„Krone“-Interview

M. Ward: „Die Musik ist ein Geschenk des Himmels“

Musik
15.06.2023 09:00

Seit Jahren pendelt der amerikanische Gitarrist und Sänger M. Ward zwischen Alternative Country, Folk, Indie-Musik und einen Schuss Americana. Im Wiener Chelsea stellte er unlängst erste Songs seines kommenden Albums „Supernatural Thing“ vor. Im „Krone“-Talk erläutert er uns die Magie von Musik, spricht über seine Projekte und warum ihn die Urväter des Rock und Pop noch immer am meisten imponieren.

(Bild: kmm)

Matthew Ward ist ein introspektiver Zeitgenosse. Seit mehr als 20 Jahren ist er eine Fixkonstante in der amerikanischen Indie-Musikwelt, scheut sich aber beharrlich davor, zu sehr im Rampenlicht zu stehen. Bei seinem unlängst fast ausverkauften Solokonzert im Wiener Chelsea hielt er die Augen beim Singen meist geschlossen und nutzte die Bühne zum Sinnieren. Jubel und Applaus kommen ihm seltsam vor, doch die Liebe seiner Fans dringt am Ende auch durch den dichtesten Teflon-Mantel hindurch. Obwohl Ward über die Jahre famose Soloalben wie „Post-War“, „Hold Time“ oder „More Rain“ gefertigt hat, schaffte er es nie in die erste Reihe. Für Aufsehen sorgte der 49-Jährige immer dann, wenn er sich in den Dienst von Kooperationen stellte. Etwa als ein Viertel der Supergroup Monsters Of Folk (mit u.a. Conor Oberst) oder als Hälfte des folkigen Duos She & Him, dessen Glanz zumeist auf seine Partnerin Zooey Deschanel fällt, eine gefeierte Schauspielerin aus dem US-Indie-Segment.

Unbewusster Tribut
Erst letztes Jahr veröffentlichten die beiden das Album „Melt Away: A Tribute To Brian Wilson“. Die alten Heroen haben es ihm angetan. Elvis, die Rolling Stones, die Beach Boys oder David Bowie, dessen „Let’s Dance“ er vor Jahren bis zur Unkenntlichkeit verformte. „Was man in der Jugend hört, das bleibt einem ewig“, erzählt er uns im „Krone“-Talk am Rande seines Wien-Konzerts, „es geht dabei weniger um die Technik und den Klang, sondern mehr um das Aufwachsen, das Erlebte und die Nostalgie. Auch bei Büchern und Filmen greife ich gerne auf die Klassiker zurück.“ Mit „Supernatural Thing“ legt Ward in wenigen Tagen sein neues Soloalbum vor. Darauf covert er wieder Bowie (dieses Mal „I Can’t Give Everything Away“), aber auch den großen Songwriter Daniel Johnston mit „Story Of An Artist“. „Mich faszinieren beide und ich wollte Songs in den Mittelpunkt stellen, die eher versteckt und nicht so oft gehört sind. Beide sind verstorben und vielleicht habe ich sie unbewusst gewählt, um ihnen Tribut zu zollen.“

Das Düstere und Versteckte sind jene Bereiche, in denen Ward musikalisch am liebsten wildert. So dreht sich der Titelsong des neuen Albums grob darum, dass Ward von Elvis träumte, der ihm eine Botschaft mitgab. „Ich habe das große Glück, immer wieder luzide Träume zu haben. Sie verarbeiten sich dann fast automatisch zu Songs. Ich habe eine Vision, die sich zu einem Bild manifestiert und dieses Bild erforsche ich in der Musik weiter. Ich bin vielleicht nicht das Vorzeigemodell für mentale Gesundheit, aber prinzipiell geht es mir ganz okay“, fügt er lachend an. Ward sieht seine Songs als Ventil für seine Sorgen, Träume und Probleme, die auf metaphorische Art und Weise ansprechen und relativieren. „Es ist ein Geschenk des Himmels, wenn aus Träumen Funken entstehen, die zur Kreativität führen.“

