Mystisch-verstörend

“Melancholia”: Von Triers bildgewaltige Apokalypse

Kino
26.10.2011 17:00
Gerne taucht in aktuellen Kritiken zu "Melancholia" die Spekulation auf, was denn für Lars von Trier in Cannes heuer möglich gewesen wäre, hätte er sich mit seinen Nazi-Sagern nicht schon vor der Preisverleihung ins politisch unkorrekte Aus manövriert. Das bildgewaltige Apokalypse-Drama des streitbaren dänischen Regisseurs ist zugänglicher als zuletzt der umstrittene Film "Antichrist" und war auf jeden Fall beeindruckender als der größte Teil der Konkurrenz an der Croisette.

Geblieben ist letztendlich jedoch - wie schon vor zwei Jahren - der Preis für die beste Hauptdarstellerin. Und die Überzeugung, dass von Trier mit Sicherheit einer der kompromisslosesten Regisseure unserer Zeit ist.

Als Hauptdarstellerin agiert diesmal eine phänomenale Kirsten Dunst, die als erfolgreiche Werberin Justine vor dem glücklichsten Tag ihres Lebens steht. Doch die Hochzeit in einem wunderschönen Schloss, in dem sich die gesamte Familie (und damit ein Star-Ensemble von Charlotte Gainsbourg, John Hurt und Kiefer Sutherland bis Udo Kier und Charlotte Rampling) versammelt hat, wird durch Justines aufkommende Depression zunehmend von irritierenden und unangenehmen Zwischenfällen überschattet. Nach der Hälfte des Films erfolgt ein Bruch, Justine kehrt zur Erholung wieder in das Schloss zurück, das von ihrer Schwester Claire (Gainsbourg) und deren Mann als Hotel geführt wird. Und beobachtet dort den Planeten "Melancholia", der Kurs auf die Erde genommen hat.

"Der Film geht nicht so sehr um das Ende der Welt, sondern mehr um einen Seelenzustand", konstatierte von Trier, dessen recht unterschiedliche Filmhälften mit Wagner unterlegt sind und mit gemäldeartigen Kompositionen sowohl mystisch als auch verstörend wirken. Der Regisseur hat selbst jahrelang an Depressionen gelitten, "Melancholia" ist der erste Film nach seiner weitgehenden Genesung - und eine überragende und intensive Behandlung der Thematik. Auch für Kirsten Dunst war das Leiden ihrer Figur nicht gänzlich neu, hatte sie sich 2008 doch ebenfalls deswegen behandeln lassen. Die Hollywood-Schauspielerin habe ihre Sache "extrem gut gemacht", lobte nun nicht zuletzt ihr Regisseur, "vor allem der Blick in ihren Augen war perfekt".

Mit Dunst und Gainsbourg im Zentrum des Films entwickelt von Trier eine Virtuosität und eine Dramatik, die sich am Spiel mit Genres und Motiven förmlich delektiert und sich nicht aufs postmoderne Zitieren beschränkt. "Elemente des Katastrophenfilms sind vorhanden, auch dessen Mechanismen der Spannungserzeugung, die Ingmar-Bergmansche Neugier am Zerfall von Beziehungen und Selbstbildern fällt ins Auge, ein gewisses Interesse an Satire und Fantastik - all das von einer nervösen Dogma-Kamera beobachtet", fasst die deutsche Wochenzeitung "Die Zeit" euphorisch zusammen. Und kommt zu dem Schluss, dem man sich vorbehaltlos anschließen kann: "Der Film ist größenwahnsinnig und kitschig, subtil und grausam. Also großartig."

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