Trotz eskalierender Kriegslage sollen 52 ukrainische Waisenkinder in der Nacht auf Sonntag vom Burgenland in ihre Heimat zurückgebracht werden. Die Rückführung sorgt für Kritik: Land Burgenland, Unterkunftgeber SeneCura und die UNHCR drängen auf eine spätere Heimreise.
Die Koffer sind gepackt, die Busse stehen bereit. Zurück bleiben viele offene Fragen. Warum müssen 52 Waisenkinder jetzt in die Ukraine zurück, obwohl dort die Raketen fliegen? Warum diese Eile? Warum kein diplomatisches Einlenken?
Am Sonntag, um 3 Uhr früh, sollen die Buben und Mädchen sowie ihre Betreuerinnen zurück in ihre Heimat gebracht werden. Nach Informationen aus dem Umfeld der Einrichtung werden die Busse bereits Samstagnachmittag beladen. „Ich traue der Ukraine auch zu, dass sie früher abfahren“, befürchtet man mit besorgtem Blick auf die eskalierende Kriegssituation. Die Rückführung wurde von ukrainischer Seite angeordnet, von den lokalen Behörden bestätigt und sorgt nun für Entsetzen.
Die UNHCR kritisiert scharf, auch der Betreiber der Unterkunft, die SeneCura-Gruppe, spricht von einem „nicht nachvollziehbaren Schritt“.
Appell aus Deutschkreutz: Haben Familien, die Kinder aufnehmen würden
Manfred Kölly, Gemeindevorstand in Deutschkreutz, bietet sogar Quartiere in seiner Gemeinde an. „Wir hätten Familien, welche die Kinder aufnehmen würden“, sagt er. Auch er plädiert, die Waisen vorerst noch im Burgenland zu lassen. „Ich appelliere an alle Zuständigen, den Kinderrechten Vorrang zu geben und die Kinder zumindest noch ein halbes Jahr hierzulassen.“
Land schickt Brief an Botschaft
Das Land Burgenland setzt sich ebenfalls für eine Verschiebung der Rückkehr ein und drängt auf eine diplomatische Lösung. Die burgenländische Einrichtung wird seit 2022 als Grundversorgungsstelle geführt und von Bund und Land finanziert. Man habe laut Landesregierung alle verfügbaren Informationen über Sicherheit und Umstände der Heimreise eingeholt.
Ein gerichtlicher Entzug der Obsorge sei aus Sicht des Landes jedoch nicht möglich. Die Botschaft ist deutlich: Die Entscheidung liegt nicht in österreichischer Hand. Sollte die Ukraine einlenken und die Rückführung verschieben, „sind die Kinder weiterhin herzlich im Burgenland willkommen.“
SeneCura kämpft vergeblich
SeneCura-Geschäftsführer Anton Kellner reagiert ebenfalls mit Bedauern: „Wir wollten diesen Kindern fernab von Krieg und Leid ein sicheres Zuhause bieten.“ Doch Gespräche mit den zuständigen Behörden blieben ohne Ergebnis. Man brachte sogar eine Anzeige wegen Gefährdung des Kindeswohls ein, erfolglos. „Warum ausgerechnet jetzt?“, fragt Kellner. Denn während die Region Kirowohrad zum Zeitpunkt der Evakuierung noch halbwegs stabil war, tobt dort heute der Krieg mit neuer Heftigkeit.
UNHCR: „Nicht freiwillig? Dann illegal!“
Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR verweist in klaren Worten auf internationales Recht: „Eine Rückführung in ein Kriegsgebiet darf ausschließlich auf freiwilliger Basis und nach sorgfältiger Kindeswohlprüfung erfolgen.“ In diesem Fall sei fraglich, ob Freiwilligkeit überhaupt gegeben ist.
Hinter den Kulissen brodelt es indes heftig: Die Rückführung der Kinder soll von ukrainischer Seite politisch genutzt werden. Als symbolischer Schritt, um der Bevölkerung zu signalisieren, dass das Land trotz anhaltender Kämpfe als sicher und stabil genug für eine Rückkehr gilt, vermuten Insider.
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