Sensation in den USA

Ärzte erklären Baby mit HIV für praktisch geheilt

Wissenschaft
04.03.2013 12:46
US-Medizinern ist es nach eigenen Angaben erstmals gelungen, ein bei der Geburt mit dem Erreger der Immunschwächekrankheit Aids infiziertes Baby praktisch zu heilen. Zwar sei bei dem Kind das HI-Virus nicht verschwunden, erklärten die Virologen am Sonntag bei einem Fachkongress in Atlanta im US-Bundesstaat Georgia, aber die Menge der Viren sei nun derart gering, dass das Immunsystem des Kindes sie künftig ohne weitere Behandlung kontrollieren könne.

Das Kind war 2010 in einer ländlichen Gegend im US-Bundesstaat Mississippi zur Welt gekommen. Die Mutter war HIV-positiv, wusste davon aber nichts. Nachdem Tests die Infektion nachgewiesen hatten, begannen die Ärzte rund 30 Stunden nach der Geburt damit, das Baby mit einer Kombination aus drei Medikamenten zu behandeln - üblich ist bei Neugeborenen von HIV-positiven Müttern eine etwa vierwöchige Einfachprophylaxe.

Bereits nach einem Monat seien die Viren kaum noch im Körper des Kindes nachweisbar gewesen, berichteten die Mediziner. Dies sei bis heute so, obwohl die Therapie nach etwa eineinhalb Jahren ausgesetzt wurde. Denn die Mutter hatte den Angaben zufolge ihr Kind zehn Monate lang nicht mehr zur Behandlung gebracht.

Deborah Persaud (Bild) vom Uniklinikum in Baltimore sagte, offenbar habe die sehr frühe Behandlung dafür gesorgt, dass sich bei dem Kleinkind keine schwer zu behandelnden verborgenen Viren-Reservoirs bilden konnten. "Das ist der Beweis, dass es grundsätzlich möglich ist, Kinder mit einer HIV-Infektion zu heilen", so Persaud. Allerdings seien weitere Tests notwendig, um sicherzustellen, dass die Behandlung bei anderen Kindern den gleichen Effekt habe.

Für Wiener Experten ein "Einzelfall"
Für Norbert Vetter, HIV-/Aids-Experte am Otto-Wagner-Spital in Wien, ist das "eine interessante Einzelbeobachtung", daraus aber Konsequenzen abzuleiten, sei "nicht möglich und gefährlich", sagte er. Anders als Persaud glaubt Vetter, dass die Nachbeobachtungszeit noch zu kurz sei, um von einer Heilung zu sprechen. Es sei ein "Einzelfall einer besonders aggressiven Therapie nach der Geburt", mit dem Terminus Heilung müsse man vorsichtig umgehen, erklärte er. Erst die Zukunft werde zeigen, ob es wirklich gelungen ist, die Viren so zu beeinträchtigen, dass sie nicht wieder auftreten.

Vetter wies auch darauf hin, dass ein "HIV-infiziertes Kind nicht notwendig ist". Eine Infektion könne mit "an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" verhindert werden, wenn die Schwangere über ihren HIV-Status Bescheid weiß und sich behandeln lässt, so der Spezialist. Dann kann während der Schwangerschaft keine Infektion passieren. Da die meisten Infektionen während der Geburt stattfinden, müsse die Mutter rechtzeitig vor der Niederkunft behandelt werden. Zusätzlich muss das Kind nach der Geburt sofort eine antiretrovirale Kombinationstherapie erhalten und die Mutter darf nicht stillen, erläuterte Vetter. "Dann kann es nicht zu einer HIV-Infektion des Kindes kommen."

HIV-infizierte Babys in Österreich extrem selten
In Österreich seien HIV-infizierte Babys extrem selten, erklärte Vetter. Es gebe nur einzelne infizierte Neugeborene in den letzten Jahrzehnten. Der Experte verwies darauf, dass im Mutter-Kind-Pass-Programm ein HIV-Test enthalten ist. Dadurch können im Falle einer Infektion eine rechtzeitige Behandlung der werdenden Mutter eingeleitet werden und das noch ungeborene Baby vor einer Ansteckung geschützt werden.

Im Fall des laut Forschern geheilten Babys war die Behandlung des Säuglings mit Medikamenten gegen das HI-Virus nach 18 Monaten abgebrochen worden. Davor warnte Vetter ausdrücklich. Das dürfe "ja nicht nachgemacht werden", sagte der Experte: "Wir beobachten bei unseren Patienten ein sofortiges Wiederauftreten von hohen Viruskonzentrationen nach dem Absetzen der Therapie."

Erinnerungen an "Berliner Patienten"
Die bisher einzige anerkannte Heilung eines Aids-Patienten ist der Fall des US-Bürgers Timothy Ray Brown, bei dem in den 1990er-Jahren in Berlin Aids diagnostiziert worden war. Die Heilung setzte bei dem als "Berliner Patient" bekannt gewordenen Brown ein, nachdem ihm Spender-Knochenmark transplantiert worden war, das eine seltene genetische Veränderung aufwies.

Wenn infizierte Mütter eine antiretrovirale Therapie erhalten, wird in den meisten Fällen eine Infektion des Neugeborenen verhindert. Derzeit sterben weltweit jährlich rund 1,7 Millionen Menschen an Aids und den Folgeerkrankungen. Neuinfektionen mit dem HI-Virus sind innerhalb eines Jahrzehnts um 19 Prozent zurückgegangen. Die Zahl der Aids-Toten ist seit dem Jahr 2005 um 26 Prozent gesunken.

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