Konflikte bei der Kindererziehung gehören für viele Eltern zum Alltag. Dabei gibt es sehr wohl Wege, wie sich Eskalationen vermeiden bzw. auflösen ließen.
Wenn das Kind wieder mal zürnt oder trödelt, wenn es das Gemüse nicht essen oder Mathe lernen will, dann ist für Eltern guter Rat oft teuer. In solchen Situationen mündet der Konflikt mit dem lieben Nachwuchs nicht selten in einer Eskalation. Aber wieso entsteht ein derartiger Konflikt? Liegt es vielleicht an den Eltern selbst, an deren Haltung gegenüber den Kindern?
Isabella Außerer ist Elementarpädagogin. Sie hat früher einen Kindergarten geleitet, kam aber zum Schluss, dass das, was im aktuellen System vermittelt wird, nicht ihren Vorstellungen und Überzeugen entspricht. „Ich habe gemerkt, dass es nicht meine Natur ist, Kinder zu bewerten und Angebote zu erarbeiten, um sie bewerten zu können. So wollte ich einfach nicht weiterarbeiten.“ 2013 lernte sie schließlich den Freibildungsexperten André Stern bei einem Vortrag in Wien kennen. „Ich fühlte mich sofort aufgehoben. Es ging um unsere Haltung gegenüber Kindern und nicht um die Methode.“ Auf dem Heimweg in der U-Bahn habe sie gleich alle Bücher des selbsternannten „Botschafters der Kindheit“ bestellt.
In den folgenden fast zehn Jahren beschäftigte sich Außerer intensiv mit dem in Paris geborenen Forscher, Autor und Referenten. Nach der Geburt ihrer beiden Kinder und der Karenz will sie nun ihre Erfahrungen als Lebens- und Sozialberaterin mit Eltern, Familien und Pädagogen teilen. Dafür hat sie die Initiative „inbeziehungbleiben“ ins Leben gerufen. Außerer möchte Eltern und pädagogischen Fachkräften Alternativen bei der Kinderbildung und Erziehung aufzeigen und sie in schwierigen Lagen begleiten - „wenn Eltern zum Beispiel sagen, dass das Leben zu Hause mit den Kindern nicht stimmig und kein entspannter Alltag mehr möglich ist.“
Erfahrung aus der eigenen Kindheit wirken nach
Der Schlüssel des Elternseins liege meist in der eigenen Kindheits- und Erziehungsgeschichte. Diese gelte es zu überwinden und eventuell abzulegen. „Auferlegte Überzeugungen darüber, was ein Kind können muss, wie ein Kind sein muss, sollen aufgedröselt und Glaubenssätze von früher abgelegt werden.“ Außerer nennt ein Beispiel, das bereits ganz früh Druck auf junge Eltern erzeugt: „Oft werden die Eltern gefragt, ob das Neugeborene denn schon durchschläft. Ein Kind muss nicht durchschlafen. 99 Prozent der Kinder schlafen nicht durch. Ich frage mich aber dann als angesprochene Mutter unwillkürlich, ob ich etwas falsch mache. Dasselbe passiert, wenn mein Kind erst vergleichsweise spät das Laufen lernt.“ Außerer ist überzeugt davon, dass Kinder einen inneren Entwicklungsplan haben und ihre Fortschritte selbst bestimmen: „Wir müssen unseren Kindern dabei bedingungslos vertrauen!“
Unser Schulsystem ist viel zu sehr auf die Schwächen eines Kindes ausgelegt. Wenn ein Kind in Mathe Defizite hat, weil es einfach keinen Zugang zur Materie findet, muss es dennoch die meiste Zeit damit verbringen, Mathe zu pauken. Somit fehlen letztlich die Ressourcen, um sich mit den Dingen zu beschäftigen, die ein Kind tatsächlich interessieren würden.
Isabella Außerer, Lebens- und Sozialberaterin
Was aber keineswegs bedeutet, Kinder einfach machen zu lassen, wenn sie etwa im Restaurant herumbrüllen oder in ganz banalen Alltagssituationen auf stur schalten. „Selbstredend habe ich die elterliche Führung und den elterlichen Weitblick. Es ist immens wichtig, meinem Kind Grenzen aufzuzeigen und auch ’nein’ zu sagen. Ich muss es umgekehrt aber auch aushalten, wenn mein Kind rebelliert. Ab und an die Nerven wegzuschmeißen, ist ganz natürlich, es geht dann aber darum, das mit dem Kind zu besprechen und die Gefühle des Kindes zu begleiten.“
Schulsystem lasse Entfaltung nicht zu
Ein „gravierendes Hemmnis für die Entwicklung von Kindern“ ist für Außerer unser Schulsystem, welches die Entfaltung von Potenzialen verhindere: „Weil das Schulsystem auf Druck ausgelegt ist und die Schwächen der Kinder in den Fokus rückt, anstatt die Stärken zu fördern. Wenn ein Kind in Mathe Defizite hat, weil es einfach keinen Zugang zur Materie findet, muss es dennoch die meiste Zeit damit verbringen, Mathe zu pauken. Somit fehlen die letztlich Ressourcen, um sich mit den Dingen zu beschäftigen, die ein Kind tatsächlich interessieren würden.“
André Stern, Vortrag: „Eine neue Haltung zum Mensch sein. Angst oder Liebe?“; Kulturbühne AmBach, Beginn 19 Uhr. Restkarten sind noch erhältlich!
Vortrag in Götzis
Für Samstag hat Isabella Außerer André Stern zu einem Vortrag in die Kulturbühne Ambach eingeladen. Stern wird dabei Geschichten von seinen Kindern erzählen und von seiner eigenen Kindheit berichten. Letzteres ist auch deshalb spannend, weil er nie eine Schule besucht hat. Außerer hofft, dass seine Thesen auch andere Menschen zum Nachdenken bringen werden: „Veränderung ist ein langer Prozess. Wenn aber die Zuhörer nur einen Satz von André mitnehmen, dann ist ein erster Schritt getan. Wir sollten daraus auch die Kraft schöpfen, um aufzustehen, wenn wir merken, dass uns oder unseren Kindern etwas nicht guttut. Und vor allem sollten wir den Mut aufbringen, Neues zuzulassen!“
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