Wegen "Hexenjagd"

Kampusch beklagt enorme psychische Belastung

Österreich
05.03.2012 08:28
Neuerliche Zweifel an der Einzeltätertheorie, das Gerücht, sie habe während ihrer Gefangenschaft ein Kind zur Welt gebracht, Zweifel am Selbstmord des Entführers Wolfgang Priklopil, Mutmaßungen um das Suizid-Motiv eines Ermittlers: 14 Jahre nach ihrer Entführung als damals Zehnjährige und mehr als fünf Jahre nach ihrer Flucht bezeichnete Natascha Kampusch das neu aufgeflammte Interesse an ihrem Fall und ihrer Person nun in einem ORF-Interview als "empörend" und "enorme psychische Belastung". Daraufhin folgte eine emotionale TV-Diskussion.

"Es ist schwierig, weil man gegen solche Vorhaltungen ja nicht argumentieren kann", sagte Kampusch am Wochenende in dem ORF-Interview - ein Teil des Gesprächs mit Journalist Christoph Feurstein wurde am Sonntagabend in der Diskussionssendung "Im Zentrum" ausgestrahlt. Das komplette Interview wird am Montagabend in der Sendung "Thema" gezeigt. "Im Grunde genommen" zeigt sich Kampusch darin "empört". Schwanger sei sie in ihrer Zeit in Gefangenschaft nie gewesen.

Feurstein sieht "Hexenjagd"
Natascha Kampusch werde "neuerlich missbraucht", stellte Interviewer Feurstein dann gleich zu Beginn der Diskussionssendung "Im Zentrum" klar. Die 24-Jährige leide derzeit ungemein, werde sogar auf der Straße attackiert und bespuckt. Feurstein kritisierte eine "Hexenjagd", bei der das Opfer zum Täter gemacht werde.

Johann Rzeszut, ehemaliger OGH-Präsident und Mitglied der Kampusch-Evaluierungskommission, übte daraufhin unter anderem Kritik daran, dass das Ermittlungsverfahren nach knapp drei Monaten eingestellt wurde und den Angaben einer Zeugin der Entführung nicht ausreichend Beachtung geschenkt worden sei. Die damals Zwölfjährige habe zwei Männer beobachtet.

Ex-OGH-Präsident "mit haarsträubender Aktenkenntnis"
Dem hielt Staatsanwalt und Kampusch-Sondermittler Thomas Mühlbacher entgegen, dass das Mädchen sehr wohl nur von einem Entführer gesprochen habe, auch wenn sie unmittelbar vor der Tat einen zweiten Mann gesehen habe. "Es wundert mich, dass du mit einer Aktenkenntnis daherkommst, die haarsträubend ist", warf der Staatsanwalt Rzeszut vor und warnte davor, willkürlich Proklopil-Freund Ernst H. als möglichen Mittäter zu verdächtigen: "Wir müssen uns klar sein: Das ist kein Gesellschaftsspiel."

FPÖ-Nationalratsabgeordnete Dagmar Berlakowitsch-Jenewein äußerte die Vermutung, dass der parlamentarische Unterausschuss, der sich mit der Causa Kampusch befasst, nicht alle Akten erhalten habe, sondern ein Teil davon unterschlagen oder frisiert worden sei. Der ÖVP-Vorsitzende des Unterausschusses, Werner Amon, hatte vergangene Woche mit seiner Äußerung, dass die Mehrtätertheorie nicht ganz von der Hand zu weisen sei, die neuerliche Debatte und auch eine Diskussion über Verschwörungstheorien ausgelöst.

"Das kennen wir seit Jack the Ripper"
Solche entstünden dann, wenn ein Sachverhalt nicht bekannt ist: "Wir wissen seit Jack the Ripper, dass Spekulationen entstehen, wenn ein Verbrechen nicht völlig aufgeklärt wird", so der Psychiater Reinhard Haller. "Jetzt muss die Wahrheit auf den Tisch", sagte der Mediziner und plädierte dafür, mit weiteren Ermittlungen jemanden zu beauftragen, der außerhalb jedes Zweifels steht. Mit dem deutschen Bundeskriminalamt und der US-Bundespolizei FBI wurden diesbezüglich bereits Gespräche geführt.

Ernst Geiger vom Bundeskriminalamt kann die Zweifel an der Einzeltätertheorie auf Basis der angeblichen Angaben der Zeugin nicht nachvollziehen: "Sie hat die Tat vielleicht zwei bis drei Sekunden wahrgenommen. Natascha Kampusch war 3.096 Tage Zeugin", gab der Polizeijurist zu bedenken. Er versicherte, dass Priklopil eindeutig Selbstmord begangen habe und Ernst H. intensiv überprüft worden sei.

Auch dessen Anwalt Manfred Ainedter ging mit Rzeszut hart ins Gericht: "Sie haben das Parlament aufgehusst, damit dieses Ersatzjustiz spielt. Wir bewegen uns in einem rechtsfreien Raum."

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