"Zar Putin"

Massiver Druck auf Bevölkerung vor Russland-Wahl

Ausland
28.02.2012 11:04
Druck auf Wähler, Behinderung von Gegenkandidaten, Manipulation der Medien: Vor der Präsidentenwahl am kommenden Sonntag wiegen die Vorwürfe gegen das Lager des Kremlkandidaten Wladimir Putin schwer. Die Gängelei vonseiten des Machtapparats nehme im Vergleich zu früheren Abstimmungen in Russland noch zu, meint etwa Alexander Kinjow von der einzigen unabhängigen russischen Wahlbeobachterorganisation Golos.

Bereits anlässlich der von massiven Fälschungsvorwürfen begleiteten Parlamentswahl im Dezember waren bei Golos etwa 4.000 Beschwerden eingegangen. Auch vor der Abstimmung am kommenden Sonntag prangert die von der EU mitfinanzierte Organisation starke Eingriffe an.

"Klima der Angst"
Ein "Klima der Angst" beklagen längst nicht nur Arbeitnehmer in Staatsbetrieben. Mit ihrer Unterschrift müssten sie Agitatoren ihr Votum für Putin versprechen, wenn sie ihren Job behalten wollten, berichten sie in Internetforen. Ob in den Staatsmedien oder bei großen Sport- und Kulturveranstaltungen: "Russlands starker Mann" Putin ist allgegenwärtig. "Ich träume schon von ihm", klagt Sekretärin Katja. "Diese Gängelei macht das Leben ungenießbar."

Der Radiosender Echo Moskwy berichtete vor Kurzem von Ärzten im Raum Samara an der Wolga, die bei Hausbesuchen Werbematerial der Putin-Partei verteilen. Die Doktoren würden vor allem in abgelegene Orte fahren, in denen ältere Menschen kaum Möglichkeiten für einen Arztbesuch hätten und dementsprechend dankbar seien. "Ein klarer Missbrauch der Ärzte vor der Wahl am 4. März", meint der Sender.

"Hemmungsloser Betrug"
Von "hemmungslosem Betrug" spricht Kommunistenführer Gennadi Sjuganow. Die frühere Staatspartei sei vielerorts mit dem Antrag abgeblitzt, Wahlplakate auf gemieteten Flächen aufzuhängen. "Uns wurde gesagt: "Nichts mehr frei." Nur Putins Partei Geeintes Russland erhielt überall Platz", erzählt Sjuganow.

Negative Erfahrungen musste auch der Multimilliardär und Kandidat Michail Prochorow machen. Quasi über Nacht hängten Unbekannte einen Teil seiner Wahlplakate ab.

Mordpläne als wahltaktisches Manöver?
Doch nicht nur das Vorgehen bei der Vergabe der Werbeflächen sorgt für Kritik in Russland, sondern auch der Zeitpunkt der Veröffentlichung von angeblichen Putin-Mordplänen (siehe Infobox). Den Bericht der Staatsmedien über ein vereiteltes Attentat hält Kommunistenführer Sjuganow für einen "schmutzigen Trick" des Regierungschefs.

Kritische Journalisten bezeichneten die Enthüllungen sogar als wahltaktisches Manöver vor der Präsidentschaftswahl am Sonntag. Dass der staatliche Fernsehsender Perwy Kanal die vermeintlichen Mordpläne sechs Tage vor dem Urnengang publik gemacht habe, sei ein "zeitlich gut geplantes Komplott", sagte etwa der politische Kommentator des Rundfunksenders Kommersant FM, Oleg Kaschin, am Dienstag. "Bisher wissen wir nicht mit Sicherheit, ob es dieses Komplott wirklich gab oder nicht." Der Politologe Gleb Pawlowski meinte in der Zeitung "Nowyje Iswestija": "Ein verhinderter Anschlag ist immer ein Geschenk für einen Bewerber."

Putin spannt Unternehmen und Behörden für sich ein
Kremlnahe Experten hingegen verteidigten den Bericht über das Mordkomplott. "Putin ist in der Rolle des Siegers, solche Spielchen hat er nicht nötig", sagte der Politologe Wjatscheslaw Nikonow.

Nötig dürfte es allerdings sein, Staatsunternehmen und Behörden zum angestrebten Wahlsieg einzuspannen, denn das gab Putin sogar selbst zu. Er spricht aber von "Einzelfällen". Die Teilnahme an Pro-Putin-Kundgebungen sei so "massiv", dass "unmöglich alle Menschen dorthin gedrängt worden" sein könnten, wiegelt der Regierungschef ab. Doch auch nach der jüngsten Großveranstaltung in Moskau tauchten im Internet Videos auf, die angeblich Putin-Mitarbeiter beim Bezahlen von Demonstranten zeigen.

Enormer Druck von der Staatsführung
"Putin hat zwar wiederholt betont, er wolle weniger Gängelei." In Wirklichkeit sei der Druck der Staatsführung aber selten vor einer Abstimmung so stark gewesen, meint Politologe Konstantin Simonow.

Die Opposition will gegensteuern, vor allem am Wahltag. Dann soll eine nie dagewesene Armada von Beobachtern in den Wahllokalen Fälschungen verhindern helfen. Auf die von Putin verordneten Internetkameras in den Abstimmungsstellen könne man sich nicht verlassen, sagt Kremlgegner Garri Kasparow. Er mache sich aber "keine Illusionen", betont der Ex-Schachweltmeister. "Wie bei jeder Wahl in Russland wird auch diesmal gefälscht werden. Putin wird in den Kreml zurückkehren. Wir wollen es ihm aber so schwer wie möglich machen."

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