Zukunft der Raumflüge?

Österreicher entwerfen Wohnungen für Mond und Mars

Wissenschaft
16.05.2023 10:15

Weit ist der Weg zum Mars und lange die Zeit, die Astronauten oft im Erdorbit in beengten Verhältnissen verbringen. In Kooperation mit Partnern hat die Wiener Weltraum-Architekturplattform Liquifer gemeinsam mit dem europäischen Flugzeughersteller Airbus ein Konzept eines Habitats namens „Airbus LOOP“ entwickelt, das Weltraumfahrern längerfristig einen All-Aufenthalt in einigermaßen lebenswerten Umständen ermöglichen soll. Zuvor denkt man aber noch in Richtung Mond.

Das Liquifer-Team um Barbara Imhof, Waltraut Hoheneder und René Waclavicek wartete schon vor rund zehn Jahren mit dem „Self-deployable Habitat for Extreme Environments - SHEE“ mit einem kleinen Weltraum-Habitat auf und war im Rahmen des EU-Projekts „EDEN ISS“ an Entwicklung und Betrieb eines Gewächshauses für bzw. in der Antarktis beteiligt. Jetzt denkt man ein deutliches Stück größer.

Orientierung an Musks Mega-Rakete
Hatte „SHEE“ noch einen Durchmesser von schlanken sechs Metern bei zwei Metern Raumhöhe, orientiert sich „Airbus LOOP“ an den Kapazitäten, die das größte jemals gebaute Raketensystem „Starship“ der US-Weltraumfirma SpaceX bereithält, erklärt René Waclavicek. Hier ginge sich ein Frachtmodul mit acht Metern Durchmesser und der gleichen Höhe aus. Ergo schafft man hier drei Geschoße mit einer jeweils größeren Nutzfläche. Ein weiterer entscheidender Faktor ist, dass das „Starship“ auch bald bis zu 100 Tonnen pro Flug in das All bringen können soll.

Ein computergeneriertes Bild des Habitats A-Loop von außen. (Bild: APA/LIQUIFIER 2023)
Ein computergeneriertes Bild des Habitats A-Loop von außen.

Zuerst könnte „LOOP“ einmal im Erdorbit eingesetzt werden, wenn etwa die Internationale Raumstation ISS eingemottet wird, später könne man auch in Richtung Marsflug nachdenken. Im Zentrum des Zylinders findet sich ein Gewächshaus, das sich über die oberen beiden Stockwerke zieht. Ganz oben befindet sich das „Habitation Level“ - also der Wohnraum. Hier finden sich die privaten Kajüten, ein Aufenthaltsraum, Waschgelegenheiten und die Kombüse. Der Tisch ist in das Gewächshaus quasi eingebaut. Ebenfalls im oberen Stock finden sich ein großes Aussichtsfenster und Fitnessgeräte, mit denen die Astronauten dem Muskelschwund in der Schwerelosigkeit entgegenwirken können.

Hier im Video - So ist das Habitat für künftige Raumflüge aufgebaut:

Im Stockwerk darunter befinden sich die Laboratorien. Die einzelnen Experimente sind dort in Modulen angeordnet, wie das auch auf der ISS der Fall ist. Angedacht ist auch eine Luftschleuse, über die wissenschaftliche Aufbauten hinaus ins All auf eine Spezialplattform verschoben werden können. „Das ist aber alles beispielhaft“, betonte Waclavicek. Der Aufbau könne auf alle Kundenwünsche hin angepasst werden - „das erlaubt der modulare Charakter“, den man zusammen mit Airbus, dem belgischen Unternehmen Space Application Services und der französischen Firma Spartan Space entwickelt hat.

Kampf gegen kosmische Strahlung und Muskelschwund
Im dritten Geschoß befindet sich eine Zentrifuge, mit der sich Schwerkraft simulieren lassen soll. Die Haupt-Schwierigkeit bei langen All-Aufenthalten weit vom schützenden Magnetfeld der Erde entfernt ist nämlich neben der Abschirmung der kosmischen Strahlung und dem Bereitstellen eines tatsächlich geschlossenen Systems zur Lebenserhaltung die lange Schwerelosigkeit. Um dem Muskelverlust neben aktivem Training noch besser ein Schnippchen schlagen zu können, ist die Idee, dass die Astronauten immer wieder Zeit in der rotierenden Zentrifuge verbringen.

Bei einer Marsmission müssten die Raumfahrer nämlich gleich nach der Landung nach dem mehrmonatigen Flug auch voll einsetzbar und körperlich bei Kräften sein, so Imhof und Waclavicek. Das „Airbus LOOP“ soll daher auch dazu dienen, um solche Systeme, die es zwar in fast jedem „Science Fiction“-Film gibt, aber noch nicht real existieren, im Erdorbit zu testen.

Barbara Imhof (li.) war bereits an der Entwicklung eines Gewächshauses in der Antarktis beteiligt. (Bild: APA/MANUEL MEYER)
Barbara Imhof (li.) war bereits an der Entwicklung eines Gewächshauses in der Antarktis beteiligt.

Schon bald im Mond-Orbit?
Künstliche Schwerkraft und Strahlungsabschirmung sind laut Imhof die Themen, wo noch am meisten erforscht werden muss. Über Letzteres will man mit der „GATEWAY Lunar Orbital Platform“ im Rahmen der federführend von der NASA vorangetriebenen Comeback-Mission zum Mond namens „Artemis“ neue Erkenntnisse gewinnen. Das „Gateway“ soll ab Mitte der 2020er-Jahre den Mond umkreisen. Wann genau es Richtung Mars gehen könnte, ist offen. „Airbus LOOP“ könnte aber ein Schritt in diese Richtung sein, so Imhof.

Davor geht es aber um den Mond. So arbeitet Liquifer auch an der Ergonomie des „international habitation module“ (i-HAB) für „Gateway“ mit. Ein Modell dieser Wohn- und Arbeitseinheit wird gerade auf der Erde getestet. Hier geht es nun darum herauszufinden, ob künftige Astronauten auch tatsächlich alle wichtigen Komponenten gut erreichen können, die es vielleicht einmal im All zu reparieren und zu warten gilt, erklärte Waclavicek. Die Wiener Weltraumarchitekten seien mittlerweile bei vielen derartigen Projekten „sehr nahe dran“, sagte Imhof. Künftig könnte die in Wien und Bremen ansässige Firma möglicherweise auch kleinere Kajüten selbst bauen.

Für den Mars muss größer gedacht werden
Die Voraussetzungen für „i-HAB“ und „Airbus LOOP“ seien jedenfalls unterschiedlich: Gegen das beengte Mond-Modul - das vier Astronauten lediglich 48 Kubikmeter Platz bietet - ist der Raum des etwaigen Mars-Vehikels fast achtmal so groß dimensioniert. Die je vier vorgesehenen Astronauten hätten hier ganz andere Voraussetzungen. Selbst wenn sich im „LOOP“ bei einem Wechsel die Mannschaft kurzfristig auf acht erhöhen würde, hätte jeder einzelne dort mehr Platz als die Kollegen im Mond-Orbit.

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