Grüne irritiert:

Weniger Sozialleistungen locken keine Pflegekräfte

Politik
13.03.2023 16:36

Die Rede von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) stößt beim Koalitionspartner weiterhin auf Kritik. Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) wandte sich gegen den Vorstoß, dass nur jene, die fünf Jahre im Land sind, Sozialleistungen in voller Höhe erhalten sollen. Maßgeblich für den Bezug müsse der Bedarf an Unterstützung sein, nicht die Aufenthaltsdauer in Österreich oder das Ausmaß der Beschäftigung. Auch Rechtsexperten zeigen sich skeptisch.

Nehammer hatte sich in seiner „Rede zur Zukunft der Nation“ am Freitag zu dem Ziel bekannt, die Sozialleistungen neu zu regeln, sodass nur jene die volle Leistung beziehen können, die durchgehend fünf Jahre in Österreich leben, „und wenn nicht, nur die Hälfte“.

Rauch: „Brauchen attraktive Rahmenbedingungen“
„Den Bezug von Sozialleistungen für Zuwanderer und Zuwanderinnen in den ersten fünf Jahren zu beschränken, wird nicht dazu führen, 10.000 Pflegekräfte aus dem Ausland für Österreich zu gewinnen, wie es Bundeskanzler Karl Nehammer in seiner Rede als Ziel formuliert hat“, so Rauch in einer hämischen Reaktion im „Standard“.

In vielen Branchen würde händeringend nach Arbeitskräften gesucht, „es braucht daher attraktive Bedingungen, damit Menschen nach Österreich kommen und hier arbeiten möchten“, führte er weiter aus.

Ideen der ÖVP „rechtlich kaum umsetzbar“
„Die Ideen der ÖVP sind - soweit bekannt - rechtlich kaum umsetzbar, da es sich bei den meisten Leistungen um Versicherungsleistungen handelt“, zitierte die „ZIB 2“ am Sonntag ein Statement des Grünen Parlamentsklubs. „Es findet sich dazu auch nichts im Regierungsprogramm, eine Umsetzung steht also nicht zur Diskussion. Wir gehen davon aus, dass solche Vorstöße weder vor den Höchstgerichten in Österreich noch vor jenen der EU haltbar wären.“

„Wir erinnern hier etwa auch an die Indexierung der Familienbeihilfe, die vom EuGH aufgehoben wurde.“ Soziale Sicherheit sei für die Grünen nicht verhandelbar, heißt es in dem Statement weiter.

Kürzung wohl nur für wenige Gruppen möglich
Nur für wenige Gruppen käme aufgrund von EU-Recht eine Kürzung infrage, sagte Europarechtsexperte Franz Leidenmühler von der Johannes-Kepler-Universität Linz am Montag im Ö1-„Mittagsjournal“. So etwa Personen aus Drittstaaten, die sich nicht im Asylverfahren befinden und keine Angehörigen von EU-Bürgerinnen oder -Bürgern sind.

Für subsidiär Schutzberechtigte gebe es nur eine Mindestunterstützung in Bereichen wie Einkommen, Krankheit oder Wohnen - hier habe eine „Gleichbehandlung mit Inländerinnen und Inländern zu erfolgen“. Drittstaatsangehörige, die in Österreich arbeiten, hätten auch ein Anrecht auf Sozialleistungen.

Verstoß gegen Menschenrechtskonvention?
Welche Leistungen gekürzt werden sollen, blieb bis dato unklar. Laut dem Verfassungsrechtsexperten Heinz Mayer sei etwa das Arbeitslosengeld eine Versicherungsleistung, die man aufgrund eines zu kurzen Aufenthaltes nicht kürzen könne. Der Sozialrechtsexperte Wolfgang Mazal sieht in der angedachten Kürzung einen Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention.

Diese verbiete für eigentumsersetzende Leistungen eine Differenzierung nach der Staatsbürgerschaft, sagte er gegenüber Ö1. Seines Erachtens seien davon auch Mindestsicherungsleistungen erfasst.

NEOS: „Keine ersthafte Politik“
NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger ortete bei Nehammers Vorstoß zur Sozialhilfe-Kürzung für Zuwanderer „keine ernsthafte Politik“, denn bisher sei überhaupt nicht klar, was er damit meine. Die ÖVP solle ihre Vorstellungen klar vorlegen, dann könne man diese - auch rechtlich - prüfen, so Meinl-Reisinger in einer Pressekonferenz. Sie erinnerte daran, dass in diesem Themenfeld so gut wie alles aus der Ära Türkis-Blau vom Verfassungsgerichtshof bzw. auf europäischer Ebene aufgehoben worden sei. Die NEOS würden sich jedenfalls allem entgegenstellen, was den Arbeitskräftemangel im Land weiter befeuere.

Nicht der einzige Kritikpunkt
Die Neuregelungen bei den Sozialleistungen waren nicht der einzige Vorstoß des Kanzlers, der bei den Grünen auf Unverständnis traf. Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) sprach sich bereits gegen das „Festhalten am Verbrenner“ aus. Der Kanzler hatte in seiner Rede erklärt, Fleischkonsum und Auto zu verbieten, sei keine Antwort auf die Klimakrise.

Die Grüne Klubobfrau Sigrid Maurer kritisierte die „rückwärtsgewandte und fossile Perspektive“ der ÖVP. „Auch wenn man die Augen ganz fest zudrückt, geht die Klimakrise nicht weg“, sagte sie im „Mittagsjournal“. Die Zukunft liege in der Elektromobilität.

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