Auszeit zur Energiegewinnung
Mit Gästen wie Jim James, Neko Case, First Aid Kit, Scott McMicken und vielen anderen hat sich der begnadete Netzwerker für sein neues Album auch wieder gut verstärkt. Die treibende Kraft hinter dem Erschaffen der Musik bleibt bei Ward immer gleich. „Es geht darum, was die Musik im Leben tun kann und was sie schon für mich getan hat. Sie ist für mich ein Fenster in eine neue Welt, in der so viel mehr möglich ist. Das Musikmachen ist für mich mystisch und manchmal magisch.“ Die einzelnen Songs auf „Supernatural Thing“ mäandern zwischen Alternative Country, kantigem Folk, US-Westküsten-Rock’n’Roll und partiell eingebauten, ruhigeren Momenten. Der zwischen seinen zwei Wohnsitzen Los Angeles und Portland hin- und herpendelnde Vollblutmusiker erfährt auch aus der Natur Inspirationen. „Ich gehe immer wieder mal zwei Tage in den Wald und drehe dabei alle elektronischen Geräte ab. Mir geht es dann viel besser und ich kehre frisch zur Arbeit zurück.“

Die Liebe zur Musik war Ward in die Wiege gelegt. Schon als Kind versuchte er Beatles-Songs nachzuspielen, von dort weg ging es weiter zu Chuck Berry und Buddy Holly. „Das war musikalisch die wichtigste Zeit meines Lebens. Zu dieser Zeit habe ich gemerkt, dass die Reise in der Musik ewig fortgesetzt wird und auch ich meinen Platz darin finden werde. Ich stimmte meine Gitarre alternativ und entschied mich dazu, dem Instrument immer treu zu bleiben.“ Giant Sand-Frontmann Howe Gelb war einer seiner ersten Förderer. Rund ums Jahr 2000 wurde Ward zu einer fixen Szenegröße, veröffentlichte regelmäßig Alben und spielte live. Die Mischung macht’s. „Einmal Balladen mit Folk-Einschlag, dann wieder Rock’n’Roll. Ich brauche beide Welten. Ich habe es immer geschätzt, wenn Neil Young wie ein Wilder zwischen elektrisch und akustisch hin- und hersprang. In der Musik gibt es keine Regeln und das macht sie so besonders und einzigartig.“

Entspannte Kooperation
Mit Zooey Deschanel und dem gemeinsamen Projekt She & Him hat es Ward bislang noch nicht zu uns geschafft. Die entspannte Kooperation mit der Hollywood-Aktrice genießt er. „Wir kommen aus grundverschiedenen Welten und könnten nicht unterschiedlicher sein, doch gerade deshalb funktioniert die Zusammenarbeit auch so gut und langfristig. Zooey ist wie eine Bibliothek, wenn es um Sängerinnen wie die Andrew Sisters geht. Sie hat deren Harmonieren förmlich studiert und weiß alles darüber. Sie singt so, wie man es früher am Broadway gemacht hat und kann auch selbst Songs schreiben. Früher konnten viele Schauspielerinnen sehr gut singen, das hat sich über die Jahre ein bisschen aufgehört. Von ihr habe ich extrem viel über Gesang gelernt und die Zusammenarbeit ist wundervoll.“

Mit den Monsters Of Folk und deren gleichnamigem Debütalbum im Jahr 2009, wühlte Ward gemeinsam mit Conor Oberst (Bright Eyes), Jim James (My Morning Jacket) und Mike Mogis (Centro-matic) die US-Indie-Folk-Szene auf. Schon nach dem ersten Album versicherte er, dass noch mehr folgen würde. Viel ist seither aber nicht passiert. „Habe ich das echt so gesagt?“, lacht er. „Wir haben lange über ein zweites Album gesprochen, aber das Projekt nie beendet. Auch ein Film war geplant, den wir dann nie gedreht haben. Aber warten wir einmal ab. 2024 feiert das Debütalbum sein 15-Jahres-Jubiläum, und dazu wird es eine Wiederveröffentlichung geben. Zudem verstehen wir uns alle gut und sehen uns oft. Nur ist halt keinem langweilig.“ Im August geht Ward solo im Vorprogramm von My Morning Jacket auf US-Tour. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Und mit „Supernatural Things“ gibt es ja ohnehin ein starkes neues Album zu hören, dass den Vergleich mit älteren Preziosen nicht zu scheuen braucht.

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