. Ich möchte, dass unsere Musik für sie wundervoll und unkomfortabel zugleich ist. Catchy, aber auch ein bisschen verunsichernd. Ich liebe es, eine Pop-Struktur für etwas Abgedrehtes zu verwenden.

Ihr seid als Band aber ein gutes Beispiel dafür, dass es auch im sogenannten Mainstream den Wunsch nach einer echten, schrägen, nicht perfekten Band gibt. Ihr seid das Gegenteil von manufakturiertem Pop und habt trotzdem den Sprung geschafft.
Homme:
 Diese Art von Musik scheint derzeit beliebter zu sein als je zuvor. Wir hatten auch nie den Vorsatz, groß zu werden. Heute nehmen Leute ein Instrument in die Hand oder stellen sich vor ihr Smartphone und wollen berühmt werden. Mit dem ersten Album oder dem ersten Song soll der ganz große Durchbruch gelingen. Wenn du jemanden fragst, was er möchte, dann kommt als Antwort oft „berühmt sein“ – das ist seltsam, weil es für mich kein logischer Beweggrund ist. Ich möchte mit meiner Musik jemandem im Kopf hängen bleiben, ihn inspirieren oder emotional berühren.
Shuman: Das hat eine seltsame Richtung genommen. Selbst Plattenfirmen und Künstler, die ich aufgrund ihres Geschmacks und Ausdrucks sehr schätze, setzen zunehmend auf Sicherheit und gehen keine Risiken mehr ein. Sie entwickeln sich nicht weiter. Ist das erste Album erfolgreich, wird es bis zum Erbrechen kopiert, anstatt dass man in eine andere Richtung strebt. Wir haben Glück, dass unser Label Matador Records unsere Werte teilt.
Homme: Manchmal glaube ich schon, wir sind die letzte Band, die noch so arbeitet, wie wir eben arbeiten. Von den großen Bands sind wir die kleinste und wir bestimmen alles selbst. Weder die Plattenfirma, noch unser Management hat eine Ahnung, wie wir klingen, bis wir ihnen unsere Ideen fertig vorlegen. Seit 27 Jahren haben wir keine Probleme, Konzertkarten zu verkaufen, obwohl wir sperrig sind und das tun, was wir tun wollen. Dafür bin ich sehr dankbar.

Josh Homme ist völlig bei sich.
Josh Homme ist völlig bei sich.(Bild: Andreas Graf)

Ihr könnt eure eigenen Regeln machen, weil euch der Erfolg recht gibt. Und die Leute erwarten sich dann sowieso wieder das, womit nicht zu rechnen war.
Homme:
 Das ist für uns normal. Eigentlich ist es fast immer so, dass, wenn wir ein neues Album herausbringen, erst einmal eine ganze Welle an Enttäuschung über uns schwappt und irgendwann, zwei bis drei Wellen später, auch jene des Verstehens kommt. Ich erinnere mich noch gut, als wir „Era Vulgaris“ veröffentlichten und die Leute uns regelrecht dafür hassten. Heute ist es für viele das beste Album oder jenes, mit dem sie uns so richtig erfasst haben. Für mich ist es der Übergang der älteren Queens Of The Stone Age zu den heutigen. Künstler gehen immer in verschiedene Richtungen, schlagen mal über die Stränge oder fordern Hörer heraus. Das ist auch der Grund, warum mir unser Mainstream-Status so überhaupt nicht einleuchtet. Wenn man sich immer nur stur in seiner Welt bewegt, wie kollidiert man da mit der Breite? Das schockiert uns heute noch immer.

Andererseits habt ihr euch diesen Respekt und Zuspruch erarbeitet, mit der Kunst, die ihr wolltet. Ohne Kompromisse und ohne auf die Begehrlichkeiten von außen einzugehen. Kriegt man dadurch nicht erst recht das Gefühl, diesen Erfolg vielleicht noch mehr verdient zu haben als andere?
Homme:
 Viele Musiker haben Angst, Risiken einzugehen, anstatt zu realisieren, dass ihr Erfolg sich oft auf Risiken beruft, ohne dass sie es bewusst wahrgenommen hätten. Sich selbst zu kopieren ist nicht nur langweilig, sondern auch feig. Warum sollte man die Hits von früher leicht abgeändert nachbauen? Das riecht faul und ist faul. Wir waren immer gut darin, die Meinungen von außen zu ignorieren. Wir warten nicht auf Feedback, auch nicht auf das unserer Fans, wenn wir Songs schreiben. Wir sind fünf Musiker in der Band, da gibt es schon genug Meinungen und Ansichten.

