Meisterleistung

Sensationelle Operation: Aus Zeh wird Daumen

Vorarlberg
13.05.2025 12:15

Einen durch und durch ungewöhnlichen Eingriff hat jüngst ein interdisziplinäres Ärzteteam am Landeskrankenhaus Feldkirch in Vorarlberg durchgeführt: Sie ersetzten einen notfallmäßig amputierten Daumen durch einen Zeh und gaben so einem 50-jährigen Landwirt das Greifvermögen zurück.

Für einen Landwirt ist es undenkbar, ohne funktionstüchtige Hände einen Hof zu bewirtschaften. Die Operation hat folglich dem Vorarlberger Bauern die Existenz gesichert. Er ist bereits wieder am Arbeiten und macht täglich Fortschritte. Das freut auch das behandelnde Team rund um den Plastischen Chirurgen Dr. Christian Knecht: „Noch braucht unser Patient Unterstützung beim Heu-Einfahren. Aber sein Ziel, spätestens Ende Mai seinen Hof wieder eigenständig führen zu können, ist durchaus realistisch.“ 

Aus dem zweiten Zeh wurde ein Daumen.
Aus dem zweiten Zeh wurde ein Daumen.(Bild: KHBG, Krone KREATIV)

Von der Infektion zur Amputation
Dabei hatte alles so harmlos begonnen: Bei der Arbeit auf seinem Hof hatte sich der Landwirt im Frühling vergangenen Jahres eine zunächst ganz simple Risswunde am Daumen zugefügt: „Ein Kratzer an seiner rechten – und damit dominanten – Hand. An und für sich eine Bagatellverletzung, nichts Schlimmes“, erklärt Knecht. Allerdings hat sich die Wunde rasch entzündet. „Über Nacht breitete sich die Infektion über den gesamten Unterarm bis hin zum Ellenbogen aus. Und dann ging alles recht schnell. Der Patient musste mit einer Sepsis kurzzeitig auf die Intensivstation verlegt werden.“

Der Daumen war nicht mehr zu retten: Er starb ab und musste im Mai des Vorjahres amputiert werden. Im Anschluss folgte ein über neun Monate langer Behandlungsweg aus Physiotherapie, Wundmanagement und Lymphdrainagen, bis die Schwellungen an Hand und Arm so weit zurückgegangen waren, um zumindest die restlichen Finger wieder bewegen zu können. 

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Über Nacht breitete sich die Infektion über den gesamten Unterarm bis hin zum Ellenbogen aus. Und dann ging alles recht schnell. Der Patient musste mit einer Sepsis kurzzeitig auf die Intensivstation verlegt werden.

Dr. Christian Knecht

Ein verwegener Plan
In weiterer Folge haben sich die Teams der Abteilungen „Plastische Chirurgie“ und „Orthopädie und Unfallchirurgie“ zusammengesetzt und den verwegenen Plan ausgetüftelt, den zweiten Zeh an die Hand zu transplantieren, um den amputierten Daumen zu ersetzen – eine derartige Operation hat es davor in Vorarlbergs größtem Landeskrankenhaus noch nicht gegeben.

Ein solcher Eingriff ist allerdings nicht nur unorthodox, sondern auch überaus herausfordernd. Denn die Kunst besteht darin, Gefäße, Nerven, Sehnen und Knochen so zusammenzufügen, dass zum einen der Fuß wieder voll belastbar ist und zum anderen dem neuen „Daumen“ so viel Empfinden und Beweglichkeit wie möglich „eingeimpft“ wird.

Teamarbeit in Perfektion
Während des achtstündigen Eingriffs arbeiteten zwei Teams parallel im OP-Saal: Das eine war für die Entnahme des Zehs zuständig, das andere für die Vorbereitung der Transplantation an der Hand. Danach haben die Teams die Plätze getauscht, um an der jeweiligen Verbindung bzw. am Verschluss weiterzuarbeiten. Es galt, die Knochen, Sehnen und Nerven zusammenzufügen und die Gefäße wieder so „anzuschließen“, dass eine Durchblutung garantiert ist. Die mikrochirurgischen Gefäßanschlüsse erfolgten dabei durch das Team der Plastischen Chirurgie, das Zusammenfügen der Sehnen und Knochen lag in den erfahrenen Händen der Unfallchirurgie. Klassische Teamarbeit im besten Sinn also.

Die verantwortlichen Ärzte: Primar René El Attal (Orthopädie und Unfallchirurgie), Oberarzt ...
Die verantwortlichen Ärzte: Primar René El Attal (Orthopädie und Unfallchirurgie), Oberarzt Werner Ploner (Orthopädie und Unfallchirurgie), Oberarzt Christian Knecht (Plastische Chirurgie) und Primar Gabriel Djedovic (Plastische Chirurgie)(Bild: KHBG)

Ein Jahr, dann kommt das Gefühl zurück
Bereits zehn Tage nach dieser Meisterleistung konnte der Landwirt das Spital wieder verlassen. „Es wird in etwa ein knappes Jahr dauern, bis unser Patient im neuen Daumen etwas spüren kann“, erklärt Christian Knecht. „Das Gefühl wird wohl nicht mehr ganz so fein sein wie im ‘Original-Daumen‘, aber ein gewisses Schutzempfinden – etwa Hitze und Kälte gegenüber – wird sich ganz sicher bald einstellen.“ Bei der jüngsten Kontrolle jedenfalls habe der Landwirt den neuen Daumen schon zum Zeigefinger führen können, „etwas Leichtes damit zu halten, klappt also bereits“.

Porträt von Vorarlberg-Krone
Vorarlberg-Krone
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