Sexismus-Brandrede

Gillard macht im Parlament ihren Erzfeind zur Sau

Ausland
10.10.2012 14:26
Mit einer viertelstündigen Brandrede zum Thema Sexismus und Frauenfreindlichkeit, in der sie ihren politischen Erzfeind zur sprichwörtlichen Sau macht, sorgt die australische Premierministerin Julia Gillard derzeit im Internet für Furore. Konservativen-Chef Paul Abbott hatte die Absetzung des wegen einer Sexaffäre in die Kritik geratenen Parlamentspräsidenten beantragt. Gillard trat ans Mikrofon und redete sich 15 Minuten lang den Frust von der Seele, indem sie Abbott den Spiegel vors Gesicht hielt und ihn als Frauenhasser brandmarkte.

Parlamentspräsident Peter Slipper hatte im April sein Amt zur Verfügung gestellt, nachdem er des Betruges und sexueller Belästigung beschuldigt wurde. Die Vorwürfe, er habe amtliche Reisegutscheine missbräuchlich verwendet, konnte Slipper weitgehend entkräften. Vergangene Woche wurden dann Auszüge aus SMS-Nachrichten Slippers an einen seiner Mitarbeiter, den er sexuell belästigt haben soll, publik. In einer Nachricht lässt sich der Politiker abschätzig über die weiblichen Genitalien aus.

Die Konservativen, allen voran Abbott, forderten die endgültige Absetzung Slippers als Parlamentspräsident per Misstrauensvotum. Bis dahin hatte der Politiker die Arbeit hinter den Kulissen weiterhin erledigt, sich in Sitzungen aber vertreten lassen.

"Ich lasse mich von diesem Mann nicht belehren"
Gillard verurteilte die Aussagen Slippers in den SMS-Nachrichten, weigerte sich jedoch, "ihren" Parlamentspräsidenten durch ein Misstrauensvotum aus dem Amt zu werfen. Als ihr das Mikrofon zugeteilt wurde, legte die Premierministerin mit der Brandrede los.

Sie zeigte mit den Finger auf Abbott, der bis dahin grinsend an seinem Platz gegenüber der Premierministerin saß, und sagte: "Ich lasse mich von diesem Mann auf keinen Fall über Sexismus und Frauenfeindlichkeit belehren. Und auch meine Regierung lässt sich von diesem Mann nicht über Sexismus und Frauenfeindlichkeit belehren. Nicht jetzt. Niemals." Wenn der Oppositionsführer wissen wolle, wie Frauenhass im heutigen Australien aussehe, brauche er dazu keinen Antrag im Repräsentatenhaus stellen, sondern nur sein eigenes Gesicht in einem Spiegel zu betrachten.

Langes Sündenregister an Verbalsexismus
In den nächsten 15 Minuten zählte Gillard eine Grenzüberschreitung Abbotts nach der anderen auf. Am Ende der Tirade war das Grinsen aus dem Gesicht des Konservativen-Parteichefs verschwunden, er wirkte betreten und blamiert. Sie erinnerte Abbott daran, dass er einmal laut überlegt habe, ob Männer aus biologischen Gründen besser für autoritäre Ämter geeignet seien, und an seine Aussage, wonach Frauen bei einer Abtreibung den "einfachen Weg" wählen würden.

Oder die Parlamentsdebatte, in der Abbott gemeint habe, Gillard könne sich mit einer Entscheidung nach seiner Empfehlung "endlich zur Frau machen"; und die kürzlich gehaltene Diskussion zu einer CO2-Steuer, bei der Abbott eine Erklärung mit "Was die australischen Hausfrauen verstehen müssen, wenn sie vor sich hinbügeln..." begann. Gillard rief den Abgeordneten auch Abbotts Auftritt bei einer Anti-Gillard-Demo in Erinnerung, bei welcher der Politiker mit einem "Feuert die Hexe"-Schild ("Ditch the witch") aufmarschierte.

Von Kommentatoren in Australien und Großbritannien wurde Gillard für ihren Auftritt gefeiert. Als "verdammt heiß" ("smoking hot") bezeichnete das australische Fernsehen die Rede, "sehr befriedigend" nannte es eine Kolumnistin des Londoner "Guardian", dass Gillard gegen Frauenfeindlichkeit auftrete. Das US-amerikanische Magazin "New Yorker" empfahl Präsident Barack Obama, bei Gillard ein paar Rhetorikkurse zu belegen. Auf Twitter und Facebook verbreiten sich Best-of-Ausschnitte von Gillards Rede.

Motiv war Ärger über Angriff auf verstorbenen Vater
Als Hintergrund für den Frust-Ablass der Premierministerin wird in australischen Berichten ein persönlicher Angriff auf ihre Familie durch Abbott und seine Unterstützer gewertet. Der Konservativen-Chef hatte in der Begründung seines Antrags eine Formulierung verwendet, die eine Woche zuvor dem australischen Radiomoderator Alan Jones einen Sturm der Entrüstung beschert hatte. Jones hatte gemeint, dass Gillards kürzlich verstorbener Vater wohl "aus Scham" über seine Tochter dahingeschieden sei.

Abbott sagte im Parlament, dass sich die Regierung für jeden weiteren Tag, an dem Gillard an Slipper festhält, schämen solle, "eine Regierung, die schon längst an Scham gestorben sein müsste". Gillard gab zurück: "Ich versichere Ihnen, die Regierung schämt sich nicht zu Tode. Mein Vater hat sich nicht zu Tode geschämt. Sie sollten sich schämen, über Ihr Auftreten und Ihr sexistisches Verhalten in diesem Parlament."

Slipper trat nach gescheitertem Votum freiwillig zurück
Das Misstrauensvotum scheiterte übrigens. Slipper verkündete jedoch nach der Parlamentssitzung seinen vollständigen Rücktritt. Er ist jetzt nur noch freier Abgeordneter des Repräsentantenhauses. Nachfolger Slippers soll eine Frau aus Gillards Labor-Partei werden.

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