Bisher sieben Tote

Unruhen in Neukaledonien: Europäer verlassen Insel

Ausland
26.05.2024 16:26

Angesichts gewaltsamer Unruhen in Neukaledonien finden aktuell Evakuierungen statt. Am Wochenende wurden die ersten Europäer aus dem französischen Überseegebiet im Pazifik geholt. Zündfunke für die Proteste ist eine in Paris beschlossene Wahlrechtsreform. Präsident Emmanuel Macron brachte dafür nun ein Referendum ins Spiel.

Die Situation „bleibt sehr schwierig für die Bewohner der Insel“, vor allem im Großraum der Hauptstadt Nouméa, sagte die französische Ministerin für die Überseegebiete, Marie Guévenoux. Der Ausnahmezustand gelte weiterhin. Seit dem Beginn der gewaltsamen Proteste vor zwei Wochen wurden sieben Menschen getötet.

Kanaken protestieren gegen Wahlrechtsreform
Die von Frankreichs Regierung geplante Wahlrechtsreform sieht vor, dass Festlandfranzosen, die sich in Neukaledonien niederlassen, früher als bisher an den Wahlen teilnehmen dürfen. Die ursprüngliche Bevölkerung der Inselgruppe, die Kanaken genannt wird und mehr als 40 Prozent der Bevölkerung ausmacht, befürchtet dadurch eine Verringerung ihres Einflusses.

Demonstranten bei einer Straßenblockade in Neukaledonien mit Flaggen der „kanakischen und sozialistischen Front der nationalen Befreiung“ (FLNKS) (Bild: APA/AFP/Theo Rouby)
Demonstranten bei einer Straßenblockade in Neukaledonien mit Flaggen der „kanakischen und sozialistischen Front der nationalen Befreiung“ (FLNKS)

Für Sonntag sind weitere Evakuierungen französischer Staatsbürger geplant. „Die Maßnahmen zur Rückführung von Ausländern und französischen Touristen werden fortgesetzt“, teilte die Vertretung des französischen Zentralstaates, das Hochkommissariat von Neukaledonien, mit. Am Samstag wurden Touristen – vornehmlich Franzosen – von einem Flugplatz in Nouméa an Bord von Militärmaschinen nach Australien und Neuseeland gebracht. Von dort aus sollten sie mit kommerziellen Flügen weiterfliegen. Australien und Neuseeland hatten bereits am Dienstag damit begonnen, ihre Staatsbürger auszufliegen.

Flughafen-Sperre verlängert
Unterdessen wurde die Sperre des internationalen Flughafens La Tontouta am Sonntag erneut verlängert. Bis mindestens zum 2. Juni können dort weiterhin keine kommerziellen Flüge landen oder starten, wie die Industrie- und Handelskammer Neukaledoniens mitteilte.

Macron, der in dieser Woche Neukaledonien besucht hatte, zeigte sich offen für eine Volksabstimmung über die umstrittene Wahlrechtsreform. Er sei „jederzeit“ bereit, „bis zu einem Referendum“ zu gehen, sagte er der Tageszeitung „Le Parisien“. Er hoffe weiterhin, dass sich die Abgeordneten des Überseegebiets auf ein „globales Abkommen“ einigten, das die vom Parlament in Paris beschlossene Regelung ergänzen solle. Macron hatte den Befürwortern und Gegnern einer Unabhängigkeit Neukaledoniens eine Frist bis Ende Juni gesetzt, um sich zu verständigen. Die endgültige Verabschiedung der Reform setzte der Präsident zunächst aus.

Die Proteste gegen die geplante Wahlrechtsänderung lösten die schwersten Unruhen in dem Überseegebiet seit Aufständen in den 80er-Jahren aus. In der Nacht auf Samstag mussten in der Hauptstadt Nouméa 35 Menschen über das Meer in Sicherheit gebracht werden, nachdem ein Haus in Brand gesteckt worden war und es weitere Plünderungen gegeben hatte.

Macron bei seinem Besuch in Nouméa am 23. Mai (Bild: APA/AFP/POOL/Ludovic MARIN)
Macron bei seinem Besuch in Nouméa am 23. Mai
Frankreichs Premier Gabriel Attal verleiht französischen Gendarmen, die bei den Unruhen getötet wurden, posthum Orden. (Bild: APA/AFP/Miguel MEDINA)
Frankreichs Premier Gabriel Attal verleiht französischen Gendarmen, die bei den Unruhen getötet wurden, posthum Orden.

Straßenblockaden, ausgebrannte Autos
Am Sonntag waren viele der von den Demonstrierenden aufgestellten Straßenblockaden weiterhin intakt, obwohl ein Aufgebot aus 2700 Polizisten und Gendarmen versucht hatte, diese über Nacht zu räumen. In Teilen Nouméas und in umliegenden Städten waren unter anderem ausgebrannte Autos zu sehen.

Die größte Unabhängigkeitsbewegung FLNKS rief die Bevölkerung zur Ruhe auf und verlangte, „den Würgegriff auf die wichtigsten Verkehrsachsen zu lockern“. Das wichtigste Ziel sei es aktuell, die Lage zu beruhigen und „langfristige Lösungen für unser Land“ zu finden. Zugleich betonte die FLNKS, die Rücknahme der Reform sei „eine Voraussetzung für die Beendigung der Krise“.

Frankreich hatte die Inselgruppe Neukaledonien östlich von Australien Mitte des 19. Jahrhunderts kolonisiert. Auf den Inseln gibt es unter anderem bedeutende Nickel-Vorkommen. Während diese ausgebeutet wurden, wurde die einheimische Bevölkerung jahrzehntelang massiv unterdrückt. 

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