8 Tage Hochwasser

Feuerwehrmann: “Jeder, der hilft, ist ein Held”

Österreich
08.06.2013 15:15
Menschen und Tiere gerettet, Dämme gebaut, eine Million Stunden im Einsatz. Was unsere Feuerwehrleute während der Flutkatastrophe geleistet haben! Der 44-jährige Thomas Latzer (Bild) aus der Wachau ist einer von ihnen. Im Interview mit Conny Bischofberger spricht er über Glücksgefühle und Erschöpfung, die Hassliebe zur Donau und das Feuerwehr-Gen in ihm.

Acht Tage nach Ausbruch der Flut ist die Gegend rund um Dürnstein noch immer Katastrophenzone. Weinstöcke stehen unter Wasser, überall liegen Sandsäcke, die Bewohner kämpfen mit Schläuchen und Schaufeln gegen Schlamm und Schutt. Die blaue Donau, ein reißender grünbrauner Strom.

Allgegenwärtig: die roten Feuerwehrautos. Thomas Latzer ist einer von 70.000 Feuerwehrmännern, die seit vergangenem Wochenende österreichweit eine Million Stunden gerackert haben. Er sieht müde aus. "Gestern konnte ich das erste Mal dreieinhalb Stunden schlafen", erzählt er. Sein Name ist gelb auf schwarz auf das Revers des grünen Arbeitsanzugs gestickt. Im Hintergrund tragen Freunde und Schwiegereltern die Fliesen seines Hauses ab. Alles überflutet, alles liegt blank. Auch die Nerven.

Hier gibt's zwei Hörproben von Thomas Latzer: Clip 1 (zum Image der Feuerwehr), Clip 2 (zum Wahlkampf während der Flutkatastrophe).

"Krone": Wie war das, als in Ihrem eigenen Haus das Wasser gekommen ist?
Thomas Latzer: Ich habe das Zeitgefühl ein bisschen verloren... Ich glaube, es war letzten Sonntag, als wir aufgrund der Wasserprognose die wichtigsten Möbel aus dem Erdgeschoss ausgeräumt haben. Alle, die ein Fuhrwerk oder einen Traktor hatten, haben den Leuten geholfen, ihre Möbel in Sicherheit zu bringen. Das Furchtbarste ist dann das Warten. Du weißt, das Wasser wird kommen, und du kannst nichts tun, nämlich gar nichts. Da ist nur Hilflosigkeit.

"Krone": Obwohl Sie selbst betroffen sind, helfen Sie als Feuerwehrmann allen anderen zuerst. Wie schaffen Sie das?
Latzer: Allein würde ich es nicht schaffen. Auch mir helfen Verwandte und Freunde. Man muss vorwärts blicken, immer vorwärts blicken.

"Krone": Sie sagen das mit Tränen in den Augen...
Latzer: Ja, am liebsten würde man weinen.

"Krone": Was ist das Traurigste?
Latzer: Dass wir hier in Unterloiben noch immer keinen Hochwasserschutz haben. Das Haus hat jetzt, nach 1991 und 2002, schon die dritte Flut erlebt. Meine Schwiegereltern können damit überhaupt nicht mehr umgehen. Sie sagen: "Aus! Wir können nicht mehr."

"Krone": Und Sie?
Latzer: Meine Frau und ich haben das Haus 2003 übernommen. Wir haben gesagt: Wir sind jung, und außerdem kommt eh bald der Hochwasserschutz. Im Herbst hätten wir drankommen sollen. Sicher, das kostet viel Geld. Aber im Endeffekt hätte es sich schon längst gerechnet. Weil es ja nicht stimmt, dass das "Jahrhunderthochwasser" sind. In der Wachau, da zählt ein Jahrhundert offensichtlich genau elf Jahre.

"Krone": Wie hoch ist bei Ihnen der Schaden?
Latzer: Ich weiß es nicht... Ich befürchte aber, er wird sehr hoch sein. Das Wasser war überall, der Keller ist noch immer überflutet. Wir mussten jetzt ausziehen. Ich kann nur hoffen, dass wir etwas aus dem Katastrophenschutzfonds bekommen.

"Krone": Sind Sie versichert?
Latzer: Wir haben eine Haushaltsversicherung. Aber bei den Versicherungen ist es doch so: Man zahlt ein Heidengeld ein und bekommt am Ende des Tages nur einen Bruchteil heraus. Aber das ist alles nicht so wichtig, denn da gibt es Familien, denen hat es die halben Häuser weggerissen. Die hatten nicht einmal Zeit, ihr Notwendigstes mitzunehmen. Auch wenn es schlimm aussehen mag, es gibt immer noch Schlimmeres.

"Krone": Was haben Sie als Feuerwehrmann alles erlebt in den vergangenen Tagen?
Latzer: Es war wie ein Super-GAU. Alle sind mit den Nerven fertig. Wir haben auch in den Nächten durchgearbeitet. Schlafen kann man sowieso nicht... Und wenn es dann gelingt, dann träumt man: Wie hoch kommt das Wasser, wie schnell kommt es? Haben wir noch genug Zeit? Man muss sich auch zwingen, Nahrung und Wasser zu sich zu nehmen.

