Es ist einer von ganz vielen Betriebsbesuchen, die der neue AK-Präsident - am Mittwoch waren es 100 Tage, seit er die Nachfolge von Herbert Tumpel angetreten hat - derzeit absolviert. Bei 36 Grad hält Rudi Kaske an diesem Morgen eine Rede vor den Angestellten der Blumengärten Hirschstetten in Wien-Donaustadt und posiert vor romantischer Kulisse für ein Mega-Gruppenbild.
Mitten in die Blümchen-Idylle platzt die Nachricht von der größten Insolvenz der Zweiten Republik. Alpine stellt mit 2,6 Milliarden Euro Verlust sogar die seinerzeitige Konsum-Pleite in den Schatten. Wieder bangen irgendwo draußen Tausende Menschen um ihre Arbeitsplätze.
In einem Original-Bauernhaus aus dem Weinviertel, abgetragen und auf dem Areal der Gärten neu aufgebaut, sitzt Rudi Kaske und analysiert trocken und unmissverständlich die triste Lage. "Ich halte es für entbehrlich, wenn manche nun versuchen, Panik zu verbreiten. Vielmehr gilt es kühlen Kopf zu bewahren." Er hat nichts Hemdsärmeliges oder Polterndes – ist eher von der leisen Sorte Mensch. Aber mit einem sehr feinen Humor.
"Krone": Wie erleben Sie die Mega-Pleite bei der Alpine?
Rudi Kaske: Emotional berührt mich das sehr... Jetzt müssen schnell alle Informationen auf den Tisch. Wir werden gemeinsam mit dem Betriebsrat und der Gewerkschaft Betriebsversammlungen in allen Ländern abhalten. Unsere Solidarität gehört den Beschäftigten, sie erhalten von unserem Insolvenzschutzverband volle Unterstützung. Gemeinsam mit den Betroffenen werden wir Lösungen finden.
"Krone": Niedermeyer, Triumph, Eybl, Dayli und jetzt auch das zweitgrößte Bauunternehmen des Landes: Wie viele Jobs gehen noch flöten?
Kaske: Natürlich würden wir uns wünschen, dass es nicht so weiterginge. Alle Wirtschaftsforscher sagen uns aber, dass uns das Phänomen der steigenden Arbeitslosigkeit noch eine Zeit lang begleiten wird. Jeder Arbeitslose ist einer zu viel. Trotzdem wird die Zahl in den nächsten ein, zwei Jahren noch steigen.
"Krone": Was ist Ihr Rezept dagegen?
Kaske: Wir brauchen 2,5 Prozent Wirtschaftswachstum, damit die Arbeitslosigkeit wieder sinkt. Alle Arbeitsplätze, die auf der einen Seite verloren gehen, müssen wir woanders neu schaffen.
"Krone": Wie?
Kaske: Indem wir kräftig in die soziale Infrastruktur unseres Landes investieren. Das schafft sinnvolle Arbeitsplätze und erhöht die Lebensqualität unserer Bevölkerung. Dazu gehört die Ausweitung des Pflegeangebots, der Ausbau der Kindergärten und Ganztagsbetreuung in den Schulen, aber auch mehr Investitionen in den sozialen Wohnbau. Letzteres käme auch der Bauwirtschaft zugute.
"Krone": Sie haben als "Geheimrezept" auch eine sechste Urlaubswoche ins Spiel gebracht. Was soll das bringen, außer noch mehr Überstunden?
Kaske: Die Idee ist ja nicht neu. Es ist nur so, dass sich Menschen heute aufgrund der Schnellebigkeit öfter beruflich verändern. Und deshalb wollen wir, dass die sechste Urlaubswoche als eine Art Rucksackprinzip mitgenommen wird, egal zu welchem Dienstgeber. Ich sage auch warum: Die Arbeitswelt hat sich ziemlich verändert, der Erholungsbedarf der Menschen steigt. Durch die psychischen Belastungen am Arbeitsplatz entstehen der Gesamtwirtschaft jährlich Kosten von 3,3 Milliarden Euro.
"Krone": Macht Arbeit immer öfter krank?
Kaske: Ich will es nicht generalisieren, aber es gibt schon solche Jobs. Auch deshalb wäre eine sechste Urlaubswoche angebracht. Sie würde übrigens auch der Wirtschaft, genau gesagt dem Tourismus zugute kommen, egal ob in Österreich oder anderswo.
