Nach fünf Jahren Pause veröffentlichen die Waliser von Skindred mit „Smile“ endlich wieder ein neues Studioalbum, das sie im Dezember in der Wiener Simm City vorstellen. Frontmann Benji Webbe gab uns schon beim Nova Rock Einblicke ins neue Werk und erklärte uns zudem, warum die Pandemie für ihn persönlich gar nicht so schlimm war.
So wie seine Band nachgewiesen zu den feurigsten im Livesegment zählt, so zeigt sich Skindred-Frontmann Benji Webbe auch als Gesprächspartner im Interview. Der 56-jährige Waliser empfing uns kurz nach dem Auftritt beim diesjährigen Nova Rock, um über die dieser Tage erscheinende neue Skindred-Platte „Smile“ zu sprechen. In Badeschlapfen, mit Rastazöpfen und markanter Sonnenbrille nahm er im offenen Backstage-Bereich Platz, um während unseres Gesprächs immer wieder mit anderen Musikern zu interagieren. Als HIM-Chef Ville Valo vorbeispazierte, bedankte er sich beim Finnen, dass er Skindred einst erstmals zu einer Tour in den USA verhalf. Umgekehrt verhielt es sich mit den britischen Durchstartern Nothing But Thieves, die sich beim Anblick Webbes als riesige Fanboys entpuppten und kurzerhand musikalische Fachgespräche starteten.
Musik als Religion
Mögen die meisten anderen Bands auch größer und berühmter geworden sein - Skindred sind seit genau 25 Jahren eine Fixkonstante am Heavy-Himmel, die mit ihrer Mischung aus Groove Metal mit Thrash-Einflüssen, Reggae und einer Prise Dub noch immer ein völliges Alleinstellungsmerkmal besitzen. Das spiegelt sich nicht zuletzt auf dem Album-Opener „Our Religion“ wider. Webbes Religion ist - wenig überraschend - die Musik. „Skindred sind im Dschungel der Musik immer ihren ganz eigenen Weg gegangen. Wir haben uns alles selbst aufgebaut und nie jemanden kopiert, sind weder Metaller, noch Reggae-Rastafaris. Wir sind irgendwie alles und nichts zugleich, aber genau das macht uns als Band aus.“
Zwischen dem letzten Werk „Big Tings“ und „Smile“ sind ganze fünf Jahre vergangen, was natürlich auch den Pandemiewirren geschuldet ist. Für Webbe eine gleichermaßen furchtbare wie fruchtbare Phase. „Heute kommt uns das allen meilenweit entfernt vor, aber es war nicht leicht. Als ich meiner Frau 2020 sagte, dass ich das erste Mal, seit ich erwachsen bin, einen ganzen Sommer mit ihr verbringen würde, musste sie erstmal schlucken“, lacht er laut auf, „ich war immer nur auf Tour oder im Studio. Plötzlich hat es sich angefühlt, als wäre ich ein Darsteller in einer Folge ,Black Mirror‘. Was die Kreativität anbelangt, war die Pandemie für mich ein Segen. Strenggenommen habe ich schon seit dem zweiten Album meiner anderen Dub War in den 90er-Jahren Zeitdruck. Dank der Lockdowns hatte ich viel mehr Zeit zur Verfügung, um am neuen Skindred-Material zu basteln.“
Breite Soundpalette
Der Albumtitel entstand in erster Linie aus der Gemütslage des Frontmanns. „Als wir die Songs das erste Mal im Kasten hatten, hatte ich einen Riesengrinser im Gesicht, weil es sich so gut anfühlte. Außerdem will ich die Menschen sowieso mit einer positiven Message anstecken. Ich singe Lieder für die Kranken und Gemobbten. Für die Außenseiter und jene, die nicht gehört und viel zu wenig gesehen werden.“ Die Soundpalette auf „Smile“ ist wieder einmal besonders breit ausgefallen. Während die beiden Opener „Our Religion“ und „Gimme That Boom“ (eine astreine Kritik an Instagramer, die ihr Leben künstlich schönfiltern) voll in die Rock- und Metalrichtung gehen, klingt ein Track wie "State Of The Union fast wie eine jamaikanische Version der 80er-Faserschmeichler Duran Duran.
„Wenn ich AC/DC höre, dann fange ich mit Jungle-Remixes ihrer Songs auch nichts an, aber bei Skindred können wir uns das leisten“, lacht Webbe, „wir springen von Genre zu Genre und experimentieren. So wie wir das seit 25 Jahren machen. Ich habe als Kind Bands wie The Clash, The Specials und The Police geliebt. Sie alle kreierten Musik aus unterschiedlichen Welten, konnten sie aber auf eine stringente Linie bringen. Wir wollen mit unserem Sound Menschen zusammenbringen, die sonst vielleicht nie zusammenfinden würden.“ So ist ein Track wie „Life That’s Free“ auch keine Anti-Corona-Hymne, sondern eine Ode an das Leben an sich. „Der Song ist für alle, die Glück und Zufriedenheit verspüren. Ich halte mich per se nicht lange mit negativer Energie auf, sondern schaue nach vorne und mache einfach weiter. Das ist meine Devise.“
Hommage ans Durchhalten
Trotz all des Positivismus decken Skindred auf „Smile“ auch dunklere Seiten ab, etwa im Song „Addiction“. „Meine Sucht sind die Musik und das Fitnessstudio, in dem du mich sechsmal die Woche findest. Aber ich habe in meiner Familie auch Menschen, die auf Crack hängenblieben oder heroinsüchtig wurden. Ich liebe sie und sie lieben mich, aber dahingehend habe ich schon immer klare Grenzen gezogen.“ Ganz ohne Augenzwinkern geht es bei Webbe aber auch hier nicht. „Eine andere Sucht ist das verdammte Smartphone, an dem ich dauernd hänge. Fuck You, Steve Jobs.“ Das abschließende „Unstoppable“ ist einerseits an Skindred selbst gerichtet, befasst sich aber auch mit Football-Legende Tom Brady. „Er spielte fast 20 Jahre bei den New England Patriots und wurde aussortiert. Dann kam er mit über 40 zurück zu den Tampa Bay Buccaneers und holte sich wieder den Super Bowl. Das sind die Geschichten, die das Leben ausmachen.“
Mit dem Status von Skindred ist Webbe im Großen und Ganzen zufrieden. „Um Rekorde und Bestleistungen geht es mir nicht, das überlasse ich anderen. Seit ich auf der Welt bin, wollen mir Menschen das Leben zum Wettrennen machen, aber ich laufe diesen Marathon in meinem ganz eigenen Tempo und auf der Strecke, die ich für richtig halte. Natürlich sind wir für mich persönlich die beste Liveband der Welt und hätten noch viel mehr Titelseiten, Fernsehauftritte und große Arenashows verdient, aber so läuft das nun einmal nicht. Ich bin aber nicht eifersüchtig, sondern einfach hungrig und will immer mehr. Aber nicht um jeden Preis und schon gar nicht gegen jede Menschlichkeit.“
Live in der Simm City
Mit ihrem neuen Album „Smile" und den Hits der Vergangenheit kommen Skindred heuer noch einmal zu uns. Zum 25-Jahre-Jubiläum gibt es am 2. Dezember einen Auftritt in der Wiener Simm City. Unter www.oeticket.com gibt es noch Karten und weitere Informationen zum Auftritt der eigenständige Waliser.
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