Was dann zu eurer Freiheit führt, dass euch Management und Plattenfirma und Ruhe arbeiten lassen. Gibt es denn gar keine Form von Druck, den ihr verspürt?
Homme:
 Druck hat man immer, aber mir ist dieser Art von Druck, den wir haben, lieber: Wir vertrauen euch blind, aber ihr müsst irgendwann liefern. Wir stehen zusammen im Studio und kreieren das, was wir für richtig halten. Wir geben dann das fertige Paket an die Plattenfirma ab und die Sache hat sich erledigt. Dieser Druck ist mir lieber als den Druck zu haben, musikalisch entsprechen zu müssen. In erster Linie müssen wir lieben, was wir tun, sonst wird es auch kein anderer lieben. Panik züchtet Panik und Selbstvertrauen züchtet Selbstvertrauen. Das Geheimrezept für diesen Beruf ist, dass man auf sich, sein Team und seine Musik stolz sein kann. Aus dieser Sicht ist etwa das „Alive In The Catacombs“-Album das beste, das wir je gemacht haben, weil es so pur und intensiv wie kein anderes ist. Es ist nicht traurig oder deprimierend, aber du gibst dir dazu auch keine High-Fives. Es ist schlichtweg ein intensiver Moment, den wir auf Platte verewigen konnten.

Dass du gesundheitlich bei der Aufnahme dieses Albums dermaßen am Boden warst, war natürlich auch nicht einkalkuliert, gibt dem Album aber genau diesen Rest Intensität, den andere Werke nicht haben.
Homme:
 Es sollte so sein. Die Aufnahme fand fünf Tage vor der Lebensgefahr statt, es war also schon im letzten Abdruck. Der harte Teil daran war, in diesem Moment nicht wegzurennen, sondern mich der Herausforderung zu stellen. Das sind die seltenen Momente im Leben, die dir die Chance geben zu zeigen, wer du wirklich bist. Man kommt selten in eine Lage, wo man wirklich zeigen kann, aus welchem Holz man geschnitzt ist. Das ist nicht wie beim Abendessen zu sitzen und sich durch zwei unbeliebte Vorspeisen zu würgen, bis endlich das Schnitzel kommt. Ich wusste damals noch nicht, dass diese Krankheit hätte tödlich enden können, aber das hätte wahrscheinlich auch nichts daran geändert, dass ich die Aufnahme durchziehen wollte. Man ist selbst der Hauptdarsteller seiner Geschichte, oder? Du kannst im Moment der Wahrheit nicht den Schwanz einziehen und aufhören. Was hätte ich sonst getan? Die anderen gefragt, ob sie Kaffee wollen? Diese Aufnahme durchzuziehen, war ausweglos.

Aber was kommt nach so einem Projekt? Man singt mit hohem Fieber und ernsthafter Erkrankung in den Pariser Katakomben ein Live-Album ein und steht am Rande des Abgrunds. Was soll das, bitteschön, noch toppen?
Homme:
 Wichtig ist erst einmal, dass du dir selbst eine faire Chance gibst, das zu verarbeiten. Einfach zurücklehnen, nichts tun und für einen Moment geduldig sein. Das war nie meine Stärke, aber ich habe dazugelernt. Jetzt machen wir dann die „Catacombs“-Tour und schauen, wie sich dieser Tag in einem normaleren Setting live produzieren lässt. Später im Jahr wird es auch eine Europatour geben, leider aber ohne Wien-Termin. Dann schreiben wir Musik und machen wieder etwa ganz anderes, damit wir Spaß und Spannung verspüren und ein neues Kapitel aufschlagen. Wir haben früher als Band oft versucht, uns wo reinzuzwingen und Dinge zu beschleunigen, was nicht gesund für uns war. Wir gehen alles ruhiger an und sind mittlerweile recht gut darin.

Es gibt aber fünf verschiedene Charaktere in der Band, die diese Meinung von dir teilen müssen. Seid ihr, was die Band anbelangt, immer sehr schnell auf einer Linie?
Homme:
 Wir müssen einer generellen Richtung zustimmen. Eine Umgebung schaffen, die für uns als Bandmitglieder und Freunde nicht nur angenehm, sondern auch erfolgversprechend ist. Wenn Dinge zu spezifisch werden, wird es auch wesentlich schwerer, sich miteinander einzustimmen. Wir sagen anfangs metaphorisch, dass wir gen Norden gehen und jeder ist dafür. Die Range, in der dieses Norden liegt, wird mit jedem Schritt schmaler und kleiner bis nur mehr ein kleines Fenster überbleibt. Aber da wir geduldig und langsam aufs Ziel zusteuern, geht das dann auch mit fünf Meinungen.

Loading...
00:00 / 00:00
Abspielen
Schließen
Aufklappen
kein Artikelbild
Loading...
Vorige 10 Sekunden
Zum Vorigen Wechseln
Abspielen
Zum Nächsten Wechseln
Nächste 10 Sekunden
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading
Kommentare
Eingeloggt als 
Nicht der richtige User? Logout

Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

Kostenlose Spiele
Vorteilswelt