"Krone": Johannes Kopf vom AMS hat die Idee nicht so gut gefunden. Haben Sie sich geärgert?
Kaske: Ach Gott, nein. Ich habe mir das mit ihm persönlich ausgemacht.
"Krone": Was bringen Ihre politischen Forderungen jetzt einem Betroffenen, der gerade seinen Arbeitsplatz verloren hat?
Kaske: Für Menschen, die gerade arbeitslos geworden sind, ist es immer dramatisch - auch in meinem Bekanntenkreis sind Leute betroffen. Man muss aber sagen, dass viele Menschen durch das AMS in relativ kurzer Zeit wieder eine neue Arbeit finden. Dort, wo es nicht gelingt, in derselben Branche etwas zu finden, treten Schulungsmaßnahmen auf den Plan...
"Krone": ... die die Zahlen schönfärben?
Kaske: Rechnen wir's zusammen. Derzeit gibt es in Österreich, die Schulungsteilnehmer mit eingerechnet, 330.000 Arbeitslose. Sicher ist das für jeden Einzelnen eine ganz schwierige Lebenssituation.
"Krone": Michael Spindelegger hat angekündigt, in den nächsten fünf Jahren 420.000 Arbeitsplätze zu schaffen. Nimmt der ÖVP-Chef der SPÖ im Moment die Themen weg?
Kaske: Das schaue ich mir an. 420.000 Arbeitsplätze haben wir in den letzten zwölf Jahren geschaffen, also wird es schon eine sehr große Herausforderung. Ich glaube aber, dass es Möglichkeiten gibt. Michael Spindelegger nimmt der SPÖ gar nichts weg. Die Menschen wissen schon, wer sich seit jeher um diese Themen kümmert. Man wählt den Schmied und nicht den Schmiedel.
"Krone": Sie sind jetzt 100 Tage im Amt. Wie viel Prozent der Bevölkerung kennen Rudi Kaske?
Kaske: Schwer zu schätzen. In der Gewerkschaftsbewegung ist der Prozentsatz sicher viel höher als außerhalb, da arbeite ich gerade dran, bekannter zu werden. Bis zu den AK-Wahlen 2014 sollten mich möglichst viele kennen. Vor allem aber meinen Namen damit verbinden, dass ich die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vertrete.
"Krone": Könnte man mit Rudi Kaske auch über eine Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft reden?
Kaske: Ich spreche nicht von Zwangsmitgliedschaft, sondern von Pflichtmitgliedschaft. Die Arbeiterkammer hat für ihre Arbeitnehmer im Jahr 2012 mehr als 32 Millionen Euro erstritten, deshalb ist eine Abschaffung bei denen kein Thema.
"Krone": Was sagen Sie zu Frank Stronach, der den Sinn der Gewerkschaften angezweifelt hat?
Kaske: Ach, der Herr Stronach... Er tritt ja als politischer Alleinunterhalter auf. Den Erfolg werden die Wählerinnen und Wähler beurteilen.
"Krone": Sie haben Ihre Gewerkschafts-Karriere als Koch begonnen. Damals haben Sie erreicht, dass Lehrlinge nicht mehr ihre Haare schneiden müssen, sondern ein Haarnetz tragen dürfen. Hatten Sie das auch notwendig?
Kaske: Ja, erst unlängst wurde mir als Beweis ein Jugendfoto überreicht (lacht). Dieser Kompromiss war damals für uns sehr wichtig, obwohl es heute lächerlich klingt. Als Bursch mit Freundin musste man lange Haare haben und eine Glockenhose tragen.
"Krone": Kompromisse liegen Ihnen bis heute, richtig?
Kaske: Ich war über 20 Jahre Kollektivvertragsverhandler, im Vordergrund stand immer das Miteinander und der Kompromiss. Das ist auch das Erfolgsgeheimnis unserer Sozialpartnerschaft.
"Krone": Und was ist Rudi Kaskes größte Schwäche?
Kaske: Mehlspeisen. Erst gestern hab ich wieder Kaiserschmarren mit Zwetschkenröster gegessen.
"Krone": Wäre das etwas, das zu einer Todesstrafe führen könnte. Ich will mir das ehrlich gesagt auch gar nicht vorstellen.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.