Fünf Jahre Haft

Gewalttäter: „Wenn ich das mache, bin ich stärker“

Gericht
22.04.2024 14:44

In nur wenigen Wochen beging ein 20-Jähriger rund um den Bahnhof Floridsdorf eine Reihe von Gewalttaten – einen schlafenden Obdachlosen schlug er 20-mal mit einer Aluminiumstange. Vor Gericht sitzt er aber auch wegen Terrorvorwürfen. Der junge Wiener radikalisierte sich, nachdem sein Freund beim Wien-Attentat 2020 getötet wurde ...

„Das ist unmenschlich“ – ein Satz, den man normalerweise von Seiten der Staatsanwaltschaft, dem Richter oder vielleicht noch der Verteidigung hört. Im Saal 22 am Wiener Landesgericht kommentiert aber der Angeklagte mit diesen Worten seine eigenen Taten. „Ich bin traurig, dass ich sowas gemacht habe. Ich kann nicht fassen, was ich diesen Personen angetan hab“, gesteht der 20-Jährige. 

Spur von Gewalt am Bahnhof Floridsdorf
Die Liste seiner Opfer ist lang. Im Frühjahr 2023 trieb er mit einer ganzen Bande an Jugendlichen und jungen Erwachsenen im 21. Bezirk rund um den Bahnhof Floridsdorf sein Unwesen: „Im Zuge der Ermittlungen hat man erkannt, dass er mehrere Gewalttaten begangen hat“, so der Staatsanwalt. Er bedrohte einen Security-Mitarbeiter und einen Bäckereiangestellten mit einer Schreckschusspistole. Verprügelte völlig Fremde. Trat im Vorbeifahren mit einem E-Scooter Passanten.

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Ich hatte das Gefühl, wenn ich das mache, bin ich stärker und die anderen Jugendlichen schauen mich an.

Der 20-Jährige zeigt sich vor dem Schöffensenat reuig.

„Als einheitliches Bild hat sich ergeben, dass völlig ohne Grund an Unbeteiligten Gewalttaten verübt wurden“, fasst der Ankläger zusammen. Und warum? „Ich hatte das Gefühl, wenn ich das mache, bin ich stärker und die anderen Jugendlichen schauen mich an“, gibt der junge Wiener zu. Wohl die brutalste seiner Taten: Im Mai 2023 schlug er mit einer Aluminiumstange 20-mal auf einen schlafenden Obdachlosen ein. Wie auch bei den anderen Gewaltakten filmte ein Komplize. „Gib ihm auf den Kopf“, schrie er hinter der Kamera ...

Freund bei Wiener Terroranschlag verloren
Wie kann es so weit kommen, will Herr Rat wissen. Der 20-Jährige erzählt von seiner Familie, seiner Kindheit und Schulzeit – die durchwegs positiv verlief. Er fing eine Lehre an, arbeitete in einem Supermarkt. Ein einschneidendes Erlebnis: Am 2. November 2020 verlor er einen guten Freund beim Terror-Attentat in der Wiener Innenstadt. „Ich hab‘ das nicht gepackt, dass er erschossen wurde.“

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Wie kann man sich da terroristisch vereinnahmen lassen, Gewalt gutheißen, Menschen schlagen? Das kann ich nicht nachvollziehen.

Schöffin im Wiener Landesgericht

Er begann zu recherchieren und mit der dschihadistisch-salafistischen Organisation al-Nusra-Front zu sympathisieren. Weil sie gegen den Islamischen Staat kämpft, erklärt der Angeklagte. „Ich habe so einen Hass auf den IS gehabt.“ Aus Recherche wurde Radikalisierung. Völlig unverständlich für eine der Schöffinnen angesichts des schrecklichen Schicksals seines guten Freundes: „Wie kann man sich da terroristisch vereinnahmen lassen, Gewalt gutheißen, Menschen schlagen? Das kann ich nicht nachvollziehen.“

Haftstrafe sei nicht der richtige Weg
Die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) wurde im Oktober 2022 auf ein Instagram-Profil mit radikalen Inhalten aufmerksam, beschlagnahmte fünf Monate später das Handy des jungen Wiener. Und fand neben Propagandamaterial auch die zahlreichen Videos von den angeklagten Gewalttaten. „Ich habe das damals als richtig erachtet. Das ist nicht mehr das Leben, das ich leben will. Es ist einfach schrecklich, was ich getan habe. Das ist unmenschlich“, zeigt er sich vor Gericht geständig und geläutert. 

Dem vollumfänglichen, reumütigen Geständnis steht aber trotzdem eins entgegen: „Sie haben eine Vielzahl vollkommen unmotivierter Gewalttaten angehäuft. So etwas habe ich in diesem Ausmaß bisher selten erlebt“, merkt der vorsitzende Richter an. Er fasst fünf Jahre teilbedingte Haft aus. Ein großer Teil – nämlich dreieinhalb Jahre – wird bedingt nachgesehen. Die Begründung: „Haft ist nicht der richtige Weg, um Sie zukünftig von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten.“ Stattdessen wird eine Psychotherapie und eine psychiatrische Behandlung sowie seine Teilnahme am Deradikalisierungsprogramm als sinnvoller erachtet. Nicht rechtskräftig.

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