Jan Meier

Navigator der Kostüme mit Wissensdurst

Salzburg
25.08.2023 16:30

Jan Meier als ruhender Pol, der sich gerne selber neu erfindet und für alles Neue offen ist.

Dieser Jan heißt Meier, ein Allerweltsname, vor allem in seiner Heimat Deutschland. Dort begegnet man den M…s in irgendeiner Schreibweise alltäglich. Doch dieser Meier hat ein Betätigungsfeld weitab vom Alltäglichen. Er ist seit 2016 Direktor für Kostüm, Maske und Garderobe, nicht bei irgendeiner Provinzbühne – sondern bei den Salzburger Festspielen. Dort ist er ein hoch qualifizierter „Ermöglicher“ für ein Festival, dessen Einzigartigkeit Regie-Zampano und Multikünstler Peter Sellars, vor einigen Jahren auch eindringlich-visionärer Festspielredner, sinngemäß so umschreibt: Vieles an Utopien sei heutzutage im Bühnengeschehen nicht mehr möglich, was Salzburg noch immer möglich macht. Das skizziert eine Art von maßvoller Maßlosigkeit im Umsetzen von oft irreal anmutenden Szenarien in der Oper und im Schauspiel.

Von der Pelz-Schneiderei auf die großen Bühnen
Dass dem so ist, dafür trägt Meier die kreative Mit-Verantwortung. „Ich sehe mich als Steuermann, als Lotse, ich gebe die Richtung vor und korrigiere den Kurs, wo nötig“. Eine immer vorhandene Herausforderung, die Meier ab erfolgten und geglückten Generalproben immer schon ins nächste Jahr, in die Zukunft des Festivals, beamt.

Begonnen hatte er seine Ausbildung in seiner Heimatstadt Lübeck, mit 17 startete er das Kürschner-Handwerk. Wobei er bald erkannte, dass die Pelz-Schneiderei aus mehreren Gründen nicht sein persönliches Lebensprojekt sein wird, nicht nur wegen aufkeimender Korrektheitsdebatten, die Nerze und Persianer immer mehr ins gesellschaftliche Abseits drängten. Als er bei unserem Besuch in Salzburg am späteren Vormittag auf seinem Weg von der Lounge in sein Büro konzertante Probenklänge vernimmt, führt ihn das auf dem Pfad der Erinnerung zu seiner initialen Erkenntnis: „Die Arbeit am Theater, an der Oper – das ist meins.“

Was als Aushilfe in der Herrenschneiderei 1998 in Lübeck begonnen hatte, entfachte sein Feuer für die Bretter, die die Welt bedeuten. Eine geplante Asien-Reise wurde gecancelt, um sich in dieser neuen Welt der Bühnenmoden zu orientieren und entwickeln. Anfangs als Kostümassistent in Freiburg, Basel und Köln tätig, entschloss er sich im Sinne seiner Leidenschaft ab 2001 zur Selbstständigkeit als freischaffender Kostümbildner. Die Erweiterung seiner Tätigkeiten hin zum Bühnenbildner führte ihn von deutschen und österreichischen Aufführungsstätten bis nach Wladiwostok. Prokofjews Liebe zu den drei Orangen begleitet seine Laufbahn, vielleicht ergibt es sich ja, diese Oper selbst einmal auszustatten.

Sehr intensiv hat sich über all die Jahre hinweg die Zusammenarbeit mit Regisseur Henry Mason entwickelt, insbesondere mit Shakespeare-Produktionen in Salzburg und an der Wiener Volksoper. Ab 2006 bis zum Antritt der Fulltime-Direktion in Salzburg war der Vielseitige auch Chef für Kostüm und Maske bei der Ruhrtriennale.

Die fixe Besatzung auf dem zu navigierenden „Kreativdampfer“ von Salzburg hat 33 Mitwirkende an Bord, das steigert sich auf bis zu 220 in allen Gewerken zum Saisonhöhepunkt. „Da ist auch der Hutmacher unter meiner Obhut“, lächelt der 54-Jährige, der ständig auf der Suche nach neuen Materialien ist. „Allein der Jedermann kann bei Temperaturen über 40 Grad zu einer riesigen Herausforderung werden, da warte ich noch auf die Erfindung selbst kühlender Stoffe“, verweist Meier auf eine Entwicklung, die nie Halt macht. Wobei sich durch Sturmingers Regie der Jedermann seit 2017 in einer permanenten Neuerfindungs-Schleife befindet.

In aller Hektik bleibt Meier ein in sich ruhender Pol, je turbulenter es um ihn wird, desto gelassener ist der Regent im Kostümreich. Immer wieder einen Sinnspruch vor Augen, der derzeit auch als Motto an einer Wand der Abteilung zu lesen ist: „Gäbe es die letzte Minute nicht, so würde niemals etwas fertig“.

Macbeth: 260 Roben für Wiener Staatsopernchor
Hin und wieder wird die Abteilung Kostüme selber zur „Reisegesellschaft für Anproben, etwa wenn wir den Wiener Staatsopernchor wie heuer für Macbeth mit rund 260 Roben versorgen“. Internationale Vernetzung mit anderen Produktionsstätten werde auch immer bedeutender, für spezifische Forschungen in der Weiterentwicklung von Material und zum Thema Nachhaltigkeit arbeitet Meier mit einer angehenden Textilingenieurin zusammen. Wie ihn überhaupt der persönliche Wissensdurst antreibt. „Gerade in den Zeiten der Pandemie habe ich mich immer öfter gefragt, ob es eine Grenze zur persönlichen Weiterentwicklung beim Lernen von Neuem gibt.“ Seine Antwort ist ein klares Nein, in Dresden ist er seit 2020 an der Hochschule für Bildende Kunst als Lehrbeauftragter in ein Seminarprogramm eingebunden, das sich mit individuellen und allgemeinen Zukunftsfragen von Nachwuchs, Nachhaltigkeit und Leadership der Szene beschäftigt.

Bei aller Komplexität und der Summe vielfacher Herausforderungen hält der Freund von prägnanten Sinnsprüchen mit einem Quäntchen Selbstironie an einem fest: Es ist alles nur Theater!

Porträt von Roland Ruess
Roland Ruess
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