"Krone": Wie macht sich die Erschöpfung bemerkbar?
Latzer: Naja, alles tut einem weh. Das Kreuz, die Hände, die Füße. Ich hab' mir beim Einhängen einer Tür auch noch die Kuppe meines rechten Zeigefingers abgezwickt.

"Krone": Woher nehmen Sie die Kraft für das alles?
Latzer: Die Kraft kommt aus der Gemeinschaft. Es entwickelt sich ein Zusammengehörigkeitsgefühl, eine Hilfsbereitschaft, die stärker ist als alle Verzweiflung. Freiwillige, Freunde, die Feuerwehr, auch die Feuerwehren aus dem Hinterlang, das Bundesheer: Jeder hilft mit. Zu zweit oder allein würde man anfangen zu heulen und könnte gar nichts mehr machen. Gemeinsam ist alles möglich, weil einer den anderen mitreißt.

"Krone": Ein Glücksgefühl?
Latzer: Eine wirklich schöne Sache. Ich kann nur jedem empfehlen, es auszuprobieren!

"Krone": Allein in Ihrem Bundesland haben 22.000 Feuerwehrleute 1.500 Menschen und über 150 Tiere gerettet und 1,6 Millionen Sandsäcke geschaufelt und verlegt. Sind diese Männer - und es gibt ja auch Frauen - alle Helden?
Latzer: Jeder, der hilft, ist ein Held. Nicht nur die Uniformierten.

"Krone": Die FPÖ Traismauer hat auf einen Aufruf der muslimischen Gemeinde zu helfen, gepostet: Wir kommen auch ohne euch klar, und zwar in jeder Hinsicht. Was denken Sie sich da?
Latzer: Das finde ich überhaupt nicht in Ordnung. Jeden kann man brauchen, und Mensch ist Mensch.

"Krone": Das Wasser zieht sich langsam zurück, aber es bleiben viele Fragen. Was ist für Sie der Auslöser dieser Katastrophen?
Latzer: Ich glaube, es ist ein Zusammenspiel von vielen Komponenten: Klimawandel, Bebauung, Regulationen, Kraftwerke, Staubereiche usw. Wir werden in Zukunft damit leben müssen...

"Krone": Wird sich das Image der Feuerwehren nach der Flutkatastrophe verbessern?
Latzer: Auf jeden Fall. Die Außenwelt kriegt ja die vielen Ausbildungen, Übungen, Geräteschulungen nicht mit. Das ist ein irrsinniger Zeitaufwand, wo man seine Freizeit opfert und auch seine Arbeitszeit. Gott sei Dank habe ich einen Chef, der gesagt hat: Nimm dir alle Zeit, die du brauchst! Ich muss keinen Urlaub nehmen.

"Krone": Tut die Politik genug, um die Feuerwehren zu unterstützen?
Latzer: Definitiv nein. Unser Material reicht nicht aus, und Gerätschaften aus den sogenannten Katastrophenlagern zu bekommen, das geht nur sehr zäh. Die Feuerwehren sollten mehr finanzielle Mittel bekommen, denn momentan müssen wir unser Geld bei Feuerwehrfesten und Ähnlichem selbst auftreiben.

"Krone": Frank Stronach hat gerade 500.000 Euro für die Opfer der Flut gespendet. Finden Sie das gut?
Latzer: Ich begrüße jede Aktion von Gutverdienenden, um schlechter Verdienenden zu helfen. Aber es ist natürlich auch Wahlkampf...

"Krone": War auch bei Ihnen Wahlkampf?
Latzer: Allerdings. Es waren der Herr Faymann da und der Herr Klug. Sie haben es nicht einmal der Mühe wert gefunden, nach dem Fototermin mit dem Bürgermeister und Kommandanten zu uns herzukommen und zu sagen: "Hey, super. Danke, dass ihr das macht!" Das hat mich und auch viele Kameraden geärgert.

"Krone": Wenn Sie jetzt einen Wunsch ­frei hätten, was wäre es?
Latzer: Dass vom 2. bis 4. August alle zu unserem Feuerwehrfest auf der Donaulände in Oberloiben kommen. Das ist wichtig, wegen des Geldes. Und weil es die besten Grillhendln weit und breit da gibt! (lacht)

"Krone": Hat ein Feuerwehrmann eigentlich mehr Respekt vor Wasser oder vor Feuer?

"Krone": Kann man die Donau nach so einer Katastrophe noch lieben?
Latzer: Im Moment schimpfen wir auf sie. Aber das ist halt so: Donau hassen, Donau lieben. Wenn alles vorbei ist und ich wieder auf der Terrasse sitze und auf sie hinausschaue, dann ist das so ein schöner Anblick, dann werde ich sie auch wieder mögen.

Er selbst ist betroffen
Geboren am 6.2.1969, Zivilberuf: IT-Techniker. Bei der Freiwilligen Feuerwehr Dürnstein seit 2006. Von 100 Mitgliedern des örtlichen Vereins (Kommandant: Markus Bauer) sind 60 selbst vom Hochwasser betroffen. Auch Thomas Latzer: Sein Haus in Unterloiben unterhalb des Stiftes Dürnstein stand nach den Fluten bis zum Kachelofen unter Wasser. Privat ist der Feuerwehrmann seit 2002 mit Susanne verheiratet. Er hat zwei Söhne: Alexander ist 13, Gregor 7.

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