Karl-Markus Gauß:

„Kann meinen Beruf heute niemandem mehr empfehlen“

Salzburg
13.03.2023 08:30

„Krone“-Redakteurin Elisa Torner traf sich mit Salzburgs bekanntestem Schriftsteller Karl-Markus Gauß zum abendlichen Tischgespräch über Maulhelden und Nachwuchs.

Herr Gauß, schön, dass Sie sich im „Zum Noisternig“ Zeit für unser Gespräch nehmen. Warum genau dieses Lokal und was haben Sie bestellt?

Eigentlich wollte ich ein Backhendl bestellen – das ist nämlich das beste, das ich kenne. Aber da es heute nicht auf der Karte steht, habe ich mich für die gemischten Innviertler Knödel entschieden. Ich gehe hier gerne her, weil das Publikum so durchmischt ist.

Wie ist eigentlich Ihre Liebe zur Sprache entstanden?

Wir waren in der Familie vier Buben – ich war der jüngste. Ich wollte mit den Großen immer mithalten und da konnte ich mich eigentlich nur behaupten, indem ich mit dem Mundwerk besser war als sie. Und so habe ich ein Gefühl dafür bekommen, dass die Sprache schon eine gewisse Macht ist. Wenn mich Kritiker später manchmal negativ konnotiert „Maulheld“ genannt haben, muss ich schon sagen: Kriegsheld bin ich sicher keiner. Also ja, ich habe mir in der Tat mit dem Reden und Schreiben meine Position in der Welt erobert.

Würde die Welt anders aussehen wenn es mehr „Maulhelden“ gäbe?

(lacht) Ja, vielleicht! Aber ich will jetzt auch nicht sagen, dass alle Maulhelden werden sollen.

Was raten Sie jungen Leuten, die tatsächlich eine literarische Karriere anstreben?

Ich habe die Entwicklung in den letzten Jahren genau mitverfolgt, auch durch meine Literaturzeitschrift „Literatur und Kritik“. Das, was ich gemacht habe, kann ich heute eigentlich niemandem empfehlen. Ich habe in meinem ganzen Leben nie eine Anstellung gehabt, war immer freischaffend und hatte das große Glück, dass man zum einen damals besser Geld damit verdienen konnte als heute. Zum anderen hatte ich mehrere Standbeine – meine Bücher, ich schrieb Zeitungsartikel, war Herausgeber einer Zeitschrift und habe einige Literaturpreise bekommen.

Gab es berufliche Alternativen, falls es mit dem Schreiben nicht geklappt hätte?

Das Schreiben war mein einziges Ziel. Und zwar schon sehr früh. Fußballer stand zwar auch kurz einmal im Raum. Dafür hat es aber nicht gereicht, auch wenn ich nicht schlecht war.

Sie setzen sich in Ihren Werken häufig mit Großen Themen wie der Weltpolitik und der Gesellschaft auseinander. Wie kam es dazu?

Mit der Geburt meiner Kinder habe ich einen großen Einschnitt erlebt. Bis dahin war ich ein Zyniker. Aber mit Kindern kann man nicht mehr zynisch sein, denn das hieße ja, dass man eine gewisse Lust daraus zieht, dass alles schlecht ist. Mit Kindern will man aber etwas besser machen und schauen, dass alles gut funktioniert. Wobei ich dem Klischee, dass ich nur politisch schreibe, ein bisschen entgegen wirken muss. Das ist eigentlich nur ein kleiner Anteil meines ganzen Schreibens. Mir imponieren eher Sachen, die schön und klass’ waren und ich darüber schreiben kann. Ich rühme eigentlich auch sehr gerne.

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Mit der Geburt meiner Kinder habe ich einen großen Einschnitt erlebt. Bis dahin war ich eigentlich ein Zyniker.

Gauß über ein prägendes Erlebnis, das auch sein künstlerisches Schaffen beeinflusste

Sie waren 32 Jahre lang Chefredakteur und Herausgeber der Literaturzeitschrift „Literatur und Kritik“. Ende letzten Jahres haben Sie den Posten geräumt und an eine jüngere Generation übergeben. Wie ist das, so ein „Baby“ aus der Hand zu geben?

Ich weiß nicht, ob das irgendwann noch kommen wird, dass ich Melancholie oder gar Nostalgie verspüre, aber derzeit empfinde ich das Ganze als völlig richtig. Auch persönlich gesehen, weil ich mit zunehmendem Alter langsam abbauende Arbeitskräfte habe. Früher war ich ein Arbeits-Büffel. Ich konnte nach meinem Tag in der Redaktion nachhause kommen und habe bis drei in der Nacht weiter an meinen Büchern geschrieben. Und in der Früh bin ich aufgestanden um meine Tochter in den Kindergarten zu bringen. Das ginge heute nicht mehr. Nicht nur, weil meine Tochter das mit 34 etwas befremdlich fände (lacht), sondern ich kriege das auch körperlich nicht mehr hin. Aber abgesehen davon müssen wir jetzt auch einer neuen Generation die Chance geben, ihre Meinung kundzutun. Ana Marwan folgt mir nach und sie soll der Zeitschrift jetzt ruhig ihre eigene Handschrift geben. Das ist schließlich die Aufgabe eines Herausgebers.

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Vielleicht kommt das noch, dass ich Melancholie oder Nostalgie verspüre, aber derzeit empfinde ich das als völlig richtig.

Gauß über die Entscheidung, nicht mehr Chefredakteur seiner Zeitschrift zu sein

Kannten Sie beide sich vorher schon?

Nein, überhaupt nicht. Das hat der Verleger selber entschieden. Und ich finde es eine sehr interessante Entscheidung, sie wird das sicher sehr gut machen.

Zur Person

Karl-Markus Gauß wurde 1954 in Salzburg geboren. Er machte sich schon in frühen Jahren seines Wirkens als Essayist, Kritiker und Herausgeber der Zeitschrift „Literatur und Kritik“ einen Namen in der internationalen Literatur-Szene. Für sein literarisches Schaffen wurde er mit mehreren international renommierten Preisen ausgezeichnet, wie etwa dem Österreichischer Staatspreis für Kulturpublizistik und dem Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung. Gauß ist verheiratet und Vater zweier erwachsener Kinder.

Was steht jetzt im Ruhestand für Sie an? Gibt es so etwas für Sie überhaupt?

Nein, ich schreibe gerade an zwei neuen Büchern. Bis August muss ich mich entscheiden, welches ich zuerst veröffentlichen möchte. Leider darf ich über die Inhalte noch nicht viel erzählen.

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Wir müssen jetzt langsam einer neuen Generation die Chance geben, ihre eigene Meinung kundtun zu dürfen.

Gauß über die Tatsache, dass ein Generationswechsel unvermeidbar ist.

Wo schreiben Sie eigentlich am liebsten?

Zu 95 Prozent zuhause. Ich sitze immer am selben Platz. Das haben auch die Kinder immer so akzeptiert wie sie noch klein waren. Sie sind wirklich immer nur ins Zimmer gekommen, wenn es ein großes Problem gab.

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