Salzburger Festspiele

Die „Drei Schwestern“ im betongrauen Bombenkrater

Kritik
09.08.2025 16:09

Der ersten Oper von Péter Eötvös galt die letzte Opern-Neuproduktion der Salzburger Festspiele: Die trüb triste, wenn auch dichte „Drei Schwestern“-Inszenierung von Evgeny Titov in der Felsenreitschule versorgten die Sänger sowie das Klagforum Wien unter Maxime Pascal mit den nötigen Farben.

kmm

Als Mosaik aus Erinnerungen sieht Regisseur Evgeny Titov das, was der im letzten Jahr verstorbene Komponist Péter Eötvös aus Tschechows Schauspiel „Drei Schwestern“ destilliert hat. Eötvös hat in seiner ersten, und erfolgreichsten Oper, die 1998 in Lyon uraufgeführt wurde, Tschechows vier Akte zu drei Sequenzen verwirkt und komprimiert, welche Teile der Handlung, auch wiederholend, aus verschiedenen Perspektiven zeigen. Aus denen von Irina, Andrej und Mascha.

Für die Felsenreitschule haben Titov und sein Bühnenbildner Rufus Didwiszus allerdings weniger ein Mosaik als ein Trümmerfeld auf die Bühne gewuchtet: Ein in der Mitte zerborstener, zerbombter Schienenstrang, der aus einem Tunnel führt und an einer Betonwand endet. An ihr wird die arme Irina am Ende ein Tor aufpinseln und verzweifelt versuchen, ihrem Leben in der Provinz und aus dieser Kriegs- und Opern-Tristesse zu entkommen. Doch die Schwestern bleiben gefangen, der Traum nach Moskau zu gelangen nur Chimäre.

„Drei Schwestern“: Das Finale bleibt trostlos.
„Drei Schwestern“: Das Finale bleibt trostlos.(Bild: APA/BARBARA GINDL)

Am Ende müssen sie paralysiert zusehen, wie sich das alte Mütterchen aus dem Intensivbett, dessen Monitore in der Bühnenmitte leuchten, erhoben hat, um seine Finger in den Schokoguss von Irinas Namenstags-Torte zu stecken und genüsslich abzulecken. Ein wenig süße Hoffnung, die Titov seinen drei Schwestern doch noch gönnt, die wie zu Beginn wieder in ihre weißen Kleider zurückgeschlüpft sind. In diesen hatten sie im Prolog die Erinnerungen an ihr durchlebtes Lebens-Unglück angekündigt.

Die „Drei Schwestern legen sich wie ein Stein aufs Gemüt“ oder seien „trostlosester Pessimismus“, attestierte die Kritik dem Tschechow-Stück nach der Uraufführung. Titov scheint das besonders ernst genommen zu haben und lässt seine drei Schwestern und allerlei andere Verletzte durch die Kriegstrümmer geistern. Er schickt die Soldaten schon als blutige Untote in den Krieg oder hetzt sie mit Bombern unterm Arm durch die Kulisse. Das macht alles natürlich Atmosphäre, die gut geführten Darsteller bringen sich dazu intensiv ein. Solches versorgt außerdem den Festspielbezirk artig mit noch mehr Weltkriegs- und Weltkrisenstimmung.

Die nötigen Farben ins Dystopie-Grau bringen dann zum Glück die drei großartigen Countertenöre, die in den weiblichen Hauptrollen glänzen: Dennis Orellana, der Sopranist, berührt ganz zauberhaft als Irina, das hellste Gemüt der drei. Die scheinbar Stabilste, Olga, entpuppt sich beim wunderbaren Aryeh Nussbaum Cohen als ebenso versehrte Seele, während Cameron Shahbazi Maschas Verzweiflung intensiv ausstellt. Dazu gesellt sich als vierter starker Counter Kangmin Justin Kim, der als tyrannische Natascha angehalten ist, in überdrehten Witwe-Bolte Kostümen herb heftig aufzudrehen.

Rund um sie machen auch alle Herren, etwa Jörg Schneider als Doktor, Mikołaj Trąbka als Tusenbach, Jacques Imbrailo als Andrej, starken Eindruck. Das Klangforum Wien bereichert die Bombenhölle unter Maxime Pascal und als weit über der Szene postiertes Zweit-Orchester unter Alfons Cemin mit wunderbarsten Klangfarben und Zaubertönen. Wofür es wie alle anderen vom Publikum heftig gefeiert wurde.

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