„Krone“-Kolumnist Robert Schneider über Mann, den die meisten nur als Operettenkomponist kennen: Robert Stolz. Dabei war er viel mehr als das, nämlich eine faszinierende Persönlichkeit - und ein guter Mensch.
Von Berlin aus verhalf er zahlreich verfolgten Juden zur Flucht ins damals noch freie Österreich. Mit seinen Tantiemen konnte er sich einen großen Wagen leisten. Damit fuhr er insgesamt 21 Mal von Berlin nach Wien, wobei er im Fond seiner Limousine etliche Menschen versteckte. Seine Stieftochter Clarissa Henry erinnert sich: „Er hatte einen Chauffeur, der ein Nazi war, aber mitgemacht hat. Den Kleinkindern hat man Schlaftabletten gegeben, damit sie nicht aufwachen an der Grenze. Die Erwachsenen wurden unter Decken versteckt. An der Grenze haben die Zöllner gar nicht geschaut, weil er ja so bekannt war. ’Bitte, Herr Stolz, geben Sie mir ein Autogramm für meine Frau’, haben sie gesagt. So hat er die Leute nach Wien gebracht.“
In Wien war er bald auch nicht mehr sicher, und so verließ der Operettenkomponist Stolz (der Letzte dieses Genres überhaupt) in einer Nacht- und Nebelaktion die Stadt, um schließlich nach New York zu zu emigrieren. Da er im Sinne der Nürnberger Rassengesetze als unbelastet galt, kämpfte Goebbels noch lange um eine Rückkehr des Komponisten „in Ehren“, aber der Mann schlug alle Angebote aus, was schließlich im Jahr 1942 zur Ausbürgerung und der Beschlagnahmung des gesamten Vermögens führte. Obwohl Stolz in Amerika sogar für einen Musik-Oscar nominiert wurde, fühlte er sich dort nie daheim. Schon 1946 kehrte er nach Wien zurück.
1963 sollte er in Tel Aviv ein Operettenkonzert dirigieren. Deutsch zu singen war damals in Israel verboten. Stolz riskierte es trotzdem. Seine Stieftochter: „Der Sänger kam auf die Bühne. Die ersten Worte auf Deutsch. Alle hielten den Atem an. Dann kamen die Momente, wo die alten Männer, die Hände der alten Damen nahmen und einander anschauten, wie sie sich in den 20er Jahren angeschaut haben, als sie verliebt waren.“ Dieser Mann der leichten Muse unter einem Himmel voller Geigen, Robert Stolz, war einer der mutigsten Österreicher im Nazi-Reich.
Kommentare
Liebe Leserin, lieber Leser,
die Kommentarfunktion steht Ihnen ab 6 Uhr wieder wie gewohnt zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
das krone.at-Team
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.