Alles beim Alten

Salzburger Festspiele feiern heuer Normalität

Salzburg
04.09.2022 10:30

Sechs Festspielwochen sind in die Lande gegangen, die sich wie die Sommer vor der Pandemie anfühlten: Die selben Gäste auf und vor der Bühne - und zweimal auch die gleichen Produktionen wie früher.

In Salzburg also nichts Neues. Wiedersehen machte trotzdem Freude, zumindest musikalisch. Ganz ohne Turbulenzen ging es diesen Sommer nicht, denn „sagen oder nicht sagen?“ – das war hier die Frage. Gerade zur Diskussion rund um Intendantenliebling Teodor Currentzis schien in der Kulturberichterstattung jeder, der glaubte etwas zu sagen zu haben, auch etwas sagen zu müssen. Currentzis hatte nichts gesagt. Nichts zum Ukraine-Krieg, nichts zu seiner Haltung gegenüber seiner Wahlheimat Russland und einmal auch handgestoppte 30 Minuten und 46 Sekunden lang nichts zu all dem gegenüber Ioan Holender im exklusiven Interview bei Servus TV, der auch die selbe Zeit nutze, um nicht danach zu fragen. Ein gefundenes Fressen für die Presse, bei der für so manchen dieses Jahr der Trend sowieso eher zum Festspiel-Bashing ging. So viel sei dazu nur auch noch von dieser Seite gesagt: die Diskussion über Currentzis’ Nicht-Haltung wird weiter gehen, geschadet hat sie den Salzburger Festspielen nicht. Im Gegenteil, die Bude voll gemacht.

Auslastung konnte sich definitiv sehen lassen
Damit wären wir schon bei der Auslastung. Die kann sich mit 96 Prozent definitiv sehen lassen und fast an Vor-Corona-Zeiten anschließen. Ebenso die Stimmung. Bei den Gästen nichts als Freude, manchmal auch demonstrativ. So gesehen bei der ersten doppelten Opernpremiere des Sommers: „Herzog Blaubarts Burg“ von Béla Bartók und „De temporum fine comoedia“ von Carl Orff, für deren Dirigat Teodor Currentzis sehr dezidierten Applaus erhielt – verdient. Emotional und klug führte er das Gustav Mahler Jugendorchester in perfekter Symbiose mit Romeo Castelluccis stimmungsvoll düsteren Welten aus Feuer und Finsternis. Intendant Markus Hinterhäuser sollte also Recht behalten, mit seinen beiden Personalpfeilern aufs richtige Pferd gesetzt zu haben.

Intendant Hinterhäuser hatte nicht nur Glück
Nicht ganz so viel Glück hatte er mit seinen beiden Wiederaufnahmen, die vehement als „Neueinstudierungen“ angepriesen wurden. Bei Lydia Steiers vor vier Jahren stark kritisierten „Zauberflöte“ hatte sich das Neueinstudieren tatsächlich gelohnt. Weniger Zirkus, mehr Fokus, so offenbar die Devise. Shirin Neshat gelang die zweite Chance mit neuen Ideen für ihre „Aida“ von 2018 weniger.

Die Riege der außergewöhnlichen Frauen. Wenn jemand den Festspielsommer über von sich Reden gemacht hat, dann die Damenwelt. Sängerisch, aber auch darstellerisch gelang Asmik Grigorian, deren Stern in Salzburg einst als „Salome“ aufging, ein dreifaches Wunder in Christof Loys Inszenierung von „Il Trittico“. Aušrine Stundyte als Judith im Bartok/Orff-Doppelabend erzielte ähnliche Begeisterung und die zierliche Sopranistin Corinne Winters zeichnete mit großer Stimme ein starkes Charakterbild in „Kata Kabanova“, wofür ihr Barry Kosky mit seiner statischen Inszenierung komplett die Bühne der Felsenreitschule überließ.

Für eine echte, wenn auch längst überfällige Überraschung, sorgte die Pianistin Yuja Wang. Auf Grund von Armschmerzen musste Evgeny Kissin sein Solorecital im Haus für Mozart absagen. Wang sprang ein und brachte frischen Wind mit. Wenn jemand Potenzial hat, der alteingesessenen Festspielgemeinde gehörig den Staub von der Oberfläche zu blasen, dann ist es die 35-jährige Wahl-New-Yorkerin. Das liegt nicht nur daran, dass sie neben virtuosen Oktavläufen und präzisen Tempi auch auf glitzernde Partykleider und himmelhohe Schuhe auf der Bühne steht. Nach ihrem spontanen Solodebüt fragte man sich ernsthaft, warum die Salzburger Festspiele seit Jahren die immer selben Abende mit den Sokolovs, Volodos’ und Pollinis dieser Welt programmieren, bei denen man schon die Zugaben auswendig kennt, wenn es junge Künstlerinnen und Künstler gibt, die auch einmal Material abseits der großen Evergreens mit an die Salzach bringen würden. Doch Festival und Publikum halten erbittert an ihren alten Helden fest und diese auch an sich. Das das auf Dauer nicht gesund ist, zeigte sich beim Festival auf traurige Weise. Daniel Barenboim geht es seit vergangenem Frühjahr nicht gut. Immer wieder führten Krankenhausaufenthalte zu Terminabsagen und aus Barenboims Umfeld hörte man auch diesen Sommer, dass es dem Meister wieder schlechter geht.

Erbittertes Festhalten an alten Festspiel-Helden
Dass das Publikum dies auf der Bühne im Großen Festspielhaus bei einem kaum geleiteten Konzert mit den Wiener Philharmoniker hautnah erfahren musste, ist einem Ausnahmekünstler wie Barenboim nicht würdig. Der nur ein Jahr ältere Maurizio Pollini (80) konnte die Bühne nicht einmal betreten. Wegen akuter Herzprobleme musste sein Konzert abgesagt werden.

Ein Highlight war dagegen Cecilia Bartolis Pfingstfestspiel-Spektakel „Der Barbier von Sevilla“. Man mag über die teils sinnbefreite und mit Gags überflutete Inszenierung von Rolando Villazon denken wie man möchte, doch was Bartoli und ihr hochkarätiges Ensemble um Edgardo Rocha, Ildebrando D’Arcangelo und Nicola Alaimo Abend für Abend Feuerwerke an Sing- und vor allem Spielfreude abfeuerten, war ganz großes Kino.

Die Salzburger Festspiele können Krise, auch wenn sie sie nur aussitzen. Sollte man sich tatsächlich einmal ernsthaft über das Publikum der Zukunft Gedanken machen, so sollte das Präsidium seinen Blick für Frauen wie Bartoli oder Wang schärfen und dem ein oder anderen Dauergast ein Päuschen gönnen. Jedermann geht mit gutem Beispiel voran. Nach nur zwei Spielzeiten beendet Lars Eidinger das Spiel vom Sterben des reichen Mannes und nimmt seine Buhlschaft Verena Altenberger gleich mit. Man soll gehen, wenn es am schönsten ist.

Larissa Schütz

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