Nach 97 Jahren

Wien löst Versprechen an „Heldin aus dem Volk“ ein

Wien
16.09.2023 16:00

Knapp bevor es zu spät war, hat sich die Stadt Wien daran erinnert, was sie 1926 am offenen Grab von Margarethe Manhardt vor Tausenden Menschen versprochen hatte: das Andenken an die junge Frau und ihren heldenhaften Tod für immer zu bewahren.

Man schrieb den 10. November 1926, als Wiens Bürgermeister Karl Seitz vor einer Menschenmasse am Grab von Margarethe Manhardt verkünden ließ, man werde auf ewig für die letzte Ruhestätte der „Heldin aus dem Volk“ sorgen. Das Schicksal des 20-jährigen Kindermädchens, das seine zwei Schützlinge Gertrude und Georg vor einer herannahenden Bierkutsche rettete und dabei ums Leben kam, hatte damals ganz Wien gerührt: Die Stadt stand am Tag des Begräbnisses still.

Erinnerung unter Nazi-Herrschaft bewusst getilgt
Doch bald wurde es um Margarethe Manhardt selbst still: Das Rathaus hatte zwar die ersten 15 Jahre der Grabpflege übernommen, doch diese Pflicht wurde unter NS-Herrschaft nicht verlängert: Manhardt hatte bei der jüdischen Familie Littner als Kindermädchen gearbeitet, und jegliche Erinnerung an eine Rettung jüdischer Kinder sollte getilgt werden. Auch deshalb verblasste das Angedenken an Manhardt - so weit, bis das Grab im Frühjahr schließlich zur Auflassung freigegeben wurde.

Margarethe Manhardts Schicksal bewegte einst ganz Wien. (Bild: Kronen Zeitung)
Margarethe Manhardts Schicksal bewegte einst ganz Wien.

„Selbstloses Handeln ist immer Vorbild“
Ein Artikel der „Krone“ machte jedoch publik, welches Grab da verschwinden sollte, und nun gibt es ein versöhnliches Ende: Die Stadt hat - auf Betreiben von Bürgermeister Michael Ludwig selbst, wie man hört - die Patenschaft für das Grab auf Friedhofsdauer übernommen. „Selbstloses Handeln ist immer Vorbild und fordert Anerkennung und Respekt“, so Ludwig, umso schöner sei es, dass die Erinnerung daran nun für künftige Generationen gesichert sei.

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In diesem Zusammenhang möchte ich einen Besuch des Manhardt-Denkmals im belebten Park am Max-Winter-Platz empfehlen. Ein verstecktes Kleinod unserer Stadt, dessen Geschichte viel öfter erzählt gehört.

(Bild: APA/ROLAND SCHLAGER)

Bürgermeister Michael Ludwig

Das Manhardt-Denkmal in der Josefstadt befindet sich unweit des Unglücksorts, an dem Manhardt ihr Leben verlor. Die Nazis ließen es als weiteres Zeugnis ihres selbstlosen Handelns abreißen und an der Stelle einen Exerzierplatz errichten. Daran erinnerte sich die Stadt jedoch nach dem Krieg und ließ das einst aus Spendengeldern von Wienerinnen und Wienern errichtete Denkmal nach den Originalentwürfen neu gestalten und am heutigen Standort aufstellen.

Manhardts Opfer war nicht vergebens. Wie „Krone“-Recherchen in historischen Archiven ergaben, gelang der gesamten Familie Littner unter abenteuerlichen Umständen die Flucht in die USA. Gertrude wurde zu einer Säule der jüdischen Gemeinde im kanadischen Vancouver und engagierte sich dort in der Krebshilfe, Georg blieb in den USA und war später als Luftfahrtingenieur maßgeblich an der Entwicklung des US-Kampfjets F14 beteiligt. Beide haben zahlreiche Nachkommen.

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